Europa ist von einer Veränderung bis zur Unkenntlichkeit bedroht

Eine Rede des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban beim XXVI. Studentenlager der Freien Sommeruniversität in Bálványos ist wert, hier als Gastkommentar abgedruckt zu werden, da es – abgesehen vom britischen Premier – in ganz Europa sonst keinen Politiker gibt, der Dinge so klar beim Namen nennt. Das ist wirklich ermutigend (wenn auch klar aus ungarischer Perspektive formuliert). Das ist aber meilenweit entfernt von allem, was österreichische Politiker so von sich geben.

Hier der Großteil von Orbans Worten im übersetzten Originalwortlaut:

Vor einem Jahr habe ich gesagt, dass wir in Zeiten leben, in denen alles passieren kann, und diese Aussage halte ich auch heute noch aufrecht. Wer hätte gedacht, dass Europa nicht in der Lage sein würde, seine eigenen Grenzen selbst gegen unbewaffnete Flüchtlinge zu schützen? Wer hätte gedacht, dass sich beispielsweise die Dinge in Frankreich soweit entwickeln könnten, dass der Leiter der dortigen Islamgemeinde dem französischen Staat ein offenes Angebot unterbreitete, die entvölkerten christlichen Kirchen seiner Gemeinde zu überlassen, da man aus diesen gerne islamische Gotteshäuser machen würde? Wer hätte gedacht, dass die Vereinigten Staaten von Amerika führende deutsche Politiker abhören?

All dies ist geschehen, und der Himmel stürzt trotzdem nicht ein. Und wer hätte gedacht, dass wir Europäer so tun würden, als wäre überhaupt nichts geschehen, und führen unsere Freihandelsverhandlungen mit einem Partner freundlich weiter, dem unsere Verhandlungspositionen vermutlich früher bekannt waren, als uns selbst?

Die Unsicherheit der Zukunft kann einen dazu verleiten, sich über das Naturell der politischen Zukunft, genauer gesagt über die Naturkunde der Erkennbarkeit der Zukunft Gedanken zu machen. Wir neigen dazu, uns die Zukunft, bzw. das Erforschen der Zukunft in der Weise vorzustellen, wie dies Schiffskapitäne, die in Richtung des Unbekannten fahren, tun: Wir stehen mit dem Fernrohr in der Hand am Bug des Schiffes, und erkunden damit die unbekannten Küsten. Dabei hat derjenige einen Vorteil, das heißt, der wird als erster die Zukunft erkunden, der ein schärferes Auge hat, oder eben im Besitz eines besseren Fernrohres ist. Als würde die Zukunft als eine Art noch unentdeckter Kontinent irgendwo da draußen vor uns liegen, d.h. bereits existieren und nur auf uns warten.

Die Zukunft besitzt jedoch, meine lieben Freunde, ein völlig anderes Naturell. Die wichtigste Eigenschaft der Zukunft ist nämlich, dass sie noch nicht fertig ist, und dass es sie noch nicht einmal gibt, und deshalb erst nach diesem Augenblick geschehen wird, woraus sich ergibt, dass es überhaupt keinen Sinn macht, unsere Augen angestrengt nach vorne zu richten, um sie ausfindig zu machen. Es wäre daher wesentlich lohnenswerter, die Zukunft in der Weise aufzufassen, wie die Ruderer es in einer Regatta tun, nämlich mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Man sieht dabei lediglich, was bereits hinter einem liegt, und das, was gerade ins Blickfeld kommt. Der Bug des Schiffes ist deshalb in der Weise in Richtung Zukunft zu steuern, wie die Küste vor unseren Augen erscheint.

Daher sollten wir die Zukunft aus der Gesamtheit dessen, was wir bereits wissen, entschlüsseln, was bedeutet, dass das Nachdenken über die Zukunft kein Wettbewerb darstellt, bei dem es darum geht, soweit wie möglich in die Ferne sehen zu können, sondern vielmehr darum, die Vergangenheit umso besser zu verstehen. Dabei gewinnt derjenige, der die Vergangenheit tiefgreifender versteht, und die Lehren daraus schneller und mutiger ziehen kann. Dies stellt gleichzeitig den Ausgangspunkt für die jeweilige politische Führung und Planung dar.

Das ist eine gute Nachricht, da wir zum Verstehen der Dinge in erster Linie unseren Verstand, das heißt unsere Vernunft benötigen, und in der Welt die menschliche Vernunft wohl äußerst gleichmäßig verteilt ist, wobei jeder Mensch davon überzeugt ist, dass ihm davon etwas mehr als den anderen zuteil wurde. Wenn wir über die Zukunft der Europäischen Union und innerhalb dieser über unsere eigene Zukunft nachdenken, müssen wir uns zuerst über die Vergangenheit der Europäischen Union Gedanken machen.

Trotz all unserer scharfen und kritischen Anmerkungen müssen wir dabei festhalten, dass die Europäische Union, so wie sie besteht, allein an sich einen hervorragenden Erfolg hinsichtlich Frieden, Entwicklung und Wohlstand darstellt. Es mag zwar sein, dass wir bis zum Jahr 1990 den Frieden, der seit dem 2. Weltkrieg angedauert hat, nicht uns selbst, sondern den Amerikanern und den Russen zu verdanken hatten, die anstatt uns über die Angelegenheiten Europas entschieden hatten. Aber nach 1990 galt dieser Erfolg zweifelsohne als unser eigener europäischer Erfolg, und gleichgültig welche Sorgenfalten sich auf unseren Stirnen derzeit auch immer abzeichnen, dieser Fakt kann selbst durch die Ereignisse, die seit dem Jahr 2008 geschehen sind, nicht ausgelöscht werden.

Manchmal ergeben sich Phänomene, über deren Betrachtung der Charakter einer Ära verständlich wird, und in dem sich dieser konzentriert. Während unseres Daseins ist die neuzeitliche Völkerwanderung ein solches Phänomen. Falls wir durch dieses Fenster hinausblicken, werden wir die ganze Welt sehen. Heute konzentriert sich darin die ganze Welt, weshalb wir dadurch verstehen können, wo unser Platz ist, und was uns noch erwartet.

Sprechen wir im Klartext: Die Verstärkung der neuzeitlichen Völkerwanderung hat als Konsequenz politischer Prozesse eingesetzt. Die nordafrikanischen Länder haben früher als Schutzbastionen Europas fungiert, wobei sie Völkermassen, die dort aus dem Inneren Afrikas angekommen sind, aufgefangen haben. Dabei ist festzuhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die wirklich ernsthafte Bedrohung nicht einmal aus den Kriegsregionen, sondern aus den inneren Regionen Afrikas stammt. Durch den Zerfall der Nordafrikanischen Staaten ist aber dieser Schutzwall auf spektakuläre Weise kollabiert, weshalb Nordafrika Europa nicht mehr vor den enormen Menschenmassen schützen kann. Dadurch entstand innerhalb kürzester Zeit ein Problem von unerwarteter Dimension.

Ich stimme mit dem früheren Präsidenten Sarkozy, der vor einigen Tagen im französischen Fernsehen darüber gesprochen hat, dass die derzeitige Völkerwanderungswelle erst der Anfang sei, völlig überein. In Afrika leben derzeit eine Milliarde einhundert Millionen Menschen, von denen mehr als die Hälfte jünger als 25 Jahre ist. Sarkozy vertritt die Ansicht, dass innerhalb kürzester Zeit mehr als rund Hundertmillionen Menschen kein Obdach und keinen Zugang zu einer ausreichenden Wasser- und Nahrungsmittelversorgung haben werden, weshalb sich diese Menschen irgendwohin auf den Weg machen werden, und zwar denen folgend, die bereits heute unterwegs sind.

Daraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass für uns heute Europa, die Lebensart der europäischen Bürger, die europäischen Werte, das Überleben oder Verschwinden der europäischen Nationen, und noch präziser ausgedrückt, deren Veränderung bis zur Unkenntlichkeit auf dem Spiel steht. Heute lautet die Frage nicht mehr lediglich dahingehend, in was für einem Europa wir Ungarn leben möchten, sondern, ob all das, was wir heute unter dem Begriff Europa verstehen, überhaupt noch existieren wird.

Unsere diesbezügliche Antwort ist völlig klar: Wir möchten, dass Europa weiterhin den Europäern gehört. Das ist unser Wunsch. Warum dies lediglich ein Wunsch von uns sein kann, liegt darin begründet, weil hierzu auch die Absicht der Anderen erforderlich ist, aber es gibt auch etwas, was wir uns nicht nur wünschen, sondern ganz entschieden wollen. Wir wollen das Land Ungarn, da dies ausschließlich von uns selbst abhängt, als ungarisches Land bewahren. Diese Feststellung gilt zwar unter den hier Anwesenden zwar eher als Binsenweisheit, wobei dies aber immer wieder mit Nachdruck zu betonen ist, da es auch andere gibt, die hierüber völlig anders denken. Es ist in gleicher Weise unglaublich und für unsere eigenen geistigen und seelischen Fähigkeiten schier unfassbar, dass es tatsächlich einige gibt, die hierüber anders denken.

Die europäische Linke, meine lieben Freunde, sieht im Problem der Einwanderung keine Gefahrenquelle, sondern eine Chance. Die Linke hat bereits seit jeher die Nationen und die nationale Identität mit Argwohn betrachtet. Dabei vertritt die Linke den Standpunkt – verfolgen Sie nur einmal ihre Worte –, dass durch die Eskalation der Einwanderung endgültig die nationalen Rahmen geschwächt und sogar eliminiert werden könnten, wodurch eines der bisher unerreichten Ziele der Linken von historischer Perspektive realisiert werden könnte.

Vielleicht ist es auch kein Zufall – wobei sich dies im ersten Augenblick völlig absurd anhört, aber wenn man etwas näher an Ungarn heranrückt, kann man es dann feststellen –, dass während die ungarische Linke im Jahr 2004 gegen die im Ausland lebenden Ungarn gehetzt hatte, sie heute die illegalen Einwanderer mit offeneren Armen aufnehmen und an ihre Brust drücken möchte. Diese Menschen, diese Politiker mögen die Ungarn ganz einfach nicht, und sie mögen die Ungarn gerade aus dem Grund nicht, weil diese Ungarn sind. Genauso, wie auch einige Finanz- und Politikkraftzentralen in Brüssel daran interessiert sind, die nationalen Rahmen aufzulösen, die nationalstaatliche Souveränität zu schwächen und die nationalen Identitäten auszulöschen. Stellen Sie sich nur einmal vor, meine sehr verehrten Damen und Herren, was Ungarn heute wäre, falls im Jahr 2014 die Linke eine Regierung gebildet hätte? Der Gedanke ist zwar geradezu erschreckend, aber dennoch, lassen Sie uns dies für einen Augendblick vorstellen. Ein oder zwei Jahre würden vergehen, und wir würden unser eigenes Heimatland nicht mehr wiedererkennen, wir würden das Land Ungarn nicht mehr wiedererkennen. Unser Land würde etwa so aussehen, wie ein großes Flüchtlingslager, wie eine Art mitteleuropäisches Marseille.

Wir müssen aber auch darauf zu sprechen kommen, dass die immer stärker werdende Migration auch damit zusammenhängt, dass der Fundamentalismus des Westens im Bereich Menschenrechte allen Menschen, unabhängig davon, aus welchem Grund diese ihre Heimatsländer verlassen möchten, eine moralische Ermunterung bietet. Dabei gibt es selbstverständlich auch echte Flüchtlinge, wobei aber dennoch diejenigen deutlich in der Mehrzahl sind, die lediglich die Vorteile der europäischen Lebensart genießen möchten.

Da aber so viele Menschen auf legalem Weg niemals auf das Gebiet der Union gelangen könnten, nehmen immer mehr Menschen die Gefahren, die mit einer illegalen Einwanderung verbunden sind, auf sich, und es werden Ihnen künftig immer mehr gleich tun. Und da die Europäische Union lediglich über Prinzipien, aber keine echte Souveränität, oder zum Beispiel eigene Grenzschützer verfügt, kann auf die neue Situation auch nicht in entsprechender Weise reagiert werden.

Brüssel kann die Europäer nicht vor den Massen der illegalen Einwanderer schützen, etwa so, wie es vom früheren deutschen Finanzminister auf den Punkt gebracht wurde: „Das Problem mit Europa ist damit vergleichbar, wenn man eine Konservendose den Berg aufwärts kickt, und sich dann darüber wundert, dass die Dose immer wieder zu einem zurückrollt.” Die Europäische Union nahm ihren Anfang als wirtschaftliche Allianz, und wurde später dann auch zur politischen Allianz, und müsste derzeit aber als souveräne Kraft handeln, wozu aber die nationale Souveränität noch weiter eingeengt werden müsste. Wie der Witz aus Budapest sagt: „Zuerst war die Richtung gut, man hat dabei aber alles falsch gemacht, dann war die Richtung falsch, man hat es dabei aber richtig gut gemacht.

Von der Europäischen Union wurden gemäß ihrer Berufung echte Lösungen für echte Probleme geboten, und dies war auch lange Zeit der Fall: nämlich Frieden statt Krieg, einheitlicher Binnenmarkt statt einen zerstückelten Markt und die Angliederung der Ärmsten, statt diese auf der Strecke zu lassen. Dazu kommt noch, dass die Europäische Union sich auch als pragmatisch und relativ flexibel erwiesen hat. Diesem Umstand können wir ihre einzigartigen organisatorischen Lösungen verdanken, aber mittlerweile ist es völlig offensichtlich, dass bis heute etwas kaputt gegangen ist.

Aus Europa wurde statt echter Lösungen eine Ideologie, wobei Europa derzeit ein Problem nicht mehr an sich betrachtet, sondern lediglich, ob eine jeweilige Lösung sein geschlossenes ideologisches System schwächen oder stärken würde. Dabei ist Europa selbst zu einer fixen ideologischen Idee geworden. Falls daher etwas als sinnvoll und erfolgreich erscheint, aber gleichzeitig die nationalstaatliche Souveränität stärkt, wird diese als verwerflich oder sogar feindlich angesehen, und je erfolgreicher diese Sache dann wird, als umso größere Gefahr wird diese Sache dann betrachtet. Das ist der Kern der ungarischen Story.

Das was wir Ungarn tun, ist zweifelsohne erfolgreich, aber da dieses Vorgehen nicht mit den ideologischen Vorstellungen Brüssels übereinstimmt, das heißt, die ungarische nationale und staatliche Souveränität nicht schwächt, sondern stärkt, wird dies aus dortiger Sicht zurückgewiesen. Aber gerade deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommt die Europäische Union auch in Sachen der Krise Griechenlands auf keinen grünen Zweig, da es sich dabei um ein Problem praktischer Natur handelt, für das eine praktische Lösung gefunden werden muss.

Wir Ungarn sind an einer starken Union interessiert, und sind der Meinung, dass Europa durch erfolgreiche Lösungen stark wird. Die politische und geistige Kraft des europäischen Mainstream ist jedoch der Auffassung, dass Europa dann stark wird, wenn man es irgendwie schafft, ein Vereinigtes Staaten von Europa zusammen zu schustern. Wenn wir unseren Kontinent von diesem Horizont aus betrachten, gelten wir Ungarn auf dem Kontinent als die Anhänger de Gaulles.

Es stellt die eigene Natur und nicht die Struktur der Vereinigten Staaten von Amerika dar, dass sie keinen selbständigen Nationalkörper besitzen, weshalb wir sie nicht als Vorbild nehmen dürfen, wogegen das Naturell Europas darin besteht, dass es von mehreren Nationen gebildet wird, weshalb das Bestreben zur Herbeiführung einer europäischen Version der Vereinigten Staaten von Amerika ein blanker Unsinn wäre. Die Größe Amerikas erwächst nicht daraus, dass sich in ihm keine Nationen befinden, sondern aus der Tatsache, dass es regelmäßig in der Lage ist, erfolgreiche Lösungen hervorzubringen.

Falls daher die Europäische Union erfolgreich sein will, sollte auch sie ihre eigenen funktionsfähigen Lösungen finden. Ob sie in Zukunft dazu in der Lage sein wird, wissen wir noch nicht, was wir aber wissen, ist, dass Europa seit dem Jahr 2008, d.h. seit Beginn der Wirtschaftskrise all diese Lösungen schuldig geblieben ist. Seit dem Jahr 2008 hat sich der Eindruck manifestiert, dass die Europäische Union zwar immer wieder unterschiedliche Ergebnisse erwartet, aber stets und immer wieder das Gleiche tut.

Es ist vielen noch in Erinnerung, dass das erste Land, das als Folge der Krise im Jahr 2008 gezwungen war, ein internationales Rettungspaket in Anspruch zu nehmen, nicht Griechenland, sondern Ungarn war. Nach 2010 ist es uns dennoch gelungen, so weit zu kommen, dass Ungarn eines der Mitgliedsländer ist, die übrigens sehr wenige sind, deren Staatsverschuldung, ausgewiesen im Prozent des Bruttosozialprodukts nicht gewachsen, sondern zurückgegangen ist.

Wenn wir die Anstrengungen der Ungarn gebührend bewerten und würdigen möchten, sollten wir ein wachsames Auge auf Griechenland werfen. Wir sind stolz darauf, dass wir unsere Schulden an den IMF vorzeitig zurückbezahlt haben, und selbst von der Unterstützung, die wir von der Union erhalten haben, lediglich noch ein kleiner Anteil zu tilgen ist, den wir Anfang 2016 zum Zeitpunkt der Fälligkeit zurückzahlen werden.

Und beachten Sie dabei bitte auch, dass Ungarn für seine Schulden zu keinem Zeitpunkt eine Begünstigung oder einen Aufschub verlangt hat. In den Augen von einigen gilt dies als Schwäche, in den Augen von anderen wiederum als Tugend, wobei ich zu den letzteren gehöre. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass dies auf eine Weise geschehen ist, dass das Wachstumstempo des ungarischen Bruttosozialproduktes unter den Mitgliedsländern der Union herausragte. Meine lieben Freunde, in der ungarischen Wirtschaftsgeschichte gilt es als Rarität, und in den letzten Jahrzehnten sogar als einzigartig, dass die Kennzahlen des externen und internen wirtschaftlichen Gleichgewichts gleichzeitig verbessert werden konnten, während im selben Zeitraum auch die Wirtschaft gewachsen ist.

Während dieser Zeit ist es uns außerdem gelungen, gleich zwei Fehler aus der Vergangenheit zu korrigieren, in dem wir die in Fremdwährungen geführten Privatkredite abgelöst haben, wodurch ein finanzieller Zusammenbruch verhindert wurde. Und es ist uns gleichzeitig gelungen, die zu einem früheren Zeitpunkt privatisierten Vermögensgegenstände strategischer Natur in das Eigentum der Gemeinschaft zurückzuführen, was wiederum eine der Schlüsselfragen der ungarischen nationalen Souveränität darstellt.

Als ich gesagt habe, dass das Thema der illegalen Einwanderung eigentlich so ist, wie ein Tropfen aus dem Meer, nämlich, dass die ganze Welt darin steckt, vertrete ich damit die Meinung, dass die wichtigsten Maßnahmen der bevorstehenden Jahre aus diesem Tropfen herausgelesen werden können. An dieser Stelle sollten wir vier dieser Fragen ansprechen, die in der kommenden Zeit europaweit wichtig werden, und zum größten Teil auch uns Ungarn beschäftigen werden.

Die erste dieser Fragen betrifft das Problem der nationalen Identität. Vor dreißig Jahren haben zahlreiche Europäer die Antwort auf die gesellschaftlichen Probleme Europas im sogenannten Multikulturalismus gesehen. Hier, in diesem Kreis muss ich nicht darauf eingehen, welche Unterschiede zwischen den Begriffen "multiethnisch" und "multikulturell" bestehen. Derzeit sehen allerdings immer mehr Menschen im Multikulturalismus nicht eine Lösung, sondern eine Ursache von Problemen. Mehrere europäische Staaten haben in den vergangenen dreißig Jahren beschlossen, Menschenmassen mit unterschiedlichem Zivilisationshintergrund in großer Anzahl bei sich aufzunehmen. Ich bin davon überzeugt, dass es uns nicht zusteht, diesen Versuch zu bewerten, und es steht uns meiner Meinung nach ebenfalls nicht zu, uns über das Ergebnis dieses Versuches zu äußern. Wir dürfen dazu lediglich so viel sagen, aber dies sollten wir entschlossen tun, dass wir diesen Versuch – in Hinblick auf dessen Ergebnisse – an uns selbst nicht zu wiederholen wünschen, und hierzu haben wir jedes Recht.

Die zweite Frage, über die wir offen und gerade heraus sprechen müssen, ist, dass ein klarer Zusammenhang zwischen dem Zustrom von illegalen Einwanderern nach Europa und der Ausweitung von Terrorismus besteht. Interessanterweise scheint dieser Zusammenhang aus Sicht der angelsächsischen Länder offensichtlich zu sein, während andere diesen eher dementieren. Zuletzt wurde von einem der leitenden US-Beamten für öffentliche Sicherheit bei einem Besuch in Ungarn erklärt, dass der Zusammenhang zwischen diesen beiden Faktoren offensichtlich sei. Es ist nämlich offensichtlich, dass wir aus einer so riesigen Menschenmenge die feindlichen Terroristen nicht ganz einfach herausfiltern können. Wir müssen ferner, meine sehr verehrten Damen und Herren, uns mit dem britischen Ministerpräsidenten Cameron einverstanden erklären, der die Situation wie folgt formuliert hat: Wir werden diese Krise nicht lösen können, wenn wir diese Menschen nicht gleich zu Beginn, und zwar genau dann, wenn sie ihr eigenes Land verlassen möchten, stoppen.

Das dritte Problem, mit dem wir neben dem Problem des Multikulturalismus und des Terrorismus zu kämpfen haben, ist von wirtschaftlicher Natur. Die Erfahrungen des Westens zeigen deutlich, dass die illegalen Einwanderer zum Anstieg der Arbeitslosigkeit beitragen. Diese Tatsache ist spätestens seit dem Zeitpunkt offensichtlich, seit dem Europa ab dem Jahr 2008 mit einer fortdauernden Wirtschaftskrise zu kämpfen hat, und für die meisten europäischen Länder – da wir nicht alle wie Deutschland sein können –, meine lieben Freunde, gerade die hohe Arbeitslosigkeitsquote die Quelle stärkster Spannungen darstellt. Das Eintreffen von neuen Menschenmassen in Länder, in denen von vornherein eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht, generiert eine noch höhere Arbeitslosigkeit. Dieser Zusammenhang ist eigentlich so einfach, wie das Einmaleins.

Und zuletzt, lassen Sie mich bitte eine Sache ansprechen, die wegen der gebotenen politischen Korrektheit in Europa stets aus Scham verschwiegen wird. Gemäß den Polizeistatistiken der westlichen Länder zeichnet sich ab, dass dort, wo illegale Einwanderer in hoher Anzahl leben, das Maß der Kriminalität drastisch ansteigt, und die Sicherheit der Bürger im gleichen Verhältnis dazu abnimmt. Ich nenne dazu einige Beispiele, die uns nachdenklich stimmen sollten. Gemäß einer Statistik der UNO steht Schweden hinsichtlich der Anzahl von Delikten sexueller Gewalt nach dem südafrikanischen Lesotho weltweit auf dem zweiten Platz. Gemäß einem Bericht des britischen Parlaments aus dem Jahr 2013 nahm die Anzahl der verurteilten Muslime, die in britischen Justizvollzugsanstalten einsitzen, in den letzten 15 Jahren um 300 Prozent, d.h. auf das Dreifache zu. In Italien wurde im Jahr 2012 rund ein Viertel der Straftaten von Einwanderern begangen. Und die Aufzählung könnte beliebig fortgesetzt werden.

Zusammenfassend können wir daher festhalten, dass die illegale Einwanderung für Ungarn und Europa in gleicher Weise bedrohlich ist. Sie stellt eine Gefahr für unsere gemeinsamen Werte, unsere gemeinsame Kultur und sogar für unsere Vielfalt dar, und bedroht gleichzeitig die Sicherheit der Europäer, und erschüttert dabei unsere Fähigkeit, unsere wirtschaftlichen Ergebnisse zu stabilisieren. Das Land Ungarn hat sich, solange dies möglich war, bemüht, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Interessen aller seiner Nachbarn in vollem Umfang berücksichtigten.

Heute befindet sich unser Land jedoch immer mehr in einer Zangensituation, nämlich nicht nur aus dem Süden kommen bei uns immer wieder neue Wellen dieser Völkerwanderung an, sondern es hat sich in den von uns westlich liegenden Ländern die Absicht herauskristallisiert, diejenigen, die illegal unsere Grenzen überschritten haben, und in diese westlichen Ländern weitergereist waren, nach Ungarn zurückzuführen. Dadurch werden wir gleichzeitig aus zwei unterschiedlichen Richtungen unter Druck gesetzt: Aus dem Süden und aus dem Westen. Die Wahrheit ist aber, dass wir diesem Druck nicht standhalten können.

Die Frage dieser Völkerwanderung ist gleichzeitig eine Frage der Vernunft und der Moral, aber auch des Herzens und des Intellekts, und ist daher als solche äußerst komplex, tiefgreifend und emotional aufwühlend. Solche Fragen können innerhalb einer Gesellschaft nur dann behandelt werden, wenn die Gemeinschaft in der Lage ist, hierzu einen Konsens zu entwickeln. Diesem Zweck diente die nationale Konsultation zur Einwanderung, deren offizielles Endergebnis ich hiermit bekannt geben möchte.

Mehr als Zweidrittel der Ungarn stuft die Frage der Expansion des Terrorismus hinsichtlich seines eigenen Lebens als relevant ein. Dreiviertel der Ungarn ist der Meinung, dass die illegalen Einwanderer die Arbeitsplätze und den Lebensunterhalt von Ungarn gefährden. Laut Vierfünftel der Ungarn stufen die Politik Brüssels hinsichtlich Fragen der Einwanderung und des Terrorismus als gescheitert ein, weshalb neue Ansätze und striktere Regelungen für erforderlich gehalten werden. Rund Vierfünftel der Ungarn unterstützt die Regierung, im Gegensatz zu der „Laissez-faire“-Politik Brüssels, striktere Regeln zum Stoppen der gesetzeswidrigen Einwanderung zu verabschieden.

Die Ungarn erwarten dabei Regelungen, die es ermöglichen, dass die Personen, die die ungarischen Grenzen illegal übertreten, in Gewahrsam genommen und innerhalb der kürzesten Zeit wieder abgeschoben werden können. Gemäß 80 Prozent der Befragten sollten die illegalen Einwanderer, während diese sich in Ungarn aufhalten, für die Kosten ihres Unterhalts selbst aufkommen. Auch wenn diese Worte hart klingen mögen und einen resoluten Standpunkt darstellen, gilt dieser dennoch als die Position Ungarns.

Zu guter Letzt und was alle anderen Punkte übertrifft, ist die überwiegende Mehrheit der Ungarn, d.h. 95 Prozent, dafür, dass man anstatt der Einwanderung eher die ungarischen Familien und die hier geborenen Kinder unterstützten sollte. Es ist leicht zu erkennen, dass die Ungarn ihr klares Denkvermögen noch nicht verloren haben.

Die Ergebnisse der Konsultation zeigen daher, dass die Ungarn keine illegalen Einwanderer haben möchten, und sich an dem geistigen Amoklauf der europäischen Linken nicht beteiligen möchten. Das Land Ungarn und sein Volk haben sich auf diese Weise entschieden. Dies bedeutet auch, dass wir unsererseits beabsichtigen, ein sicheres und stabiles Land sowie eine einheitliche und ausgeglichene Nation in der uns umgebenden unsicheren Welt, zu bleiben. Ich könnte nämlich damit vermutlich Recht haben, dass heutzutage in der Welt alles Mögliche passieren kann, aber ich würde mich vielleicht nicht irren, wenn ich der Meinung bin, dass wir alle möchten, dass im Gegensatz dazu, Ungarn ein Land bleibt, in dem doch nicht alles geschehen kann.

Viktor Orban ist ungarischer Ministerpräsident.

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