Andreas Gabalier im rechten Eck

Abwertende Äußerungen und Stigmatisierungen als Zeichen des guten Tons in einer moralisch überlegenen Gesellschaft. Über die Grenzen des guten Geschmacks.

Es ist interessant, dass sich manche Vertreter staatsnaher Betriebe bemüßigt fühlen, in voreilendem Gehorsam ein Werturteil über jemanden abzugeben, von dem sie ausgehen, dass es in ihrer Wertegemeinschaft gut ankommt. Dieses Phänomen ist weder ein Zeichen von gutem Benehmen oder einem niveauvollen Stil noch ist es ein Indikator für Zivilcourage.

Sich in seiner elitären Zielgruppe "chic" zu fühlen, während man sich im scheinbaren sozialen Konsens sicher wähnt, wenn man eine abwertende Aussage über eine einzelne als minderwertig empfundene Gruppe von Menschen oder gar einen Künstler aus dem eher bodenständigen Volksmusikbereich tätigt, ist ein aktueller Trend. Dieser spricht allerdings weder für ein positives gesellschaftliches Klima noch für eine besonders entwickelte und gereifte Gesellschaft und schon gar nicht für die menschliche Qualität des Täters einer derartigen Stigmatisierung. Der renommierte Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick meinte einmal treffend, dass der Glaube, dass jemandes eigene Ansicht der Wirklichkeit die einzige Wirklichkeit ist, der gefährlichste Irrglauben sei.

Was sich heute bei vielen Etablierten als Zivilcourage ausgibt, ist auf einer tieferen Ebene nichts anderes als ein moralistisch getarnter Klassendünkel. Hier lässt sich ein Milieu, welches sich Toleranz und Weltoffenheit auf die Fahnen geschrieben hat, ein Hintertürchen für den eigenen Drang nach Herabsetzung anderer Gruppen offen. Was in diesen Kreisen als „anständig“ und „mutig“ geadelt wird, ist eine billige Form des Mutes ohne Risiko, wobei man sich noch Beifall für die eigene korrekte Gesinnung erwartet. Wenn man sich auf seinem hohen Ross der moralischen und intellektuellen Überlegenheit auf sicherem Terrain wähnt, ist es leicht, sich bei der eigenen Fangemeinde an synchron Denkenden durch einen mentalen Schenkelklopfer zu profilieren.

Grenzen des guten Geschmacks

Ob man sich nun mit der Person Andreas Gabalier oder seiner Musik identifizieren kann oder nicht: Niemand hat das Recht, sich über den Künstler und seine Fangruppe zu stellen und diese im gleichen Atemzug in Form einer vagen Andeutung noch mit einer bestimmten Ideologie in Beziehung zu setzen.

„Suum cuique“ sprich „Jedem das Seine“ oder vielleicht noch besser „Leben und leben lassen“ sollte die Prämisse in unser sehr leicht zu Vorurteilen und vorschnellen Schlussfolgerungen neigenden Gesellschaft sein.

Fakt ist, dass sich Andreas Gabalier sein Geld hart selbst erarbeitet hat und dieses nicht monatlich als Angestellter eines staatsnahen Betriebes überwiesen bekommt. Seine Verkaufszahlen sprechen unabhängig davon für sich. Die so nebenbei getätigte Abwertung und Kategorisierung Gabaliers, ohne sich Gedanken über den Menschen hinter dem Künstler zu machen, bekommt durch die Tatsache, dass dieser in seinem jungen Alter mehrere schwere Schicksalsschläge durch den Selbstmord seines Vaters und seiner Schwester, die er auch in seinen Liedern („Amoi seg' ma uns wieder“) künstlerisch verarbeitete, einen besonders negativen Beigeschmack.

Mit seiner Form der Kunst erfüllt Andreas Gabalier eine der wichtigsten Rollen und Aufgaben der Kunst neben so manchem dekadenten Fetisch. Er schafft es Menschen Lebensfreude zu geben. Gerade der sich als links definierende Flügel in unserer Gesellschaft sollte sich, anstatt von oben herab andere Menschen zu beurteilen und zu bewerten, wieder auf gewisse Grundwerte wie Menschlichkeit und Brüderlichkeit besinnen. Denn Kategorisierungen und Klischees führen zu falschen Feindbildern und sagen mehr über den Überbringer einer Botschaft aus als über den Wahrheitsgehalt der getätigten Anschuldigung.

Daniel Witzeling, (*1985) ist Psychologe und Sozialforscher. Er ist Leiter des Humaninstituts Vienna (www.humaninstitut.at).  Als Sozialforscher beschäftigt er sich mit angewandter Psychologie auf verschiedenen gesellschaftlichen Tätigkeitsfeldern unter anderem Wirtschaft, Politik und Soziales.

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