Schlechte Gewinner

„Dürfen tun’s eh, aber…“ Wenn sich ein SPÖ- oder Grünpolitiker zur Anfechtung der Bundespräsidentenwahl zu Wort meldet, dann meist nach demselben Schema. Zuerst bestätigt er widerwillig, dass das rechtlich zulässig sei, um gleich danach mit einem großen Aber über die Freiheitlichen und ihr seltsamstes Demokratieverständnis herzuziehen.

Das klingt bei SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler so:  „ (…) Allerdings ist bei den Aussagen von FPÖ-Obmann Strache auch heute wieder klargeworden, dass er vorwiegend aus parteipolitischen Motiven heraus ein demokratisch zustande gekommenes Wahlergebnisses bekämpft.“ Genau darum Herr Niedermühlbichler geht es bei einer Wahlanfechtung: zu klären, ob das Ergebnis tatsächlich „demokratisch zustande gekommen“ ist, also den Wählerwillen abbildet, dass es keine Gesetzesverstöße gegeben hat. Man ist, wie SPÖ und Grüne jetzt der FPÖ vorwerfen, kein schlechter Verlierer, wenn man Verdachtsfälle aufgreift, man ist vielmehr ein schlechter Demokrat, wenn man Unregelmäßigkeiten nur deshalb als Kavaliersdelikt abtut, weil der eigene Kandidat die Wahl gewonnen hat.

Weder SPÖ noch Grüne scheint es so recht zu interessieren, dass bei der Stimmauszählung offenbar im mehreren Fällen gegen das Bundespräsidentenwahlgesetz verstoßen worden ist. Selbst das Innenministerium ist diesbezüglich längst aktiv geworden. Ob da noch mehr passiert ist, will man gar nicht so genau wissen. Man hofft nur, dass die Wahl nicht wiederholt werden muss.

Wer so ein Demokratieverständnis hat, sollte sich mit Kritik an der FPÖ zurückhalten. Eine solche Einstellung schädigt das demokratische System und den Rechtsstaat weit mehr, als eine völlig legitime Wahlanfechtung. Verliert ein Teil der Bevölkerung das Vertrauen in dieses System, wäre das fatal. Wenn es Verdachtsfälle gibt, muss diesen von einem unabhängigen Gericht nachgegangen werden. Punkt. Das sollte genauso im Interesse des Wahlsiegers, als auch des Wahlverlierers sein. Das ist Demokratie! Seltsam, dass man das Politikern erklären muss, die sich selbst gerne als wackere und aufrechte Demokraten präsentieren.

Es ist höchst bedenklich und demokratiepolitisch äußerst fahrlässig, wenn der Grüne Mediensprecher Dieter Brosz etwa davon spricht, dass die FPÖ gezielt Weltverschwörungstheorien verbreite. Nein, es hat nichts mit Verschwörungstheorien zu tun, wenn in mehreren Bezirken die Wahlkarten einfach zu früh ausgezählt werden oder 15-Jährige ihre Stimme abgeben dürfen. Politische Bildung sollte nicht nur in den Schulen, sondern auch im Parlament ein Pflichtfach sein. 

Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. Kürzlich sind seine neuen Bücher „Die Feinde der Freiheit“ und „Das Phänomen Conchita Wurst: Ein Hype und seine politischen Dimensionen“ erschienen.

 

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