Die rechtlichen Fakten zu "Ostererlass" und Betretungsverboten

 

Die Regierung und die Medien haben in den letzten Tagen sehr viel Verwirrung und Unklarheit rund um die diversen Bertretungsverbote gestiftet, auch bei ihrer nunmehrigen jüngsten Pressekonferenz. Rechtlich ist aber die Lage im Gegensatz zu den verbreiteten Behauptungen eindeutig: Zusammenkünfte im privaten Bereich sind eindeutig erlaubt! In der Folge ein präziser Text zweier ausgewiesener Juristen, die das klarmachen:

Die Verordnung nach § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes (98/2020) verbietet in § 1 in einer Generalklausel jedwedes Betreten öffentlicher Orte. In § 2 werden dann in den Ziffern 1 bis 4 vier konkrete Ausnahmen normiert (Gefahr, Hilfe, Einkaufen, Arbeit). In § 2 Z 5 erfolgt dann absurderweise eine den vorherigen Punkten widersprechende erneute Generalklausel, die jedwedes Betreten öffentlicher Orte generell ohne Vorliegen von Gründen erlaubt, wenn ein Mindestabstand von einem Meter eingehalten wird oder die Personen in einem gemeinsamen Haushalt leben.

§ 6 normiert dann, dass im Falle von Kontrollen die Gründe nach § 2 glaubhaft zu machen sind, weshalb man öffentliche Orte betritt. Eine absurde Bestimmung, da ja die generelle Erlaubnis zum Betreten öffentlicher Orte nach § 2 Z 5 gerade keinen Grund vorsieht.

So viel zur juristischen Qualität von Verordnungen des Gesundheitsministers, die massiv in Bürgerrechte eingreifen und daher eigentlich besonders sorgfältig ausgearbeitet werden sollten.

Wenn schon das Betreten öffentlicher Orte mit Sicherheitsabstand ohne besonderen Grund generell erlaubt ist, dann sind mangels eines konkreten Verbots auch Besuche im häuslichen Bereich bisher gerade nicht verboten.

Der Radio-Innenpolitikchef des ORF Edgar Weinzettel behauptet z.B. im Morgenjournal vom 6. April ab 07:06 das glatte Gegenteil. Er behauptet, dass private Osterfeierlichkeiten "sowieso schon verboten waren". Dafür gibt es aber schlicht bisher keine Rechtsgrundlage.

Anzeigen wegen der als "Corona-Party" bezeichneten privaten Zusammenkünfte werden juristisch im Sand verlaufen, erst durch den "Oster-Erlass" hätte sich das geändert.

Dieser "Oster-Erlass" hätte sich auf die Verordnungsermächtigung nach § 15 EpidemieG gestützt. Bezirksverwaltungsbehörden werden in § 15 EpidemieG ermächtigt, per Verordnungen das Zusammenkommen von Menschen zu untersagen. Dafür sind folgende drei Voraussetzungen notwendig:

  • Es muss sich dabei um eine Veranstaltung handeln. Was eine Veranstaltung ist, wird in den VeranstaltungsG der Länder definiert, in Salzburg beispielsweise müssen sie nach § 1 VeranstaltungG z.B. "allgemein zugänglich" sein.
  • Es muss sich um ein "Zusammenströmen größerer Menschenmengen" handeln. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist bei größeren Menschenmengen von zumindest einigen Dutzend Teilnehmern auszugehen.
  • Die Zeitdauer des Verbots ist auf die "unbedingte Erforderlichkeit" der Maßnahme beschränkt und ist an den "Umfang des Auftretens der Erkrankung" gebunden.

Das Verbot selbst darf nur ausgesprochen werden, wenn es für den Schutz vor einer Weiterverbreitung einer meldepflichtigen Erkrankung "unbedingt erforderlich" ist. Es handelt sich also um eine Ultima ratio, wenn es keine anderen Mitteln mehr gibt, um eine Weiterverbreitung unter Kontrolle zu bringen.

Der Ostererlass

Der Erlass des Gesundheitsministeriums vom 1. April 2020 in Hinblick auf Verordnungen von Bezirksverwaltungsbehörden nach § 15 EpidemieG: Dieser nun zurückgenommene  "Ostererlass" verpflichtet die Bezirksverwaltungsbehörden, Verordnungen nach § 15 EpidemieG zu erlassen. Solche Verordnungen wären aber gesetzeswidrig, da sie von der Verordnungsermächtigung von § 15 EpidemieG bei weitem nicht gedeckt sind:

Erstens sollen laut Oster-Erlass nicht bloß allgemein zugängliche Veranstaltungen verboten werden, sondern jedwede "private Zusammenkünfte" in einem geschlossenen Raum.

Zweitens wird nicht das "Zusammenströmen größerer Menschenmengen" untersagt, sondern schon die Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen, die nicht im selben Haushalt leben. Eine Familie bestehend aus zwei Eltern und drei Kindern darf so keinen einzigen Besucher mehr empfangen, ihre Reinigungskraft nicht mehr ins Haus lassen und den Wasserrohrbruch selbst reparieren.

Drittens ist zur Eindämmung von COVID 19 die "unbedingte Erforderlichkeit" dieser Verbote nicht gegeben. Es ist offensichtlich unverhältnismäßig, in den häuslichen Privatbereich der Menschen mit Polizeigewalt und Freiheitsstrafen bis zu vier Wochen (siehe § 40 EpidemieG) einzudringen, während viel gelindere Mittel zur Eindämmung von COVID 19 im öffentlichen Raum bisher noch gar nicht ergriffen wurden, bzw. gerade schon erfolgreich wirken.

Die autoritäre Maßlosigkeit dieses Erlasses zeigt sich besonders in der unverhältnismäßigen Regelung in Bezug auf Begräbnisse:

Begräbnisse finden im Freien statt, so dass die Mindestabstände, die in Supermärkten und Parks gelten, spielend um ein Mehrfaches einzuhalten sind. Trotzdem sollen insgesamt (Bestattern und z.B. einem Priester inklusive) nur zehn Personen an einem Begräbnis teilnehmen dürfen. In vielen Fällen, hat aber ein Verstorbener mehr als sieben Nachkommen oder Geschwister. Die überzähligen Kinder und Geschwister vom Begräbnis auszuschließen, soll notwendig sein, um die Weiterverbreitung von COVID 19 einzuschränken? Während jeder beliebig oft in den Supermarkt laufen darf?

Grundrechtssensibilität der per Erlass angeordneten Verordnungen nach § 15 EpidemieG:

Drei Grundrechte sind vor allem betroffen:

  • Versammlungsfreiheit (Art 12 StGG, auch Art 11 und 12 EMRK 1958)
  • Recht auf Privat- und Familienleben (Art 8 EMRK 1958)
  • Unverletzlichkeit des Hausrechts (Art 9 StGG, auch Art 8 EMRK 1958)

Es handelt sich nicht um eine Beschränkung dieser Grundrechte, sondern um ihre massenhafte und ausnahmslose und daher fast vollständige Auslöschung. Es handelt sich um die massivste Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben in der zweiten Republik.

Ein solcher Eingriff würde einer Verfassungsbestimmung beschlossen mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat bedürfen und wäre selbst so kaum mit der Europäische Menschenrechtskonvention in Einklang zu bringen. Der Gesundheitsminister glaubt(e) jedoch, das mit einem Erlass dekretieren zu können.

MMag. Dr. Heinz Meditz ist Verwaltungswissenschaftler und Jurist, in den letzten Jahren als Unternehmer tätig; Dr. Georg Negwer ist ebenfalls Jurist, in den letzten Jahren unter anderem als Rechtsanwalt tätig.

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