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Kopftuch - Was ich geantwortet hätte

Das Land schüttelt noch immer den Kopf über die Äußerungen des  Bundespräsidenten zum Thema Kopftuch. Doch viel schlimmer als das, was Van der Bellen gesagt hat, ist das, was er nicht gesagt hat. Ein Gegenentwurf.

Bei einer Diskussion im Haus der Europäischen Union in Wien am 24. März 2017 wurde VdB von einer Schülerin um seine Meinung zum Kopftuch-Urteil des EuGHs (Möglichkeit für Arbeitgeber, unter bestimmten Umständen das Tragen eines Kopftuches zu verbieten)  und zur ihrer Ansicht nach steigenden Islamophobie gebeten.

Die Bildungslücken, die VdB dabei zeigt, sind für ein Staatsoberhaupt wirklich beschämend:

  • Dass 1912 nicht Joseph II. in der Hofburg gesessen ist, sollte eigentlich jeder Maturant wissen.
  • In Dänemark hat niemand den Davidstern getragen – auch nicht die Juden (muss man nicht wissen, aber erfinden muss man auch nichts).
  • Die Situation von muslimischen Frauen in Österreich mit denen der Juden in der NS-Zeit zu vergleichen, dreht mir den Magen um.

Aber wirklich erschütternd ist, was Van der Bellen alles nicht gesagt hat. Denn daran zeigt sich, dass er in einer absurden Scheinwelt lebt, die mit den realen Problemen des Landes nichts zu tun hat.

Was meine Antwort gewesen wäre

„Vielen Dank für Eure Fragen! Ihr sprecht tatsächlich ein großes Problem an, das mich sehr beschäftigt. Wir erleben derzeit in unserer Gesellschaft eine starke Polarisierung, die mir Sorgen macht und der wir nicht tatenlos zuschauen dürfen.

Das, was ihr als Islamophobie bezeichnet habt, ist ein Phänomen, das derzeit sicherlich zunimmt und das für viele von euch manchmal zu unangenehmen Situationen führt. Wir werden dieses Problem aber nur in den Griff bekommen, wenn wir einen Blick auf das große Ganze dahinter werfen.

Unsere Gesellschaft macht in den letzten drei Jahrzehnten eine massive Veränderung durch – eine Veränderung, die anscheinend viele Menschen überfordert. Vielleicht zur Illustration nur zwei Zahlen:

  • In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Zahl der Muslime in unserem Land mehr als verzehnfacht – und durch die Migrationswelle der letzten zwei Jahre wird sie sich vermutlich noch einmal fast verdoppeln.
  • Von den Wiener Pflichtschülern sprechen zu Hause nicht einmal mehr 40 Prozent Deutsch.

Jeder Zuwanderer bringt seine ganz eigene kulturelle Prägung mit. Das kann bis zu einem gewissen Grad eine Bereicherung sein, irgendwann wird es aber zur Überforderung.

Wenn Ihr ehrlich darüber nachdenkt, dann werdet Ihr vermutlich nachvollziehen können, dass das vielen Menschen Angst macht. Sie haben die Angst, vieles von ihrer Kultur, ihren Werten oder ihrer Lebensart aufgeben zu müssen.

So gehört es zu unseren zentralen Werten, dass hier jeder seine Meinung sagen oder seine Religion ausüben kann. Leider zeigen viele Vorfälle, dass das nicht mehr selbstverständlich ist. Wir erwarten von unseren muslimischen Mitbürgern zum Beispiel, dass sie auch dem jüdischen Glauben mit Respekt und Wertschätzung gegenübertreten.

Es gehört zu unseren zentralen Werten, dass sich hier jeder seinen Lebenspartner selbst aussuchen kann. Es ist nicht akzeptabel, dass junge Frauen von ihren Vätern gezwungen werden, wildfremde Männer zu heiraten. Es ist für uns nicht akzeptabel, dass Homosexuelle wegen ihrer Lebensweise attackiert werden.

Der Schweinsbraten und das Bier gehören zu unserer Lebensart, die wir schätzen und lieben. Wir erwarten von keinem Zuwanderer, dass er diese Liebe teilt – aber wir erwarten, dass er die Vorlieben seiner Gastgeber respektiert.

Es gehört auch zu unseren zentralen Werten, dass sich hier jeder so kleiden kann, wie er will. Und dass jeder selbst bestimmt, was er in seiner Freizeit unternimmt. Wir können es nicht akzeptieren, wenn Frauen deswegen als „Schlampe“ oder „Nutte“ attackiert werden.

Wir haben hart dafür gekämpft, dass es eine Gleichberechtigung gibt zwischen Männern und Frauen. Wir wollen und werden nicht zulassen, dass das jetzt wieder infrage gestellt wird. Dass wieder Männer – seien es die Väter oder die Brüder – den Frauen sagen, was sie zu tun haben.

Ich gehe davon aus, dass das für euch hier Selbstverständlichkeiten sind. Aber ihr wisst auch, dass es leider ganz, ganz viele Familien gibt, wo das nicht selbstverständlich ist. Ich vermute, jeder von euch kennt welche davon.

Ich möchte eine Beobachtung mit euch teilen, die mir Sorgen macht. Wenn wir die unterschiedlichen Gruppen, die unterschiedlichen Communities anschauen, dann beobachten wir, dass es große Unterschiede gibt, wie schnell jemand hier ankommt und in die österreichische Gesellschaft hineinwächst. Und das hängt nicht nur mit dem Ausmaß der kulturellen Unterschiede zusammen – viele Ostasiaten, die in vielerlei Hinsicht aus einer ganz anderen Welt kommen, sind oft nach wenigen Jahren hervorragend integriert: Sie sprechen gut Deutsch, sind sehr engagiert in ihren Jobs, haben viele österreichische Gewohnheiten übernommen und sind gut befreundet mit ihren österreichischen Nachbarn.

Gleichzeitig – da möchte ich ganz ehrlich sein – gibt es auch Zuwanderer, die sich sehr schwer tun, hier anzukommen:

  • Sie wollen unseren österreichischen Pass bekommen, behalten aber heimlich ihren türkischen – obwohl das unseren Gesetzen widerspricht.
  • Auch in der zweiten oder dritten Generation halten sie selbstverständlich zur türkischen Nationalmannschaft – und nicht zur österreichischen.
  • Wahlergebnisse werden frenetisch auf der Straße gefeiert – aber nur die türkischen, nicht die österreichischen.

Ich möchte da ganz klar sein: Es dauert mir bei manchen Gruppen einfach zu lange, bis ihr Herz für Österreich schlägt. Da braucht es mehr Engagement, mehr Anstrengung – und zwar auf beiden Seiten.

Ich erwarte mir von allen Zuwanderern, dass sie sich bemühen, hier rasch Fuß zu fassen und wirklich anzukommen. Gleichzeitig müssen wir als Politik aber sicherlich auch die Rahmenbedingungen verbessern.

Wir müssen Zuwanderern nach der Einreise viel deutlicher sagen, was dieses Land ausmacht und was uns wirklich wichtig ist. Und dass wir das auch nicht aufgeben werden. Wir müssen uns bewusst sein, dass die kulturellen Unterschiede oft ziemlich groß sind – und dass es deshalb viel mehr Zeit und Anstrengung brauchen wird, unsere Werte zu vermitteln.

Und der zweite wesentliche Punkt ist: Wir müssen Zuwanderer dabei fördern, sich wirklich mit der österreichischen Lebenswelt auseinander zu setzen. Man kann es keinem Zuwanderer verübeln, dass es ihn nach Wien zieht, wo es nicht nur großzügige finanzielle Unterstützung gibt, sondern wo er sich auch kaum umstellen muss. Von der Moschee über den Kindergarten bis zu den Geschäften – in manchen Wiener Grätzln kann ich mein bisheriges Leben de facto unverändert weiterleben, ohne mich jemals mit der österreichischen Lebensart oder den österreichischen Werten auseinandersetzen zu müssen.

Diese Parallelgesellschaften nicht mehr zuzulassen, ist vermutlich die wichtigste Unterstützung, damit Zuwanderer sich rascher integrieren können.

Und damit bin ich beim letzten Punkt, den ihr angesprochen habt., dem Kopftuch. Diese Frage stürzt uns als westliche, liberale Gesellschaft wirklich in ein großes Dilemma.

Wie ich vorher ausgeführt habe, ist es uns ganz wichtig, dass sich jeder so kleiden kann, wie er will. Manche Frauen entscheiden sich tatsächlich sehr bewusst und freiwillig für das Kopftuch. Bei vielen anderen sind wir aber weit weg von dem, was wir unter einem „freien Willen“ verstehen. Wenn ich von anderen eingebläut bekomme, dass es meine religiöse Pflicht sei, ein Kopftuch zu tragen – ist meine Entscheidung dann wirklich reflektiert und frei? Wenn auf mir ein ganz starker familiärer und gesellschaftlicher Druck lastet – bin ich dann in meiner Entscheidung wirklich frei?

In einer gleichberechtigten Gesellschaft ist vollkommen klar: Wenn Männer durch das Betrachten der weiblichen Schönheit in Versuchung geraten, dann müssen sie sich etwas überlegen – und nicht die Frauen.

Ich denke, die Türkei hat aus all diesen Gründen fast ein Jahrhundert lang das Kopftuch im öffentichen Raum verboten. Ich sehe nicht ein, warum wir das nicht tun sollen dürfen?

Ja, das wird für viele eine Herausforderung – aber keiner hat behauptet, dass die Integration in eine andere Kultur eine einfache Sache ist.“

Transkript der Aussagen des Bundespräsidenten

Die folgenden Passagen wurden teilweise von mir transkribiert, teilweise von nzz.at, teilweise von vice.com. Da nzz.at aber in Kürze eingestellt wird, erlaube ich mir, die Passagen hier im Wortlaut zu übernehmen.

Die Fragen der zwei Schüler im Wortlaut:

„Herr Bundespräsident, ich bin die Hasna, ich würde ihnen gerne eine Frage stellen als junge Frau, speziell als junge muslimische Frau. Denn laut dem EuGH-Urteil ist es ja nun Firmen erlaubt, ihren Mitarbeiterinnen das Kopftuchtragen zu verbieten. Und wie wir sehen, hatte das auch schon schnelle Auswirkungen, wie z.B. das BFI in der Steiermark hat seinen Mitarbeiterinnen das Kopftuch verboten. Und ich finde dieses Gesetz eben auf zwei Ebenen problematisch und zwar: Erstens reduziert es Frauen auf ihr Äußeres und nicht auf ihre Leistungen und Kompetenzen und zweitens schließt es muslimische Frauen, die Kopftuch tragen, vom Arbeitsmarkt aus. Mich würde gerne ihre  Meinung als Bundespräsident dazu interessieren, weil ich sie auch gewählt habe, weil sie sich für die Menschenrechte aller Menschen in Österreich einsetzen.“

„Hallo, Herr Präsident, ich habe sie auch gewählt, weil sie sich für die Rechte aller Menschen einsetzen, ich bin auch Muslim. Man sieht, dass die Islamophobie in der EU und auch speziell in Österreich steigt und dass Übergriffe gegen Flüchtlinge oder  kopftuchtragende Frauen oder einfach Menschen, die anders aussehen als der klassische Österreicher, steigen. Was Sie gedenken, dagegen zu tun? Oder ob sie auch öffentlich etwas gegen Rassismus oder Islamophobie sagen werden?“

Van der Bellen im Wortlaut:

„Also erstens: Wie ich klein war, also kleiner als Sie heute, war es am Land zumindest absolut üblich für alle Frauen in Österreich, Kopftuch zu tragen. Es ist also eine relativ neue Entwicklung, dass man kein Kopftuch mehr trägt. Insofern finde ich es schon einmal das Normalste der Welt. Zweitens: Wir haben in Österreich und der gesamten Europäischen Union – in allen zivilisierten, demokratisch strukturierten Ländern – Meinungsäußerungsfreiheit, also nicht nur Meinungsfreiheit, sondern Freiheit der Meinungsäußerung. Und ich meine, dazu gehört aber auch Bekleidungsfreiheit. Ob ich jetzt eine Krawatte hab oder nicht, so wie heute … Okay, ich beuge mich der Uniformität der politischen Klasse. Und wenn ich keine Krawatte hätte, würden sie mich im Zweifel hier auch akzeptieren.

Ich persönlich sehe nur ganz wenige Situationen, wo es problematisch sein könnte, ein religiöses Symbol zu tragen. Eine Situation könnte sein: Eine Richterin oder ein Richter. Das trifft aber dann für alle religiösen Symbole zu, da muss ich dann auch das Kreuz am Hals verbieten, wenn das als Problem gesehen wird, oder den Davidstern, oder was auch immer. Also bei bestimmten behördlichen Verfahren, wo die Neutralität des Betroffenen in Frage gestellt werden könnte, aufgrund einer deutlichen religiösen Zugehörigkeit, da kann man drüber reden.

Überall sonst finde ich, ist es das Recht der Frau – tragen Männer auch Kopftücher? Nein. –, sich zu kleiden, wie auch immer sie möchte. Das ist meine Meinung dazu. Im übrigen können nicht nur muslimische Frauen, sondern jede Frau kann ein Kopftuch tragen. Und wenn das so weiter geht, und damit bin ich schon bei der nächsten Frage dieser tatsächlich um sich greifenden Islamophobie, wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. Alle.

Aus Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun. Das ist nicht so weit hergeholt. Wenn ich mich richtig erinnere, haben die Dänen während der deutschen Besatzung doch etwas Ähnliches gemacht und nicht-jüdische Dänen haben angefangen, den Davidstern zu tragen – als symbolische und tatsächliche Geste des Widerstandes gegen die Deportation von Juden damals.

Österreich ist ja insofern in einer sehr guten Tradition, als dass der Islam seit über 100 Jahren eine anerkannte Religion ist. Seinerzeit hat es einen, wie soll ich sagen, gemischt-kulturellen, militärischen Hintergrund. Wie soll ich sagen, der Islam ist ja anerkannt worden in der Monarchie, nicht einfach so, weil Josef II. ein besonders liberaler Mensch gewesen wäre, das glaube ich nicht. Aber durch die Annexion von Bosnien-Herzegowina hat sich die Frage ergeben: Wie gehen wir mit dieser sehr großen muslimischen, diesem sehr großen muslimischen Bevölkerungsteil um? Und damals wurde der Islam offiziell als Religionsgemeinschaft neben den katholischen, protestantischen und so weiter christlichen Religionsgemeinschaften anerkannt. Also da haben wir eine sehr gute Tradition.

Nichtsdestoweniger vermisst man manchmal schon, wenn ein Attentäter oder ein IS-Terrorist eine besondere Schandtat wieder vollbringt, und das meine ich jetzt genauso, wie ich es sage, hätte man manchmal schon deutlichere Worte von muslimischen Vertretern gehört, dass solche terroristischen Akte keinesfalls mit dem Islam gerechtfertigt werden können. Im eigenen Interesse. Wenn ein verrückt gewordener Christ einen terroristischen Akt begeht, wird jeder Bischof und Kardinal sagen: Das hat aber mit dem Christentum nichts zu tun, ganz im Gegenteil. Also das würde ich schon dazusagen, dass man hier etwas mehr, hin und wieder etwas mehr Bereitschaft zu einer öffentlichen Erklärung vermisst hat, in der Vergangenheit.“

Mag. Florian Unterberger ist Pressesprecher bei einer internationalen Anwaltskanzlei, Vater von vier Kindern und kirchlich engagiert.

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