Eine gefährliche Entwicklung

Binnen einer Woche kam es in zwei Nationen der arabischen Welt zu starken Protesten gegen die jeweilige Regierung. In Tunesien führte dies zur Flucht des Präsidenten Ben Ali. In Ägypten ist es zwar noch nicht so weit, doch es gibt zwischen den beiden Länden viele Parallelen. Beispielsweise erinnerte Hosni Mubaraks jüngste Rede frappant an die Ansprache Ben Alis.

Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Staaten ist, dass sie autokratische Präsidenten haben beziehungsweise hatten. Vor allem aber galten diese Nationen als „Freunde“ des Westens. Sie wurden mit dem Argument geduldet, alleine die Islamisten in Schach halten zu können. Nach den Desastern in Afghanistan und im Irak konnten es sich die USA nicht mehr leisten, solchen Ländern Vorschriften zu machen. Sie versuchten mit zwei Kriegen demokratische Regime zu installieren, lösten damit aber nur Bürgerkriege aus, die zuvor latent vorhanden gewesen waren und unter der Oberfläche brodelten. Dieser gewaltsame Zwang zur Demokratie darf daher als gescheitert angesehen werden.

Der Nahe Osten und die Maghrebstaaten haben sowohl für die USA als auch für Europa eine große Bedeutung. Nicht nur fließt das meiste Erdöl aus dieser Region, was für sich schon eine starke Aufmerksamkeit auf sich zöge, es berührt auch die USA auf Grund Israels, das für Washington eine geopolitisch wichtige Position innehat, und Europa, weil es an die betroffene Region unmittelbar angrenzt.

Es ist also kein Wunder, dass der Westen diese diktatorischen Regime duldete.

Diese politische Pattsituation, die ungelöste Probleme ignorierte, ist jetzt beendet. Die Völker der Maghrebstaaten haben offensichtlich genug von ihren Herrschern. Entscheidend dabei ist, dass dieser Freiheitsdrang nichts damit zu tun hat, dass die Moslems plötzlich zu Bewunderern der westlichen Lebensart wurden, so wie es die westliche Presse gerne hätte. Auch ist die Aufklärung dort nicht angekommen, wie manche annehmen. Der Grund für diese Entwicklung ist ganz einfach die Armut in diesen Staaten. Die Arbeitslosenzahlen in Tunesien, vor allem bei Akademikern, die am meisten Druck gegenüber dem Regime ausübten, liegen bei weit über 20 Prozent, die Inflation galoppiert mit über fünf Prozent dahin.

Auch andere Staaten in dieser Region haben mit einer wirtschaftsschwachen Struktur zu kämpfen:

„In Algerien beschäftigt der öffentliche Sektor 60 Prozent der Arbeitskräfte, in Jordanien sind es 50 Prozent, in Tunesien und Ägypten über 30 Prozent. Zu diesen Angaben wäre hinzuzufügen, dass in den arabischen Erdölmonarchien der Staat schätzungsweise über 90 Prozent der eigenen Bürger im Arbeitsalter beschäftigt; dagegen kommt ein Heer von 12 Mio. Fremdarbeitern in diesen Ländern zu 77 Prozent im Privatsektor unter.“, schreibt etwa die NZZ:

http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/das_arabische_no-future-syndrom_1.9155944.html

Stets werden zu Zeiten der Armut staatstheoretische Schwächen offenbar. Je diktatorischer ein Staat geführt wird, desto mehr wird er auch für die politische und wirtschaftliche Situation verantwortlich gemacht. Die Ereignisse, die uns gerade in allen Medien vor Augen geführt werden, sind folglich direkte Konsequenz dieser Umstände.

Weil aber auch die meisten anderen Staaten in der Levante, im Nahen Osten und im Maghreb mit diesen Problemen zu kämpfen haben, steht zu befürchten, dass sich so etwas wie ein Flächenbrand ausbreitet. Die Geschehnisse in Ägypten sind zum Teil schon der Vorbildwirkung Tunesiens zu verdanken.

Die Folgen wären unabsehbar. Aber zahlreiche Probleme sind schon zu erkennen. Wenn Ägypten in Zukunft von einer islamistischen Gruppierung regiert wird, verlöre Israel mit einem Schlag einen wichtigen Verbündeten. Selbst ein Bündnis des Iran mit den Maghrebstaaten scheint dann nicht mehr ausgeschlossen. Dies wäre die ultimative Katastrophe. Israel könnte sich gegen eine solche Übermacht schlicht nicht mehr verteidigen, ein Gemetzel würde stattfinden.

Würde Israel fallen, bekämen die Islamisten noch mehr Aufwind, sie hätten dann ihren Völkern einen Sieg gegen die „Zionisten“ geschenkt. Solcherart aufgestachelt würde sich der Blick der Moslems schnell nach Europa richten. Die Türkei möchte ja schon eine islamische Union; und auch wenn es wahrscheinlich ist, dass Erdogan dies als wahltaktische Maßnahme ventilierte, so zeigt es doch, dass die Türken nicht davor zurückschrecken, neben dem Pulverfaß zu zündeln.

Gleichzeitig sähe sich Europa natürlich einem enormen Flüchtlingsstrom ausgesetzt. Eine EU, die schon jetzt weit überfordert ist, Flüchtlinge abzuhandeln, würde ganz einfach mit Moslems überschwemmt. Diese Moslems würden aber nur darauf warten, dass sich die islamischen Staaten verbünden, um Europa zu erobern.

Ein weiterer Punkt, der Berücksichtigung finden muss, ist der Ölpreis, der schon jetzt an der Hundert-Dollar-Marke kratzt. Islamistische Regierungen könnten schnell der Versuchung erliegen, das Öl als Waffe gegen den Westen einzusetzen.

So weit, so schlecht. Betrachtet man die Situation nüchtern, so scheint es unwahrscheinlich, dass sich derart schnell konzertiert islamistische Regierungen bilden. Die dramatischen Konsequenzen, die oben beschrieben wurden, kann man somit relativieren. Doch dieses worst-case-Szenario ist möglich und zu seiner Auslösung benötigt nur einen Umstand: einen Angriff auf Israel.

Die Flüchtlingsströme und höhere Ölpreise sind uns indes auch so schon gewiss.

Philipp Starl ist Obmann der Rechtsliberalen Partei Österreichs und studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften.

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