Wer schützt uns vor einer Ausweitung der Schutzhaft?

Der Innenminister fordert als Folge der Ermordung des Dornbirner Sozialamtsleiters die Schutzhaft für potentiell gefährliche Asylwerber. Dabei solle die Gefährlichkeitsprognose von Psychologen erstellt werden. Es ist eine Höchstfrist von sechs Monaten vorgesehen. Der kontrollaffine Justizminister sieht eine Sicherheitslücke geschlossen und Rechtschutzerfordernisse erfüllt. Teile der Opposition überholen die Regierung rechts, indem sie einerseits eine Ausweitung der Schutzhaft auf alle potentiell gefährlichen Personen fordern, andererseits dem Innenminister "Behördenversagen" vorwerfen – so als ob Herbert Kickl zu wenig Asylwerber hinter Gitter gebracht hätte und nun mit einer Verhaftungswelle beginnen sollte. Da musste gerade er seine politischen Gegner an die Einhaltung der Menschenrechtskonvention erinnern.

Tatsächlich ist der Dornbirner Fall unbefriedigend. Wenn jemand nach (kolportierten) zahlreichen Verurteilungen mit einem Aufenthaltsverbot belegt wird und sich trotzdem nach mehreren Jahren wieder in Österreich blicken lassen kann, weil er das Zauberwort Asyl ausspricht, greift man sich an den Kopf. Sollten die seinerzeitigen Strafen abgesessen sein, ist aus früheren Urteilen allerdings kein Haftgrund ableitbar. Ärgerlich ist die Überlagerung des Aufenthaltsverbotes durch ein Asylverfahren mit der Behauptung, dass der Asylwerber in der Türkei Menschen getötet hätte und in seinem Heimatstaat der Folter ausgesetzt sein könnte. Sollten die NGOs so professionell beraten, wie man es ihnen nachsagt, wird der Asylwerber vermutlich von Notwehrsituationen gesprochen haben, um nicht ein Strafverfahren wegen Mordes in Österreich zu provozieren.

Kickl ist also dahingehend Recht zu geben, dass juristischer Handlungsbedarf gegeben ist. Ein Staat, der sich ernst nimmt, muss Aufenthaltsverbote durchsetzen. Alles andere kommt der Selbstaufgabe gleich. Eine systemkonforme Lösung ginge in die Richtung einer strafrechtlichen Absicherung der Verletzung eines Aufenthaltsverbotes, das nicht durch ein Asylverfahren obsolet wird.

Wenn der Justizminister nun meint, dass mit der Schutzhaft eine Sicherheitslücke geschlossen werde, stellt sich allerdings die Frage, ob nicht ein paar Sicherheitslücken aufgemacht werden: Ausländische Touristen, potentielle Terroristen und inländische Nachahmungsredner, die ebenfalls laut davon träumen, allen Ungläubigen den Kopf abzuschlagen, könnte man nämlich mangels Asylwerbereigenschaft nichts anhaben. Sollten diese Leute eines Tages zur Tat schreiten, wird die Hölle los sein und der Druck auf den Gesetzgeber zur Ausweitung der Schutzhaft enorm werden. Vom liberalen Strafrecht, das lieber zehn schuldige Mörder laufen lässt, als dass es einen Unschuldigen ins Gefängnis steckt, wird dann niemand mehr etwas wissen wollen.

Manche argumentieren, dass die Schutzhaft eine Weiterentwicklung der Gewaltschutzprogrammatik sei. Dabei darf nicht übersehen werden, dass bereits das Wegweisungsrecht in einem Spannungsverhältnis mit der Unschuldsvermutung steht, das wir in Kauf nehmen. Auch hier werden Menschen ohne Verurteilung – also Unschuldige – in ihren Rechten beschränkt. Tatsächlich kann es sogar zu einer Umkehr der Unschuldsvermutung kommen: Lieber soll sich ein mutmaßliches Gewaltopfer ungefährdet im alten Ehebett mit einem neuen Partner vergnügen, als dass ein alter Ehepartner gewalttätig wird.

Kickl hat als Beispiel für die Gefährlichkeit eines Asylwerbers gemeint, dass die Aussage, dass allen Ungläubigen der Kopf abgeschlagen werden solle, dieses Kriterium erfülle. Wenn eine solche Aussage für eine Straftat zu unkonkret sei, solle sie doch die Grundlage für die neue Schutzhaft bieten. Man könnte also formulieren, dass religionsbedingte Unmutsäußerungen, die straffrei sind, dennoch ins Gefängnis führen sollten. Wie der Schutz allerdings nach Ablauf der sechsmonatigen Frist realisiert werden soll, steht in den Sternen.

Mit Gefährlichkeitsprognosen dem im 19. Jahrhundert schwer erkämpften Schutz vor willkürlicher Verhaftung entgegenzutreten, erscheint problematisch – zumal auch die juristische Grundlage lediglich aus den dehnbaren Begriffen der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung bestehen soll.

Schon heute träumt manch ein linker Ideologie davon, dass die neue Schutzhaft auch auf jene angewendet werden könnte, die sich zwar noch nicht der strafrechtlichen Verhetzung strafbar machen, aber mit ihren rechten Hetzereien doch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen können.

Wenn wir heute das Tor zu einer psycho-basierten Schutzhaft für Unschuldige verfassungsrechtlich aufmachen, sollten wir uns auch überlegen, was eine rot-grün-fundamentalistische Regierung eines Tages für Weiterentwicklungen vornehmen könnte. Dann ist selbst jenen Gegnern des heutigen Innenministers eine Meinungsänderung zuzutrauen, die noch vor ein paar Wochen die absolute Unantastbarkeit der Menschenrechtskonvention propagierten. Da wird mir bange.

Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er in der ÖVP-Fraktion Abgeordneter im Nationalrat gewesen.

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