Werbekampagne für Privatschulen

In den nächsten Tagen veranstalten Großindustrielle im seltsamen Zusammenspiel mit Rot und Grün eine überdimensionierte Werbeaktion für teure Privatschulen. Diese werden nämlich gewaltigen Zulauf haben, sollte das sogenannte Bildungsvolksbegehren umgesetzt werden.

Die zwangsweise Gesamtschule für alle Österreicher bis zum 15. Lebensjahr wird vielen Familien keine andere Option lassen, als eben solche Privatschulen, wenn sie für ihre Kinder zumindest eine halbwegs gute Erziehung erreichen wollen. Ob sie es sich nun locker leisten können, wie ein Hannes Androsch und die für die Gesamtschule agitierenden Politiker, oder auch nicht, alle werden um einen Platz in Privatschulen kämpfen.

Statt, dass in unser Schulsystem endlich Freiheit, Leistungsorientierung und Vielfalt einkehren, soll ein Rasenmäher über die Schüler drüberfahren und alle gleich kurz scheren. Egal, ob sie nun besonders begabt sind oder nicht; egal ob sie einige Jahre bräuchten, um all ihre Defizite an Sprache und Kultur gegenüber Gleichaltrigen halbwegs auszugleichen, oder nicht; egal, ob sie mehrsprachigen Unterricht bekommen sollen oder nicht; egal, ob sie besondere musikalische, kaufmännische oder technische Begabungen haben oder nicht.

Das Gerede im Volksbegehren von Differenzierung ist leere Vernebelungs-Propaganda, solange man gleichzeitig für die Gesamtschule eintritt. In keinem einzigen objektiv und umfassend evaluierten Schulversuch hat man bisher das bessere Funktionieren einer solchen Differenzierung nachweisen können.

Österreich hat wie viele Länder gewaltige Probleme im Bildungsbereich. Auch mit 15 können viele Jugendliche das nicht, was sie eigentlich in der schon existierenden Gesamtschule namens Volksschule lernen hätten sollen: Lesen, Schreiben und die Grundrechnungsarten.

Diese Probleme sind vor allem auf drei Faktoren zurückzuführen: Auf den hohen Anteil von Zuwanderern aus bildungsfernen Schichten und unterentwickelten Regionen (Finnland, der Spitzenreiter bei den Pisa-Tests, hat hingegen fast überhaupt keine derartige Zuwanderung); auf eine bildungsfeindliche Entwicklung der Gesellschaft (die Schule solle bei uns immer nur Spaß machen und dürfe den Kindern keine Anstrengungen abverlangen, während Finnlands Schulen ganz auf Disziplin setzen); und auf eine Reihe völlig verfehlter Schulreformen (Stundenkürzungen in Kernfächern, Reduktion des fachtheoretischen Unterrichts an berufsbildenden Schulen und vieles andere mehr).

Wenn man die Besten und die Schlechtesten eines Jahrgangs gemeinsam unterrichtet, schadet man beiden. Statt dessen sollten wir ganz spezifische Anstrengungen nach dem Motto „Fordern und Fördern“ bei jenen Kindern im Volksschul- und auch schon Vorschulalter setzen, die statt einer liebevollen Zuwendung vor allem den Fernsehapparat als Erzieher kennengelernt haben; die daheim kaum ein deutsches Wort gehört haben; in deren Familien Frauen, sogar die eigene Mutter als zweitklassiges Wesen behandelt worden ist. Das ist jede Anstrengung wert – nur nicht das Schicksal jener Kinder, die ohne einen solchen Rucksack ins Leben starten.

Wir brauchen aber auch dringend eine gezielte Förderung für die Talentiertesten. Wenn es uns nicht gelingt, eine Elite vor allem im naturwissenschaftlichen, technischen und kaufmännischen Bereich heranzuziehen, dann droht unserer Gesellschaft eine noch viel schlechtere Zukunft, als sie ohnedies schon durch die Schuldenkatastrophe und den Geburtenknick programmiert ist (dass ausgerechnet der jetzige „Reformer“ Androsch einst die ersten Defizitexplosionen zu verantworten hatte, ist ein bezeichnender Zynismus am Rande).

Wenn das Androsch-Begehren neben zahllosen anderen hohlen Phrasen von „Autonomie“ schreibt, aber diese nie konkretisiert, ist das eine weitere Vernebelungsaktion. Gegen jede echte Autonomie würde sich ja insbesondere die extrem zentralistisch gesinnte Unterrichtsministerin querlegen, die aber das Begehren lautstark unterstützt. Eine ernsthafte Freiheit und Autonomie der Schulen würde nämlich darin bestehen – wie die „Bildungsplattform Leistung & Vielfalt“ verlangt – dass neue Schuldirektoren von Eltern und Lehrern gewählt und nicht mehr von Parteipolitikern bestellt werden.

Oder, dass jede Schule vom Staat gleich viel Geld bekommt (plus Zusatzprämien für nachweisliche Fortschritte bei bildungsfernen Kindern, plus Zusatzprämien für teure technisch-naturwissenschaftliche Ausbildungen). Oder, dass jede Schule sich ihre Lehrer und Schüler nach objektiven Kriterien selber aussuchen kann.

Es gibt – entgegen einer weiteren Lüge der Volksbegehrens-Lobby – zahlreiche Pädagogikprofessoren, die ausdrücklich nicht für eine zwangsweise Einführung der Gesamtschule sind (etwa Heitger, Hopmann, Neumann). Lehrer, Eltern und Schüler sind sowieso in ganz massiver Mehrheit dagegen, weil sie die wirkliche Schulpraxis kennen. Daran ändert es nichts, dass linke Medien die wenigen Gesamtschul-Fanatiker überproportional in den Vordergrund stellen.

Ja, wir brauchen ein ständiges Augenmerk auf Bildung. Nein, das Volksbegehren ist absolut nicht der richtige Weg, um die Bildungsdebatte zu intensivieren, denn es verschlimmert nur eine schwierige Situation.

Tit. Univ.-Prof. DDr. Dr. habil. Bernhard F. Seyr ist?Sachverständiger für Pädagogik, Bildungsökonom, habilitierter Wirtschafts- und Organisationswissenschafter sowie Mitglied des Vorstands der „Bildungsplattform Leistung & Vielfalt“.

Anmerkung: Der Text erscheint auch auf Mokant.at. 

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