Die kleine Welt der Martha Bißmann

Die Behauptung, dass Pilz eine Bereicherung für das Parlament dargestellt hat, wäre kühn. In meinem Eurofighter-Buch habe ich viele problematische Seiten des Mannes gezeigt. Dass er allerdings mit seiner Liste die Vierprozenthürde bei den Nationalratswahlen überwunden hat, ist zu akzeptieren. Zu akzeptieren ist auch, dass er sein Mandant nicht angenommen hat, weil ein Strafverfahren gegen ihn lief.

Auf die parlamentarische Immunität hätte er sich nur berufen können, wenn die mutmaßlichen Grapschereien mit seiner politischen Tätigkeit im Zusammenhang gestanden wären – also nicht. Das Parlament hätte ihn sohin ausliefern müssen. Streiten kann man aber darüber, ob man ein Mandat, auf das man einmal verzichtet hat, später wieder in Anspruch nehmen kann. Da dies die gelebte Praxis ist, sind wir auch schon beim Verhalten von Frau Bißmann.

Martha Bißmann wusste von Anfang an, dass Peter Pilz sein Mandat ausüben möchte, sobald das Strafverfahren beendet ist. Dass sich Frau Bißmann nun auf ihr Umweltengagement und damit auf sachliche Gründe beruft, um ihr Mandat zu behalten und Pilz den Rückweg zu versperren, ist bemerkenswert – oder doch nicht so ganz. Auch Monika Lindner versuchte zunächst sachlich zu argumentieren, als sie ihr Mandat behalten wollte. Auf unverdiente Mandate reagiert die Öffentlichkeit ziemlich allergisch.

Es scheint also durchaus natürlich zu sein, seine eigene Position jedenfalls als legitim anzusehen, wenn man im Rahmen des Listenwahlrechts ins Parlament nachrückt.

Bei Frau Bißmann kommt das Leben in einer kleinen Welt hinzu. Auch dies ist für Mandatare typisch. Diese kleine Welt – der Freundeskreis, die Facebook-Community, der Bezirk – wird zum bestimmenden Faktor. Solange diese Welt einigermaßen zusammenhält, gibt es kein Eindringen. Gelegentlich adelt sich Martha Bißmann mit Seitenhieben auf pensionsreife Männer und bunkert sich so in einer Scheinwelt ein. Gegenwind, Shitstorms und in den Raum gestellte Watschen bewirken in diesem Klima keinen Beitrag zur Selbstkritik, sondern stärken den Abwehrwillen. Irgendwo gibt es schließlich eine Umwelt und eine Zivilgesellschaft, die Leute wie Frau Bißmann doch brauchen.

Viele werden die Beharrungstendenzen der Frau Bißmann primär auf die Gage zurückführen. Das wäre allerdings zu kurz gegriffen. Die Höhe der Entlohnung wirkt sich zwar wie bei allen anderen Berufen auch auf die Wahrnehmung der eigenen Wichtigkeit aus. Man ist wichtig, weil man so und so viel verdient, nicht umgekehrt. Wenn die Definition des eigenes Selbstwertgefühls über das Gehalt erfolgt, ist für solche Leute das Bestehen am freien Markt lediglich Spekulation und somit keine Kategorie.

Das Verhalten von Frau Bißmann allein pekuniär zu erklären, greift aber zu kurz. Sie dürfte allen Ernstes daran glauben, dass sie als einzelne Abgeordnete der kleinsten Oppositionspartei irgendetwas "bewegen" kann. Sie dürfte wirklich an die normative Kraft von Geschlecht und Alter glauben. Vielleicht hält sie sich auch für eine Art Jeanne d’Arc der Klimapolitik. Möglicherweise will sie auch Gerechtigkeit für jene vermeintlichen Pilzopfer üben, denen die Verjährungsregeln den Weg auf die Bühne versperrten.

Das alles grenzt an Größenwahn. Gerade erst hat das – wie Armin Thurnher im Falter treffend analysierte – grüne WaplerInnentum eine Linkspartei selbstbewusst in den Abgrund geführt. Nun wiederholt sich diese Geschichte. Der Fall kann nur tief sein – auch für jede(n) einzelne(n).

Realitätsverweigerung war immer schon ein Markenzeichen linksgrüner Politik. Wenn die Liste Pilz sich nun selbst der Wirklichkeit verweigert, nimmt sie das Recht zur politischen Selbstzerstörung in Anspruch und erschwert der derzeitigen Reformregierung das Leben keineswegs. Es lebe die kleine Welt der Martha Bißmann. Möge sie niemals in die bürgerliche eindringen.

Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er Abgeordneter im Nationalrat gewesen.

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