Wie links muss Kirche sein?

Die Caritas fordert die höhere Besteuerung von Vermögen, weil sie Ungerechtigkeit und Armut steigen sieht. Für Religionslehrer ist die Welt oft nur ein Hort von Ausbeutung, Armut und globaler Ungerechtigkeit. Im Rahmen des informellen Lehrplans schüren sie mit Propaganda-Filmen á la „Let`s make money“ die Wut der Jugend auf „das System“. Und in kaum einem Kirchensaal warnte Christian Felber noch nicht vor der Verschwörung von Kapital und Spekulanten.

Wenn junge Menschen unser Schulsystem verlassen, dann sind sie zornig auf „unser System“ – das sie persönlich gar nicht kennen. Es soll die Armut hierzulande und global verschlimmern – obwohl sie laut EU-Armutsbericht noch nie geringer war als heute. Der Anteil Hungernder sinkt ohnedies seit vielen Jahren - von 33 Prozent (1970) auf 16 Prozent (2011). „Pax Christi“ (die katholische Organisation der Friedensbewegung) lastet dem Kapitalismus an, den Wohlstand auf immer weniger Reiche zu konzentrieren – tatsächlich ist Österreichs Einkommensverteilung seit 50 Jahren aber unverändert (der Gini-Koeffizient liegt stets bei etwa 0,26). Einzig beim Kauf „fair“ gehandelter Produkte sieht die Kirche über unser sündiges, auf Gier und Materialismus aufgebautes Wirtschaftssystem hinweg.

Warum ist die Kirche konservativ, wenn es um alte Männerbräuche geht, aber so links beim Thema Wirtschaft?

Katholizismus vs. Marxismus

Marxisten wie Theologen (aller Fraktionen) behaupten, dass unser Wohlstand auf der Ausbeutung von Menschen und Rohstofflieferanten fußt. Kein Wunder, unterliegen sie doch alle dem antiken General-Irrtum vom „Nullsummenspiel“: Jemand kann nur reicher werden, wenn dafür ein anderer ärmer wurde (Bertolt Brecht: „Wärst du nicht reich, wär´ ich nicht arm!“) – in Summe wäre der Wohlstandszuwachs also immer Null.

Über 3000 Jahre lang traf dies auch zu, weil es mangels Erfindungen und Technik kein Wirtschaftswachstum gab. Die Weizenerträge stagnierten über Tausende Jahre hinweg bei 400 Kilo je Hektar. So konnte der Bauer seinen Gewinn nur vermehren, indem er eine Furche vom Nachbar-Acker auf die eigene Seite pflügte. Und was ein Kaufmann mehr haben wollte, musste er dem Kunden durch Betrug wegnehmen.

Diese unmenschliche und brutale Zeit hat die damaligen Gesellschaften – Judentum, Christentum und Islam – zutiefst geprägt. Alle drei kennen das Gleichnis vom Kamel:  „Eher käme dieses durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel“. Vor 2.000 Jahren einleuchtend: Da es kein Wachstum gab, musste der Reiche sein Geld ja jemandem gestohlen haben. Und so einen wollte man nicht in einer netten Gemeinschaft wie jener im Himmel.

Seit 250 Jahren gibt es aber sattes Wachstum: Heute erntet man 3.000 Kilo Weizen pro Hektar und eine Maschine produziert um 500.000 Prozent mehr als ein Handwerker im 18. Jahrhundert. Wer heute Geld hat, der hat produziert: Wenn ein findiger Unternehmer aus Altmetall zehn neue Pumpen baut und sie um 100 Euro verkauft, dann bemerkt die Notenbank das Wirtschaftswachstum. Sie druckt (vereinfacht gesagt) 100 Euro und bringt sie über Beamtengehälter in Umlauf. Eine Gesellschaft hat nun mehr Vermögen (in Form der Pumpen) und mehr Geldscheine. Die Rohstoffe der Lieferanten haben plötzlich einen Wert und Hungerleider ihre ersten Jobs. Alle wurden reicher – und niemand ärmer oder ausgebeutet.

Sag mir, wo die Armen sind!

Christentum wie Judentum (Marx entstammte einer Rabbinerfamilie) haben diese epochale Änderung unseres Daseins nie nachvollzogen. In ihrer antiken Gedankenwelt finden sie für den heutigen Massenwohlstand keine Erklärung, für jeden „Reichen“ suchen sie nach jemandem, der entsprechend ärmer wurde. Und weil man den nicht findet, dreht man an den Zahlen. Man erklärt Familien mit 2.165 Euro monatlich für „armutsgefährdet“. Und weil man „wirklich Arme“ erst in Afrika findet, reimt sich Caritas-Chef Küberl hier ein Verteilungsproblem zusammen: „Die da unten hungern, weil wir hier zu viel haben“. Doch das Problem liegt ganz wo anders.

Ehemals sozialistische Länder wie China, Indien oder Vietnam waren in den 1970igern mit 250 Dollar BIP pro Einwohner viel ärmer als etwa die Elfenbeinküste mit 1.000 Dollar. Den materialistischen und technikverliebten Gesellschaften Asiens war aber immer klar, dass nur die Produktion von Gütern Wohlstand schafft. Als man dies dann durfte, gründeten Millionen Asiaten über Nacht Produktionsbetriebe. Heute kochen unzählige Vietnamesen Schokolade und rösten Kaffee mit primitivsten Mitteln. Dabei gab es dort vor 15 Jahren noch nicht einmal Kaffeeanbau. In (West-)Afrika hingegen hat sich auch bis heute noch niemand gefunden, der mit einer 5-Dollar-Pfanne Kaffeebohnen rösten oder Schokolade schmelzen will.

Heute liegt das BIP pro Kopf in China bei rund 3.000 Dollar, in der Elfenbeinküste aber immer noch nur bei etwa 1.000 Dollar. Die asiatischen Staaten sind aber nicht auf Kosten der Elfenbeinküste gewachsen – ihre Menschen haben nur produziert. Weil es in Afrika aber nie Erfinder oder Unternehmer gab, gibt es dort auch keine Güter. Damit kann Afrika am Welthandel nicht teilnehmen und es bleibt arm.

Gebt den Armen … Eure Eigenjagden!

Arbeitsloses Einkommen sei verwerflich, meinte Salzburgs Caritas-Chef Kreuzeder, bei den Vermögen sieht er eine große Schieflage. Dabei ist die vermögendste Organisation Österreichs die Kirche selbst. Tausende Mietshäuser oder Wohnungen in besten Innenstadtlagen, Firmenanteile, Hunderttausende Hektar Grundbesitz – ja, ganze Täler mitsamt Eigenjagd für eine klerikale Jagdelite – sind Milliarden Euro wert.

„Leere Kirchen – volle Kassen!“, titelte „Der Spiegel“ einst. Von einem erdrutschartigen Verlust von Gläubigen gelähmt, klammert sich die Rumpf-Kirche verzweifelt an den Grashalm einer Wertediskussion, die eine über fünf Jahrzehnte von Wirtschaftswissen befreite Gesellschaft weit nach links schwenken ließ.

In Wahrheit braucht nicht die Gesellschaft, sondern die Kirche eine Wertediskussion. Beide, Kirche wie Marxisten, lehnen Kapitalismus aus den gleichen Gründen ab. Nur ist der Marxismus hier bei weitem konsequenter: Was er nicht versteht, will er zerstören. Die Katholiken belassen es beim Klagen – leben sie doch viel zu gut vom inkriminierten System. Wie glaubwürdig ist eine Kirche, die für „andere“ Menschen höhere Steuern fordert, obwohl diese nicht einmal über den Bruchteil des Vermögens der Kirche verfügen?

Die Kirche sollte entweder ihren salbungsvollen Worten Taten folgen lassen und ihre Milliarden mit „vermeintlich Armen“ teilen. Dann wäre sie glaubwürdiger – und für neue Mitglieder attraktiv. Oder sie sollte das theologische Studium um wirtschaftswissenschaftliche Elemente ergänzen – und ihren eigenen Wertehaushalt ordnen.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Österreich. Vor kurzem erschien sein neuestes Werk, „Die Gemeinwohl-Falle“. Es ist eine Antwort auf die globalisierungskritischen Thesen Christian Felbers oder Jean Zieglers. 

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