Der langsame Tod Altwiener Baukultur in den Vororten

„Wien, Wien nur Du allein,
sollst die Stadt meiner Träume sein
dort wo die alten Häuser stehen,
dort wo die schönen Madeln gehen“

Sicher kann man sein, dass noch in Jahren hübsche Passantinnen das Auge des Wieners oder des Wienbesuchers erfreuen werden können – die alten Häuser wird man jedoch bald vergeblich suchen.

Sie werden dem Spekulantentum und der Gier geopfert worden sein und die Weltstadt Wien wird ihren Charakter weitgehend verloren haben.

Mitten im Döblinger Cottage – Postmoderne Geschmacklosigkeit, Balkone für Exhibitionisten? Gegenüber dem wunderschön hergerichteten Daringer Hof in Sievering hat eine Luxusbaugesellschaft dieses Objekt hingeklotzt.

Anstatt liebevoll restaurierter baulicher Kleinode aus Renaissance, Barock, Biedermeier, Gründerzeit und Jugendstil werden gesichtslose, hässliche moderne und postmoderne Allerweltsbauten aus Glas und Beton nicht nur das Bild der Innenstadt und der Vorstädte, sondern auch der ehemaligen Vororte, insbesondere der Wiener Weinorte, prägen.

Neben ideellen und ästhetischen Werten wird auch das vernichtet, was die unzähligen Besucher unserer Stadt lieben und schätzen.

Noch werden die Wienbesucher in ihren Erwartungen nicht getäuscht. Das kann sich jedoch bald ändern. Wird in Wien zuviel geklotzt, dann werden auch die Besucher unserer Stadt seltener werden. Somit bedeutet der stete Verlust an alter Bausubstanz neben ideellen Verlusten auch wirtschaftliche.

Das darf so nicht sein!

Noch allzu gut sind vielen von uns die schrecklichen Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges in Erinnerung. In Schutt und Asche die Symbole Wiens, wie Oper, Stephansdom und Burgtheater.

Menschliches Leid und wirtschaftliche Not prägten die damalige Zeit und trotzdem war es möglich, neben diesen Wahrzeichen auch unzählige andere bauliche Kleinode in altem, neuen Glanz erstehen zu lassen.

Und heute?

Mag man unseren Politikern und Journalisten glauben, wonach Österreich zu den reichsten Staaten Europas gehört, so ist es besonders unverständlich, dass die öffentliche Hand keine Mittel aufwenden kann oder will, um das bestehende Schöne für die Zukunft zu sichern.

Sie lassen zu, dass die Abrissbirne unter fadenscheinigen Gründen in das letzte geschlossene Winzerhausensemble von Neustift am Walde eine breite Bresche schlägt, wodurch die Identität dieses Döblinger Dorfes für immer zerstört ist.

Misslungene Fassade in Neustift – wie die Faust auf das Auge.

Der Schutzzonen-Schutz hat sich nach der Lex Hollein als unbrauchbar erwiesen. Ein baufälliges Gebäude in einer Wiener Schutzzone darf nach heutiger Rechtslage nach Erzielung der so genannten technischen Abbruchreife abgerissen werden. Somit ist es möglich, dass diese Baulücke aus der Schutzzone heraus fällt und der Bauherr in Folge bauen kann wie er will, ohne sich an das Orts- und Stadtbild halten zu müssen.

Baussünde in Sievering. Neben dem Renaissance-Haus links der abstoßende Neubau. Bauherr ein bekannter Wiener Juwelier.

Die Vorgangsweise ist meist so, dass das Haus teilweise abgedeckt wird, damit Regen und Schnee die Substanz soweit schädigen, dass die technische Abbruchreife erzielt wird. Interessanterweise häufen sich auch immer wieder kleinere Brände in denkmalgeschützten Häusern oder in solchen, die in Schutzzonen gelegen sind. Den zuständigen Politikern aller Farben scheint das Wohl ihnen nahe stehender Bau- und Wirtschaftunternehmen (Raiffeisen, gemeinnütziger Wohnbau etc.) näher als die Bürger und deren Belange zu sein.

Warten auf technische Abbruchreife

Nicht nur Neustift und die Döblinger Weinorte sind von Zerstörungen bedroht – auch in anderen Teilen Wiens treibt die Spitzhacke ihr Unwesen.

Ich erinnere an die Zerstörung des so genannten Schubertturmes in Wien Erdberg, an den Abriss des denkmalgeschützten Bösendorfer-Saales in Wien-Wieden, an die Verschandelung des Augarten-Spitzes durch den entbehrlichen Konzertsaal für die Wiener Sängerknaben. Verschandelung findet auch durch Hochhäuser aus Glas und Beton an den Gestaden des Donaukanals statt, sowie im Weichbild der Alten Donau.

Bei grober Betrachtung könnte man bereits meinen, in Chicago oder Johannesburg zu sein. Hätten diese Städte jedoch auch nur annähernd ein ähnliches kulturelles Bauerbe wie Wien, würden sie sicher dieses mehr hegen und pflegen, als es unter der jetzigen Stadtregierung passiert. Verheerend wirkt sich auch so mancher Narzissmus von aus unverständlichen Gründen hoch gelobten Architekten wie Coop. Himmelblau oder Frau Hadid aus, welche zur Verschandelung Wiens auch nicht wenig beitragen. Denken Sie nur an den unmöglichen Stelzenbau am Donaukanal in Wien-Alsergrund.

Nur selten gibt es einfühlsame Gestaltungen von Neubauten. Als Beispiel sei das Kattushaus in Wien Döbling erwähnt.

Der besorgte Bürger und die Initiativen werden von Bezirksvorstehungen und Magistratsabteilungen für ihre Anliegen abgestraft – keiner fühlt sich zuständig, jeder redet sich auf den anderen aus, verweist auf die Gesetzeslage und macht keine Anstalten, diese zu verbessern.

Aufgrund der Zerstörungen, zuletzt in Neustift am Walde, wurden am Neustifter Kirtag über 2000 Unterschriften für eine Schutzzonen-Petition gesammelt. Man kann nur hoffen, dass der Wiener Gemeinderat diese behandelt und ihr Rechnung tragen wird. Für an diesem Thema Interessierte wird auf die Homepage der Initiative Denkmalschutz (www.initiative-denkmalschutz.at) verwiesen, welche sich unermüdlich für den Erhalt gefährdeter Kulturgüter in Wien einsetzt.

Der Autor schreibt aus beruflicher Rücksicht unter Pseudonym.

Post scriptum:

Auch das geschlossene Ensemble neben dem Restaurant Alt Sievering in der Sieveringerstraße wird trotz Schutzzone teilweise abgerissen, damit im noch zu zerstörenden Obstgarten des Hauses Sieveringerstraße 65 ein 15 Meter hoher Klotz unter Verschandelung dieses Ensembles errichtet werden darf. Die Baupolizei erklärte, dass dieses vor kurzem restaurierte ebenerdige Gebäude nicht ausreichend erdbebensicher erbaut sei. Deshalb sei die technische Abbruchreife gegeben…

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