Der doppelte Missbrauch der Kira Grünberg

Kira Grünberg wurde mehrfach missbraucht. Zuerst von der Politik, dann von der Staatsanwaltschaft.

Die Politik missbrauchte Grünberg, indem sie sie zur Abgeordneten machte. In Ausnützung ihrer Bekanntheit sollte sie ihrer Partei Wählerstimmen bringen. Tatsächlich brachte sie als Spitzenkandidatin in Tirol das dortige Koordinatensystem gründlich durcheinander. Überraschenderweise fand das Aufmucken sogar Widerhall in den Medien. Den eigentlichen Zweck aber erfüllte Grünberg: Auch von dieser Abgeordneten konnte man ziemlich sicher erwarten, dass sie nicht aus der Reihe tanzen würde. Der Parlamentsklub hat vor allem eine Aufgabe: Die Regierungsarbeit zu unterstützen.

Kira Grünberg wird eine wichtige Rolle für Behinderte im Parlament zugeschrieben. Stefan Zweig hat einmal einen Roman zum Thema geschrieben, dass man einer auf den Rollstuhl angewiesenen jungen Frau keine Illusionen machen sollte ("Ungeduld des Herzens"). Das scheint heutzutage keine Rolle zu spielen.

Der zweite Missbrauch erfolgt derzeit durch die Staatsanwaltschaft. Zwei Wochen nach ihrer Angelobung im November letzten Jahres schenkte ein Autoproduzent Kira Grünberg ein Fahrzeug, das ihr bereits 2015 zugesagt worden war. Noch bevor Grünberg wusste, wo sich das Buffet im Parlament befindet, machte sie Bekanntschaft mit den Feinheiten des Korruptionsstrafrechts. Die Staatsanwaltschaft kann strafbares Verhalten nicht ausschließen und beantragte nun – im Sommer 2018 – die Auslieferung vom Parlament.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Für ein Auslieferungsschreiben an das Parlament benötigt die Staatsanwaltschaft acht Monate. Zum Vergleich: Jeder Arbeitgeber muss eine Entlassung unverzüglich aussprechen, sonst ist der Entlassungsgrund verwirkt. Jeder weiß, dass auch eine Strafe möglichst bald nach der Tat ausgesprochen werden soll, um den Strafzweck zu erreichen. Ein Staatsanwalt, der für ein einfaches Schreiben so lange braucht, hat seinen Job verfehlt. Auf die Idee hätte er im November 2017 kommen können.

Vielleicht steckt hinter einer solchen Verzögerungstaktik auch Kalkül. Vielleicht werden Verfahren gegen Manager und Politiker absichtlich in die Länge gezogen, um das Strafübel alternativ zu verwirklichen und nebenbei noch Publizität zu erheischen. Wie soll es bei einer solchen Staatsanwaltschaft weitergehen? Acht Monate nach der Auslieferung könnte der Autoproduzent gefragt werden, ob tatsächlich ein Fahrzeug geschenkt worden ist. Nach weiteren acht Monaten könnte dann die Beschuldigte zum ersten Mal einvernommen werden. Das erstinstanzliche Urteil könnte dann schon im Jahr 2022 fallen …

Ein solches System ist krank. Das wissen wir auch aus anderen glamourösen Verfahren. Staatsanwaltschaften jammern gerne über ihre Überlastung. Bei einem solchen Arbeitstempo und Verfahren wie Eurofighter oder Identitäre kann man aber auch zum gegenteiligen Schluss kommen: Es gibt viel zu viele Staatsanwälte, die irgendwelchen Spuren im Sand nachlaufen. Das Einsparungspotential könnte beträchtlich sein.

Kira Grünberg ist Mitglied des Menschenrechtsausschusses des Nationalrates. Zu den Menschenrechten gehört auch ein faires Verfahren. Zum fairen Verfahren gehört auch die Vermeidung einer überlangen Verfahrensdauer. Überlange Verfahren zerstören private und berufliche Karrieren und konterkarieren das Strafsystem.

Vielleicht hat das Verfahren gegen Kira Grünberg auch sein Gutes und diese Abgeordnete wird sich in Zukunft gegen überlange Verfahren einsetzen, also gegen Menschenrechtsverletzungen, deren sich die Republik täglich dutzendfach schuldig macht.

Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er Abgeordneter im Nationalrat gewesen.

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