EU: Von der „Werteunion“ zur „Zwangssolidarität“

Mit 378 gegen 255 Stimmen votierten neulich sozialistische, grüne und liberale Abgeordnete im EU-Parlament für ein "Recht auf Abtreibung". Ärzte, die aus Gewissensgründen die Tötung ungeborenen Lebens ablehnen, sollen demgemäß "wegen Verweigerung der medizinischen Versorgung" strafrechtlich belangt werden. Dahinter stecken die gleichen Pressure-Groups, die angesichts der Migrationskrise mit dem Hinweis auf die "Werteunion" den weiteren Zuzug aus vormodernen Gesellschaften propagieren und Länder, die hier zögerlich sind, der "Unmenschlichkeit" zeihen.

Um welche Werte geht es also, und wer definiert sie? Die Gründerväter der EU wie etwa Adenauer, Hallstein, de Gasperi, Schuman, Bech, Monnet und Beyen waren christlich-soziale Politiker oder Unternehmer, die einen Wirtschaftsraum souveräner Nationen, ein "Europa der Vaterländer" schaffen wollten. Jahrzehnte später scheiterte im Jahr 2004 im Zuge der Beratungen über die Präambel für einen Verfassungsvertrag eine Bezugnahme auf die christlichen Wurzeln Europas am strikten Veto zweier Mitglieder – ein Offenbarungseid in Sachen europäische Werte, und eine Schande.

Heute sind in Brüssel entschlossene Linkspolitiker am Werk, die gemeinsam mit einer Gruppe von weit nach links gerückten Christlichsozialen und "Liberalen" zwar gerne von "Diversität" und Vielfalt plaudern, zur "Gleichschaltung" der Mitglieder aber auf Zentralismus und ständig wachsende Einheitsregeln setzen. Die Innenkommissarin Ylva Johansson fordert ungeniert: "Wenn ein Mitgliedsstaat unter Druck gerät oder eine höhere Anzahl von Migranten bewältigt werden muss, dann sollte ein Mechanismus der Zwangssolidarität auf Grundlage der Größe und der wirtschaftlichen Lage der einzelnen Staaten ausgelöst werden." Anstatt also die Grenzen der EU effektiv zu schützen, werden – wieder einmal – unrealistische Aufteilungsphantasien entwickelt.

Auch eine Art von Zwangssolidarität ist der "Wiederaufbaufonds" (welcher Wiederaufbau eigentlich? Wo sind die Zerstörungen wie etwa nach dem Zweiten Weltkrieg?) als ein irreführendes Mäntelchen für den – klar EU-Rechts-widrigen – Einstieg in die Transferunion, in der die disziplinierten Länder die wirtschaftlichen Problemkinder alimentieren.

Aktuell sorgen auch eine Obergrenze für Barzahlungen sowie eine "Machbarkeitsstudie" für ein EU-weites, allumfassendes Vermögensregister für Aufregung. Unter dem Vorwand der Bekämpfung der Geldwäsche geht es um die totale Eigentumskontrolle des gläsernen Bürgers. Das geht über die bereits erfolgte Abschaffung des Bankgeheimnisses hinaus. Auch das Ende des Bargeldes steht ebenso zur Diskussion wie das der geheimen Bankschließfächer. Das würde den Zugriff klammer Staaten auf das Eigentum der Bürger wesentlich erleichtern.

Wie das funktioniert, hat EU-Profi Juncker schon 1999 verraten: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."

Von solch einer Union, in der politisch nicht oder nur sehr zweifelhaft legitimierte Technokraten mit Salamitaktik nivellierende Zentralisierungsprojekte vorantreiben, haben weder die Gründerväter noch die Bürger geträumt, die mit Blick auf Frieden und Wohlstand durch eine wachsende wirtschaftliche Integration hoffnungsvoll für einen Beitritt gestimmt haben.

Dr. Herbert Kaspar ist Publizist und Kommunikationsexperte und hatte lange wichtige Funktionen im Österreichischen Cartellverband inne.

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