Türkis-Grün: Wer tatsächlich das Sagen hat

Sebastian Kurz galt bis vor kurzem als Zukunftshoffnung der europäischen Konservativen. Sein Stern scheint aber zu sinken, sein Image ist jedenfalls ramponiert. Das hat einen Grund: Kurz hat seinen grünen Koalitionspartner massiv unterschätzt.

Weder die Türkisen noch viele Bürger scheinen begriffen zu haben: Der von langer Hand geplante Ibiza-Putsch war nur einer von vielen gezielten Angriffen aus dem linken Lager, die die dauerhafte Installierung einer linken Regierung und die langfristige Schwächung der bürgerlichen und rechten Kräfte zum Ziel haben. Da es in Österreich seit vielen Jahren eine bürgerlich-rechte Mehrheit gibt, greift die Linke zu unsauberen Mitteln.

Eine Demokratie ist für viele Linke nur so lange die beste aller Herrschaftsformen, solange sie an der Macht sind. Haben sich die Bürger "verwählt", müssen sie die Gutmenschen wieder auf den richtigen Weg bringen, etwa mit der Veröffentlichung manipulativ ausgewählter Videoschnipsel eines von Halbweltgestalten gedrehten Schmuddelvideos aus Ibiza.

Sebastian Kurz hat den Ibiza-Putsch auf den ersten Blick gut überstanden, hat zum Teil sogar davon profitiert, er wurde damit aber in eine Polit-Falle gelockt. Kurz ging eine Koalition mit den Grünen ein. Er wurde zu diesem Schritt von vielen Seiten massiv gedrängt. Unter anderem aus Brüssel, Berlin, von den Medien, dem Bundespräsidenten und den grünaffinen Alt-ÖVP-Politikern aus den westlichen Bundesländern.

Kurz tappte in die Falle, legte sich mit seinem unerbittlichsten politischen Gegner ins Bett. Die Koalition mit den Grünen schien für Kurz und die Türkisen verlockend. Endlich Ruhe nach den monatelangen Medienkampagnen und Attacken gegen die FPÖ und damit indirekt auch gegen die ÖVP. Endlich kein politisches Schmuddelkind, sondern ein von Medien, Kultur und Intellektuellen geliebter, linker politischer Vorzugsschüler an ihrer Seite. Damit wären sowohl die linken Eliten in Brüssel und daheim als auch die Kollegen von der EVP zufriedengestellt, so seine Überlegung.

Schließlich mag fast jeder Konservative und Bürgerliche dazugehören, zu den tonangebenden links-"liberalen" Kreisen. Nichts wollen viele Konservative lieber, als endlich auch einmal nett mit Armin Wolf in der ZiB2 zu plaudern, anstatt verhört zu werden, vom linken Falter zum "Hero der Woche" gewählt zu werden, gemeinsam mit Harald Krassnitzer in eine Seitenblicke-Kamera zu grinsen, mit Thomas Maurer Rotwein zu verkosten oder von Stefanie Sargnagl lobend erwähnt zu werden.

Kurz will auch dazugehören. Dafür ist er bereit, viel zu tun. Doch je mehr sich Bürgerliche bei Linken einschleimen, desto mehr werden sie von ihnen gehasst bzw. verachtet. Die katholische Kirche ist dafür ein ebenso gutes wie abschreckendes Beispiel. Sie ist in ihrer Anbiederung und Harmoniesucht so weit gegangen, sich selbst aufzugeben und sich in eine Allerwelts-NGO zu verwandeln, nur um von den Linken ein bisserl geliebt zu werden. Ohne Erfolg.

Und, so dachte Kurz wohl, was könne schon schiefgehen mit 37,5 Prozent Wählerzustimmung im Rücken gegenüber den mageren 14 Prozent der Grünen. Was für eine Fehleinschätzung. Nach etwas mehr als einem Jahr gemeinsam mit den Grünen in der Regierung ist die ÖVP zerzaust und angeschlagen, die Umfragewerte sinken, Sebastian Kurz und sein engstes Umfeld werden von Justiz und Medien gejagt, das Strahlemann-Image ist matt geworden. Und weder Armin Wolf noch Helmut Krassnitzer oder Florian Klenk haben ihn lieb. Ganz im Gegenteil. Im linken Ranking der politischen Bösewichter ist Kurz drauf und dran mit Jörg Haider, Herbert Kickl und Wolfgang Schüssel gleichzuziehen. Deutsche Journalisten haben ihn sogar schon mit Hitler verglichen.

Wie schon bei Ibiza mischen auch jetzt wieder die deutschen Linken im Kampf gegen alles, was in Österreich bürgerlich oder rechts ist, mit. Das ZDF strahlte unlängst einen Beitrag mit dem Titel aus: "Skandale, Amigos und Wiener Filz. Die Entzauberung von Kanzler Kurz". Das Resümee des ZDF "Basti Fantasti, das war einmal".

Die Jagdsaison auf Basti ist eröffnet, da hilft auch die Corona-Pandemie nicht mehr. Der Ibiza-Putsch, an dem tatsächlich alle linken Kräfte des Landes mehr oder weniger intensiv beteiligt waren, von den Medien über Teile der Justiz bis hinauf zum Bundespräsidenten, kann aus deren Sicht nur ein Teilerfolg gewesen sein, zumal eine konservativ-rechte Koalition aus zwei feindlichen Parteien und eine konservativ-linke immer noch aus einer feindlichen Partei besteht. Das Ziel aber ist eine links-linke oder linke Regierung.

Deshalb arbeiten dieselben Kräfte wie bei Ibiza nun an der Demontage der Türkisen. Die treibende Kraft dahinter ist der ÖVP-Regierungs-"Partner". Über Jahre haben die Grünen ihre Leute an wichtigen Schaltstellen in Staat und Gesellschaft platziert. Seit sie in der Regierung sitzen, haben sie diesen Prozess beschleunigt. Die linken Medien ignorieren die massiven grünen Umfärbungen in Ministerien, Ämtern, staatlichen und staatsnahen Institutionen. Einzig das neue ÖVP-nahe Medium "Exxpress" hat den Postenschacher der Grünen bisher thematisiert: "13 Top-Jobs neu besetzt – wie die Grünen Spitzenposten umfärben."

Was bei bürgerlichen und rechten Parteien umgehend Skandale auslöst, die über Wochen die Schlagzeilen beherrschen, wird bei den Grünen von den Medien komplett ignoriert. Man hat schließlich dieselben Interessen und Ziele.

Das hat Kurz völlig falsch eingeschätzt. Er hat sich nicht mit einer 14-Prozent-Partei eingelassen, sondern mit einer politischen Kraft, deren Funktionäre, Verbündete und Sympathisanten sich in allen relevanten und meinungsbildenden Bereichen von Staat und Gesellschaft breit gemacht und festgesetzt haben. Und sie missbrauchen die mit diesen Positionen verbundene Macht, stellen sich in den Dienst der "guten" Sache. Sie klopfen sich dafür gegenseitig auf die Schulter, verleihen sich gegenseitig Zivilcourage-Preise etc.

Für Haltungsbeamte oder Haltungsjuristen kommt zuerst die Ideologie, erst dann – wenn überhaupt – der Rechtsstaat. Zu befürchten haben sie nichts. Man ist in seiner Blase ausschließlich von Genossen umgeben.

Von größter Bedeutung für die Grünen sind Justiz und Medien. Dass die Justiz gerade besonders eifrig gegen ÖVP-Politiker vorgeht, ist kein Zufall, sondern Teil der grünen Strategie und Reaktion auf die koalitionsinternen Auseinandersetzungen.

Und was der Justiz bei den Wühlarbeiten und Ermittlungen gegen ÖVP-Politiker in die Hände fällt, taucht, so wie man es auch von der FPÖ kennt, in den linken Medien auf, selbst wenn es sich um private und intime Details handelt, die nichts mit den jeweiligen Vorwürfen zu tun haben. Weite Teile der Justiz sind zu einem Machtinstrument der Grünen verkommen. Mit einem Rechtsstaat hat das nicht mehr viel zu tun.

Was aber kaum jemanden stört, ja nicht einmal thematisiert wird, da die sogenannte vierte Macht, die Medien, und die linken NGOs vulgo Zivilgesellschaft, sich nur dann öffentlichkeitswirksam um Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte sorgen, wenn diese – angeblich – von bürgerlicher oder rechter Seite bedroht werden.

Deshalb steht auch Justizministerin Zadic nicht unter Druck, obwohl immer und immer wieder Daten aus Verfahrensakten bei linken Medien landen. Aber nur solche, die ÖVP- und FPÖ-Politikern schaden. Das fällt sogar dem einen oder anderen Linken auf, der kein gestörtes Verhältnis zu Demokratie und Rechtsstaat hat. Etwa dem Jugendforscher Bernhard Heinzelmaier. Er schreibt: "Nach der undichten Stelle wird auch nicht ermittelt, möglicherweise will man die poröse Membran zu den toxischen Teilen der PR-Branche durchlässig halten, damit weiterhin Ermittlungsabfälle durchsickern können."

Diese Ermittlungsabfälle sind die Munition, Medien wie Falter und ORF die Waffen der Grünen. Sogar das Höchstgericht hat diese Praxis – erfolglos – kritisiert. Demnach sollten Staatsanwaltschaften mehr darauf achten, dass bei Ermittlungen nur solche Beweismittel zum Akt genommen werden, die mit dem jeweiligen Strafverfahren zu tun haben und keine "Zufalls"-Funde über Privatangelegenheiten. "Die Praxis, einfach alles mitzunehmen, um darin nachher Verfängliches zu suchen, solle damit abgestellt werden", berichtet "Die Presse".

Das hat der von einem Grün-Politiker aufgebauten Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht gefallen. Einige Mitarbeiter der WKStA haben die Verfasserin des "Presse"-Artikels wegen übler Nachrede, öffentlicher Beleidigung einer Behörde und Verleumdung angezeigt. Ein deutliches Signal: Niemand legt sich mit uns ungestraft an.

Kurz hat dagegen bisher kein Rezept gefunden. Sein Vorschlag, einen "unabhängigen Bundesstaatsanwalt" zu installieren, zeigt seine Macht- und Hilflosigkeit in dieser Auseinandersetzung. Sich mit den Grünen einzulassen, war ein Fehler, ihnen auch noch das Justizressort zu überlassen, kommt einem politischen Selbstmord gleich.

Gegen die geballte Macht der Grünen und ihrer Verbündeten in Justiz, Medien, Kultur, Universitäten, NGOs etc. scheint auch das Polit-Talent Kurz auf verlorenem Posten zu stehen. Die nächste schwere Regierungskrise bzw. der nächste linke Staatstreich dürften unmittelbar bevorstehen.

Dieses unsaubere Macht- und Intrigenspiel wird sich so lange wiederholen, bis die SPÖ und die Grünen mit Unterstützung der pseudoliberalen Neos die Stimmenmehrheit erringen. Es sei denn, Kurz und auch die FPÖ erkennen, dass man die Grünen bzw. Linken nicht nur in der politischen und demokratischen Arena besiegen muss, um zu gewinnen.

Werner Reichel ist Autor und Journalist. Er hat zuletzt das Buch "Europa 2030 – Wie wir in zehn Jahren leben" bei Frank&Frei herausgegeben.

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