Arbeiterkammer für „Millionärssteuern“

Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl gibt sich tiefgründigen Gedanken über eine "gerechte" Verteilung der Lasten hin, die im Gefolge der Corona-Pandemie auf uns zukommen. Und sie hat, Hand in Hand mit Spitzengewerkschaftern und Grünen, eine ebenso bahnbrechende wie geniale Idee: Die Reichen sollen zahlen! Einerseits soll der derzeit schon bei happigen 55 Prozent liegende Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer auf sagenhafte 75 Prozent erhöht werden; andererseits träumt sie davon, Vermögen mittels Substanzsteuern zu enteignen – zumindest teilweise: Vermögen ab 10 Millionen Euro würden nach ihrem Vorstellungen mit zwei Prozent, und solche von 100 Millionen aufwärts, mit drei Prozent jährlich belastet.

Die Genossin Vorsitzende, als Tochter eines Wiener Hausmeisters im Besitz des großen Proletariernachweises, verteidigt die Harmlosigkeit eines 75prozentigen Einkommensteuertarifs damit, dass davon schließlich nur 300 Menschen im Lande getroffen würden.

Das ist natürlich ein bestechend starkes Argument. Schließlich mutiert jede willkürliche Zwangsmaßnahme augenblicklich zur Wohltat, sofern ihr nur eine eher geringe Zahl von Personen zum Opfer fällt. Das erschließt sich in der Tat auch schlichteren Gemütern. Der Spitzentarif soll schließlich nur für Einkommen jenseits der Millionengrenze gelten. Deren Beziehern geschieht ja auch vollkommen recht. Mehr als eine Million Euro Jahresgage lukrieren hierzulande nämlich nur die wenigsten Gewerkschaftsfunktionäre, während bevorzugt Spitzenmanager von Konzernbetrieben sich eines derartigen Privilegs erfreuen dürfen.

Dass es für multinationale Unternehmen kein Problem darstellt, ihre Standorte dorthin zu verlegen, wo sie vor den Nachstellungen umverteilungswütiger Klassenkämpfer weitgehend verschont bleiben, scheint dem Scharfsinn Frau Anderls allerdings entgangen zu sein. Immerhin erfreut sich Irland nicht ganz umsonst so großer Beliebtheit als Standort für die Niederlassungen von Konzernzentralen.

Die einfach gestrickte Milchmädchenrechnung von Genossin Anderl, die, wie die meisten ihrer Kollegen nie einen Betrieb von innen gesehen und in ihrem Leben niemals wertschöpfend gearbeitet hat, wird daher nicht aufgehen. Vielmehr werden, so schnell wie der konfiskatorische Steuertarif beschlossen ist, eben diese Arbeitsplätze ins steuerfreundlichere Ausland verschwinden. Der Fiskus schaut dann gänzlich durch die klebrigen Finger.

Bleiben die von allen Linken unter der Sonne favorisierten Substanzsteuern, von denen sich die Arbeiterkammerpräsidentin einen Ertrag von sieben Milliarden Euro pro Jahr erhofft. Nur ein Prozent der Haushalte wären davon betroffen – eine in der Wohlfahrtsdemokratie dieser Tage vernachlässigbare Größe. Wen kümmern schon die paar Stimmen ruchloser Plutokraten – allesamt bekanntlich müßige Bezieher arbeitsloser Einkommen. Die Mehrheit der als Lohnsklaven fronenden Wähler wäre – zumindest in den sumpfigen Niederungen der austriakischen Neidgesellschaft – von einer Züchtigung der "Reichen" mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit begeistert. Angesichts dessen fällt es jedem Sozi schwer, von Substanzsteuern zu lassen.

Doch leider, leider – kein Licht ohne Schatten: abgesehen von den beträchtlichen Kosten der Einhebung einer Vermögenssteuer, die übrigens genau deshalb anno 1993 – witziger Weise von einem sozialistischen Finanzminister, Ferdinand Lacina – abgeschafft worden ist, läuft sie auf eine reine Unternehmersteuer hinaus. Denn auf die originelle Idee, die Finanzpolizei in Privathaushalte zu hetzen, um sie dort nach zu versteuerndem Bargeld, Kunst- und anderen Wertgegenständen fahnden zu lassen, ist selbst Frau Anderl noch nicht gekommen. Auf andere Art und Weise wäre die Bemessungsgrundlage für die Expropriation des Klassenfeindes aber kaum zu ermitteln. Das allerdings wird mit dem bestehenden Personalstand im Finanzministerium schwer zu realisieren sein – womit wir auch schon wieder bei den Erhebungskosten angelangt wären.

Die linke Neidgenossenschaft ist bedauerlicher Weise nicht in der Lage zu erkennen, welche Folgen in unserer eng vernetzten Welt die Einführung der von Frau Andel angestrebten Unternehmervertreibungsaktion für den Standort Österreich haben würde. Viele produzierende Gewerbe- und Industriebetriebe würden auf der Stelle über die Grenzen, etwa nach Tschechien, nach Ungarn oder in die Slowakei flüchten, wo man Unternehmer sehr viel freundlicher behandelt als hierzulande. Viele Arbeitsplätze würden verschwinden – und zwar gerade diejenigen, die eine höhere Wertschöpfung aufweisen als solche im Dienstleistungsgewerbe (nicht umsonst rangieren die Löhne und Gehälter im Dienstleistungsgewerbe vergleichsweise ganz weit unten).

Die dennoch verbleibenden Betriebe wiederum hätten einen bedeutend schwereren Stand, weil die neue Steuer ihre Investitionsmöglichkeiten einschränken und damit ihre Produktivität verringern würde. Zu den bereits jetzt bestehenden Wettbewerbsnachteilen gegenüber dem Ausland würde sich ein weiterer hinzugesellen.

Sinnlos, das einer in der Wolle gefärbten Roten erklären zu wollen, die ihr Geld noch nie unter Marktkonditionen verdient hat. Sie glaubt vermutlich fest daran, dass der Reichtum des Landes der emsigen Arbeit der Eisenbahnergewerkschaft geschuldet ist …

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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