Wer die Mär von der Frau als Opfer weitererzählt, ist kein Feminist

Autor: Christian Klepej

Nicht Messer, sondern Menschen töten

Autor: Andreas Tögel

Und wieder eine Print-Zeitung weniger ...

Autor: Günter Frühwirth

Die europäische Systemtransformation

Autor: Josef Stargl

Freiheit stirbt oft scheibchenweise

Autor: Elisabeth Weiß

Über alte und neue Rattenfänger

Autor: Leo Dorner

Gendern: Ideologie und Gehirnwäsche

Autor: Heinrich Benz

Warum die Österreicher wie Idioten dastehen

Autor: Gerhard Kirchner

Leerstandsabgabe – die schwarze Vermögenssteuer?

Autor: Wilfried Grießer

Das blödeste Wort der Menschheit

Autor: Willi Sauberer

Alle Gastkommentare

Die Eliten wollen die Menschen ändern

Die gegenwärtige Migrationswelle ist kein normales Problem, keine normale partielle Krise, die kommt und wieder geht. So einfach ist es heute leider nicht. Diesmal ist es eine multidimensionale Krise. Und nicht nur eine Krise. Diesmal ist es der Krieg der europäischen politischen, intellektuellen, und medialen Eliten mit der Mehrheit der europäischen Bevölkerung um die Zukunft Europas, um die Erhaltung der europäischen Kultur, der Zivilisation, des Lebensstils und der Religion.

An einer Seite stehen die politisch korrekten, progressiven, großherzigen und großzügigen, unegoistischen, grün-orientierten, im gesamteuropäischen Kontext denkenden und in die Ferne sehenden Gutmenschen und an der anderen die egoistischen, kurzsichtigen, empathielosen, reaktionären, nicht genügend Mitleid und Barmherzigkeit empfindenden Menschen.

Vielleicht sehen Sie es anders, aber so wurde es in den Medien, in der Politik und in der akademischen Welt interpretiert. Solche Interpretationen müssen wir resolut ablehnen und mit ihnen ihre Basis: die Ideen des Multikulturalismus, der politischen Korrektheit, und des Europäismus, die diese Interpretationen bringen, ermöglichen und rechtfertigen.

Diese Ideen basieren auf dem Glauben, dass die von oben organisierte, nicht spontane und nicht authentische Unifizierung Europas und die damit verbundene Auflösung der historischen europäischen Staaten (nation-states) die Notwendigkeit und das Gemeinwohl sind, die uns in ein glückliches Morgen bringen werden. Bei diesen Ideen bin ich sehr vorsichtig. Diese oder sehr ähnliche Worte, Hoffnungen und Versprechungen habe ich in der Ära des Kommunismus mehrmals gehört.

Die heutige Migrationswelle ist kein Zufall und keine gewöhnliche Migration, welche wir von der Geschichte her kennen. Die alten, traditionellen Migrationen verliefen meistens spontan, individuell, in kurzen Entfernungen, allmählich, langsam, unorganisiert. Der heutige Marsch nach Europa ist nicht individuell, nicht graduell, nicht langsam, nicht von der Nähe aus, und besonders nicht als Ausdruck der bloßen Verzweiflung der Migranten. Die heutigen Migranten wurden von uns – nicht nur implizit, sondern auch explizit – eingeladen. In der Vergangenheit war es nie so.

Für die heutige Migrationswelle sind wir verantwortlich. Der heutige Marsch nach Europa ist die Folge des europäischen unverantwortlichen Benehmens, die Folge der De-demokratisierung Europas, die Folge des gegenwärtigen postdemokratischen europäischen Integrationsmodells. Er ist nicht eine direkte und unmittelbare Folge der Existenz der ruinierten und im Krieg sich befindenden Staaten im Nahen Osten oder Nordafrika. Die dortigen Menschen stellen nur ein Migrationspotential dar. Das genügt nicht. Das Angebot braucht immer eine Nachfrage. Die gleichzeitige massive Migration wurde von den europäischen politischen Eliten verursacht und ins Leben gerufen. Die Migranten wurden eingeladen. Und zwar ganz absichtlich. Das nenne ich eine explizite Einladung.

Die implizite Einladung ist mit der langfristigen Politik in Europa, mit dem heutigen europäischen politischen, sozialen und ökonomischen System und mit der Architektur der europäischen Integration verbunden. Das alles haben viele von uns – auch hier – schon lange Zeit im Zusammenhang mit anderen, immer häufigeren europäischen Krisen oder Misserfolgen, kritisiert.

Man könnte hier jetzt lange Zeit über das paternalistische Sozialsystem in Europa reden. Man könnte über die kontraproduktive Substanz des europäischen Modells der sozialen Marktwirtschaft, über die Priorität, die die Freiheit vor der Verantwortung in unserem Denken und Benehmen bekommt, über die Schwächung der Motivation der europäischen Gesellschaft zur Arbeit und Leistung, über den Multikulturalismus und seinen Schatten – die Ideologie der politischen Korrektheit – sprechen. Diese Ideologie setzt die Minderheiten vor den Einzelnen und vor das Ganze, was vernichtend ist.

Diese Mischung von Ideen und Benehmensmustern, diese unverantwortliche, kollektivistische, heterogene, nicht geschlossene und nicht kohärent formulierte Doktrin, die noch auf ihren Karl Marx wartet, ist die Ursache vieler europäischer Probleme (und Krisen), die wir durchleben. Etwas ist jetzt aber anders. „Was vor einigen Jahren“, sagt der österreichische Politikwissenschaftler Stefan Haderer, „noch als dystopische Zukunftszenarien in Romanen beschrieben wurde, ist längst Realität geworden“.

Die unlängst angefangene (noch nicht kulminierte) Migrationskrise hat alle notwendigen Aspekte einer Krise, die auf die Substanz unserer Zivilisation abzielt.

In dieser Krise sehe ich die wirkliche Bedrohung Europas, die etwas ganz anderes ist, als unsere bereits lange Zeit andauernde ökonomische Stagnation, Ineffizienz, Staatsschulden, relative Rückständigkeit im Vergleich zu anderen Kontinenten, unser allmähliches Altwerden, etc.

Mit meinem langjährigen Kollegen und Mitarbeiter Ji?í Weigl habe ich zu diesem Thema vor ein paar Wochen ein kleines Buch geschrieben. Es wurde unter dem Titel herausgegeben, den ich ins Deutsche als „Die Völkerwanderung“ übersetze.

Dort haben wir die oben erwähnte implizite und explizite Einladung diskutiert. Wir sehen die Motivationen der europäischen politischen Eliten, es zu erlauben, nicht ihrer Großzügigkeit oder Barmherzigkeit wegen, nicht aus Sorge über die niedrige Geburtenrate in Europa, nicht als Versuch neue Arbeitskräfte aus dem Ausland zu besorgen. Diese Menschen wollen etwas anderes. Sie wollen ein neues Europa und dazu brauchen sie neue Europäer als Baustein. Sie brauchen die Leute, die keine tiefe Wurzeln in den alten europäischen Ländern haben, die genügend formbar sind und die fähig sein werden, die utopische Zukunft der heutigen europäischen Eliten zu verwirklichen.

Die europäischen Eliten wollen die Menschen ändern, was tragisch, aber leider erfolgreich werden kann. Die Menschen in Europa wurden darauf schon lange Zeit vorbereitet. Die Meinungsfreiheit ist wieder begrenzt. Gewisse Fragen und Antworten sind nicht mehr erlaubt. Der berühmte französische Schriftsteller Michel Houellebecq hat in seinem letzten Roman „Soumission“ (Die Unterwerfung) diese gefährlichen Tendenzen und die daraus entstehende Bedrohung Europas beschrieben. Sind wir fähig und bereit dieses Buch (und ähnliche Bücher) zu lesen, zu begreifen, und ernst zu nehmen? Was muss noch alles geschehen?

Es hat noch andere negative Konsequenzen. Wenn eine Krise in unserem Kontinent in der letzten, das heißt, in der EU-Zeit entsteht, hören wir immer dasselbe: wir brauchen mehr Europa. Dieser Satz ist gleich doppelt falsch. Die Autoren dieses Slogans wollten uns sagen, dass sie „mehr EU wollen“, was etwas ganz anderes als mehr Europa ist. Auch diese Thesen kenne ich sehr gut. In der Vergangenheit haben wir den ähnlichen Slogan: „mehr Sozialismus“, oder mehr Kommunismus oft gehört.

Damals hatten wir zu viel Kommunismus und auch jetzt haben wir zu viel Europa, oder genauer gesagt zu viel EU. Wir sollten den Respekt vor der staatlichen Souveränität der europäischen Länder wiedererlangen. Und wir sollten die schleichende Steigerung der Einmischung Brüssels in nationale Angelegenheiten der einzelnen EU-Mitgliedstaaten so bald wie möglich stoppen.

Wir sind schon zu weit gegangen und wir – hoffe ich – wissen, dass wir uns weitere passive Fortsetzung des heutigen Benehmens nicht mehr erlauben können. Es bleibt uns keine Zeit mehr und wir haben kein Recht ein weiteres Jahrzehnt mit Nichtstun zu vergeuden. Diese Einstellung werden uns unsere Kinder und Enkelkinder nicht verzeihen.

Zu einer Wende brauchen wir mehr als die heute diskutierten oberflächlichen, nicht tiefgehenden partialen Veränderungen und Reformen. Wir brauchen eine radikale Änderung unseres Wirtschafts- und Sozialsystems und des Modells der europäischen Integration. Das zu tun ist für unsere Zukunft absolut notwendig.

Zu Hause in der Tschechischen Republik habe ich in meinem, anfangs Dezember herausgegebenem Buch der Regierung und den Parlamentsparteien Folgendes vorgeschlagen:

  • die Vorstellung abzulehnen, dass Europa (und die Europäische Union) das Eigentum von Frau Merkel und „ihrer“ Brüsseler Administration sei und dass die Kritik ihrer Politik eine „Abwendung von Europa“, Zuneigung zu anderen Partnern, Undankbarkeit und Mangel an Solidarität sei;
  • zu begreifen, dass es um das Überleben der Nationalstaaten geht und deshalb nicht zuzulassen, dass die Migration zum Vorwand für die weitere erzwungene Unterdrückung unserer Staatlichkeit und Souveränität wird;
  • Chimären über die „europäische“ Lösung der Migrationskrise abzulehnen und kompromisslos auf der Priorität der nationalen Lösung zu bestehen, die es erfordert, uns keine Migranten vom jemanden aufzwingen zu lassen;
  • unwahrhaftige Klischees abzulehnen, dass die Migrantenaufnahme eine Hilfe für Menschen sei, deren Leben sich in Gefahr befindet. In der überwiegenden Mehrheit kommen nach Europa Menschen aus Ländern, in denen sie nicht unter einer direkten Gefahr des Lebens sind;
  • das Einhalten der bestehenden europäischen und internationalen Verträge wie auch unserer Gesetze auf dem Migrationsgebiet – genauso wie in allen sonstigen Fällen – zu verlangen und jegliche ihre Änderungen mit einem Volksreferendum zu bedingen;
  • Verbündete auf der europäischen Szene (die Länder der Visegrad-Gruppe, einzelne deutsche oder vielleicht österreichische Bundesländer, einige Balkanstaaten) aktiv zu suchen und das Drohen und den Druck seitens der europäischen Großmächte nicht zuzulassen;
  • die Regierung muss eine offene Politik betreiben, die heimische Öffentlichkeit breit zu informieren und sich nicht fürchten, sich auf die Menschen zu stützen.

Václav Klaus war langjähriger tschechischer Minister- und Staatspräsident. Dieser Text ist eine weitgehende Wiedergabe seiner Rede vor dem „Vienna Com.Sult“-Kongress zum Thema Migration (mit marginal gehaltenen sprachlichen Korrekturen).

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung