Die Corona-Zweiklassengesellschaft

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie haben unser Land gespalten, einen Graben durch die Gesellschaft gezogen. Er verläuft aber anders, als es die Linken aller Parteien in ihren Medien täglich darzustellen versuchen: Reiche gegen Arme, KMUs gegen internationale Konzerne, Manager gegen Hilfskräfte etc.

Die ohnehin schon sozial Benachteiligten würden aufgrund von Corona noch mehr unter die Räder kommen, die Kapitalisten sich hingegen weigern, ihren "gerechten" Anteil zu zahlen, ihren Beitrag für die Gesellschaft zu leisten.

Hundertfach haben linke Politiker in den vergangenen Wochen gefordert, die "Reichen" auf viele unterschiedliche Arten zu enteignen. Die Arbeiterkammer möchte etwa den Spitzensteuersatz auf 75 Prozent anheben und parallel dazu eine gestaffelte Abgabe auf Vermögen einheben. Rechnet man die feuchten Träume der mit Zwangsbeiträgen finanzierten Arbeitnehmervertreter zusammen, bliebe den sogenannten Reichen nur noch ein Taschengeld. Ihr Forderungspaket nennt die Kammer übrigens Gerechtigkeitsoffensive.

Keine Frage, die Sozialisten wollen diese Pandemie nutzen, um ihre linke Agenda voranzutreiben, ihre Macht auszubauen. Sie versuchen derzeit mit vereinten Kräften und ihrer Medienmacht, die Deutungshoheit über die Krise zu erringen, um sie entsprechend für ihre Ziele und Zwecke instrumentalisieren zu können.

Im Namen der sozialen Gerechtigkeit und mit Hilfe einer Seuche soll der Umverteilungsstaat weiter ausgebaut, die ohnehin schon am Scheitelpunkt der Laffer-Kurve liegenden Steuersätze noch weiter erhöht und die Reichen de facto enteignet werden. Wobei für Linke jene als reich gelten, die mehr besitzen als ein gutverdienender Spitzenbeamter, Politiker oder Kammerfunktionär über die Jahre zusammenraffen kann. Das ist die Obergrenze, die rote Linie der linken Umverteilung.

Dass das langfristig nicht funktionieren kann, weil Vermögende und Kapital mobil, weil leistungsfeindliche Systeme weder innovativ noch produktiv sind, wird von Sozialisten seit jeher ignoriert. Das Scheitern solcher gesellschaftlicher Groß-Experimente wird stets damit erklärt, dass der Sozialismus eben nicht richtig umgesetzt worden sei. Deshalb kracht die Linke wie eine Motte immer und immer wieder gegen den Lampenschirm. Die Corona-Krise leuchtet besonders hell.

Der politischen Instrumentalisierung der Pandemie legen die Linken ihr ewig gestriges Klassenkampfschema zugrunde: kapitalistische Ausbeuter vs. ausgebeutete Werktätige. Das könnte falscher nicht sein und dient unter anderem der Ablenkung. Die Corona-Maßnahmen treffen, entgegen linker Rhetorik, vor allem die Unternehmer, Firmen, Selbstständigen und damit auch jene, die für sie arbeiten, also fast ausschließlich den privatwirtschaftlichen Sektor, Menschen, die den Sozialstaat finanzieren.

Von der Post-Corona-Finanz-und-Wirtschafts-Krise werden besonders viele Menschen betroffen sein, denen die Linken gerne vorwerfen, sie würden zu wenig für das "Gemeinwohl" tun, zu wenig Solidarität zeigen. Das war auch früher falsch, es wird auch durch die Corona-Krise nicht richtiger. Im Gegenteil.

Rund 60 Prozent der Lohn- und Einkommenssteuer wird von zehn Prozent der Bevölkerung bezahlt. Während auf der anderen Seite immer weniger Menschen überhaupt noch Lohnsteuer zahlen, weil sie entweder nicht arbeiten oder mit ihrer beruflichen Tätigkeit zu wenig verdienen, ihr Gehalt unter der Steuergrenze liegt.

Oder anders: Das unterste Einkommensdezil zahlt nur 2,7 Prozent des Steuer- und Abgabenaufkommens, bekommt dafür aber 17 Prozent der staatlichen Transferleistungen. Nur rund zwei Millionen Nettotransferzahler müssen schon jetzt über sechs Millionen Nettotransferbezieher erhalten. Durch die Folgen des Corona-Lockdowns wird dieses Missverhältnis, dieses Ungleichgewicht größer, dramatisch größer. Hunderttausende, die bis vor kurzem noch kräftig in das System einbezahlt haben, sind nun selbst auf Transferleistungen angewiesen.

Das kann das ohnehin überdehnte System endgültig zum Kollabieren bringen, denn auch EU und EZB werden mit ihrer Whatever-it-takes-Politik mittelfristig scheitern, obwohl Linke ernsthaft glauben, darunter auch Hannes Androsch, dass man mit diesem Pyramidenspiel dauerhaft Wohlstand generieren kann.

Eines zeigt die Corona-Krise deutlich: In den vergangenen Jahrzehnten haben sich in Österreich und vielen anderen europäischen Sozialstaaten immer breitere Gesellschaftsschichten herausgebildet, die direkt oder indirekt vom Staat abhängig sind.

Diese Schichten sind vom Lockdown und von der nun aufkommenden Wirtschaftskrise nicht betroffen, haben keine schlaflosen Nächte und existenziellen Sorgen, weil sie unter dem Rock des mächtigen und gierigen Nanny-Staates Unterschlupf gefunden haben. Dort fühlen sie sich – vorerst – sicher. Die Spitzenvertreter dieser Klasse bilden die neue Elite unserer Gesellschaft. Es handelt sich um "Politiker, Journalisten, Führungskräfte von NGOs, Professoren in Fächern mit geringer wirtschaftlicher und technologischer Bedeutung wie Kulturwissenschaft, Gender-Studies und Soziologie und den Mittelbau und die Spitzen von Verwaltungen. Sie alle haben eines gemeinsam: Der Kampf um ihre wirtschaftliche Existenz ist eng verbunden mit dem Kampf um den Zugriff auf öffentliche Mittel und die Förderung durch die Politik und durch sie unterstützende Gesetze", schreibt der Journalist Stefan Laurin.

Zu dieser neuen Elite, insbesondere im sozialdemokratisierten Europa, zählen nicht mehr wie früher Unternehmer, Ingenieure, Erfinder oder Naturwissenschaftler, sondern jene, die es in den geschützten oder angegliederten Bereichen des linken Sozialstaates nach oben geschafft haben.

Für sie bedeutet die Krise in erster Linie nur: Masken aufsetzen, keinen Sommerurlaub am Meer und Home-Office. Dieser Schicht kann es egal sein, wie viele Menschen arbeitslos oder in Kurzarbeit sind, wie viele Unternehmen und Selbstständige vor der Pleite stehen.

Für jene, die ihr Geld direkt oder indirekt vom Staat beziehen, die keine Leistungen oder Produkte am freien Markt anderen anbieten müssen, also Beamte, Bedienstete, Staatskünstler, Universitätspersonal, Beschäftigte in der Asyl- und Sozialindustrie, Kammer-Funktionäre etc. ist die Corona-Krise gar keine.

Man ist nicht nur nicht in seiner Existenz bedroht, man hat auch keine nennenswerten finanziellen Einbußen. Wie abgehoben einige Vertreter dieser Klasse sind, zeigen die Reaktionen der Lehrergewerkschafter, die sich lautstark darüber echauffierten, nach der wochenlangen Schulschließung ausnahmsweise auch an Fenstertagen arbeiten zu müssen. Ein Hohn für die Tausenden neuen Arbeitslosen und verzweifelten Selbstständigen. Von solchen Luxusproblemen können Hunderttausende Österreicher nur träumen, sie würden gerne auch an Fenstertagen und sogar an Sonntagen arbeiten.

Viele der vom Lockdown Betroffenen haben von einem Tag auf den anderen all ihre Einnahmen verloren, sind zu Bittstellern degradiert worden, die nach einem bürokratischen Hürdenlauf, wenn überhaupt, mit lächerlichen Beträgen von ein paar hundert Euro abgespeist werden.

Darunter Menschen, die seit Jahren überdurchschnittlich hart gearbeitet, etwas aufgebaut, große Summen in das staatliche System einbezahlt haben, also viel für das von Linken gerne in den Mund genommene Allgemeinwohl geleistet haben. Ja, die Lasten der Krise sind ungleich verteilt. Aber nicht so, wie Linke es darstellen.

Diejenigen, die jetzt am lautesten schreien: Besteuert und enteignet die Reichen, die Unternehmer und Leistungsträger, etwa die Damen und Herren von der Arbeiterkammer, sind in Wahrheit diejenigen, die keine Corona-Lasten zu tragen haben, die keinen Cent durch die Krise verlieren und die auch nicht bereit dazu sind, aus Solidarität, die sie sich so gerne auf ihre Fahnen heften, auf irgendeine Annehmlichkeit ihres staatlich finanzierten Lebens zu verzichten.

Solidarität war und ist für Linke eine Einbahnstraße. Zahlen sollen die anderen, die "Reichen", also die Leistungsträger, jene, die unternehmerische Risiken eingehen, die Zeit und Geld in die Umsetzung von Ideen und Projekten investieren, die nicht in geschützten Werkstätten arbeiten.

Doch diese ohnehin schon seltene Spezies wird dank der Corona-Maßnahmen der neuen politmedialen Elite weiter dezimiert. Umso lauter schreien die Profiteure des Umverteilungssystems. Und das sind in erster Linie die Umverteiler selbst: Haltet den Dieb! Man hat zahlreiche Ideen, welchen Gruppen man noch mehr wegnehmen kann, von den Unternehmern bis zu den Toten. Eines ist für dieses Milieu hingegen undenkbar: Selbst einen nennenswerten Beitrag zu leisten, auf etwas zu verzichten.

Um die Wirtschaft wieder hochzufahren, wie es derzeit in den Medien so schön heißt, braucht es unternehmer- und investorenfreundliche Rahmenbedingungen, nicht noch mehr Umverteilung, mehr Abzocke, mehr Regulierung, höhere Steuerlasten. Den Linken fehlt zur Erkenntnis, dass die Kuh nur solange Milch gibt, so lang sie lebt und halbwegs gesund ist, das ökonomische Basiswissen. Kein Wunder, Ökonomie wird an unseren Schulen kaum gelehrt. Und das Wenige, was Schüler von den überwiegend linken Lehrern erfahren, sind vulgärmarxistische Gemeinplätze.

Selbst die Spitzen der linken Parteien begreifen einfachste wirtschaftliche Zusammenhänge nicht. Vor wenigen Tagen antwortete die oberste Sozialdemokratin Deutschlands, Saskia Esken, auf Twitter einem Bürger, der geschrieben hatte, er arbeite im Handel und finanziere damit einen Teil von Eskens Diäten. Das konnte die SPD-Chefin nicht auf sich sitzen lassen und schrieb: "Und ich zahle daraus nicht nur Steuern, ich kaufe auch jeden Tag davon ein. Wer finanziert hier wen?"

Wenn selbst die Chefin der deutschen Sozialdemokraten, die als Bundestagsabgeordnete zu 100 Prozent von Steuergeldern lebt, ernsthaft glaubt, sie würde mit ihrer Arbeit das Leben eines andern finanzieren, ihre abgeführten "Steuern" würden Wohlstand generieren, dann sagt das einiges über den Zustand und das Niveau der europäischen Sozialisten aus. Der alte linke Traum vom Geld-Perpetuum-Mobile: Konsumier dich reich.

Doch die Corona-Wirtschaftskrise wird auch die nimmersatten linken Umverteiler nicht verschonen. Der aufgeblähte Sozialstaat, in dem wesentlich mehr Menschen Geld aus dem System bekommen als einzahlen, wird die gerade erst aufsteigende Krise vermutlich nicht überleben. Wenn das finanzielle Kartenhaus der EU zusammenbricht, auch die nördlichen EU-Staaten von den Ratingagenturen abgestuft werden und die Regierungen nicht mehr wissen, mit welchem Geld sie ihre gigantischen Umverteilungsmaschinen und Massen von Abhängigen füttern sollen, also den Linken einmal mehr das Geld der anderen Leute ausgeht, werden die Umverteilungskämpfe, die jetzt noch durchaus unterhaltsam sind – siehe Resetarits vs. Lunacek – brutal werden.

Werner Reichel ist Autor und Journalist. Er hat zuletzt das Buch "Europa 2030 – Wie wir in zehn Jahren leben" bei Frank&Frei herausgegeben.

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