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Gerechtigkeit, Verteilungsgleichheit und Umverteilung

An der Frage der Gerechtigkeit arbeiten sich seit Jahrtausenden die gescheitesten Köpfe ab. Was bedeutet „gerecht“? Jedem das gleiche? Jedem nach seinen Bedürfnissen? Jedem nach seiner Leistung? Je nach politisch-weltanschaulicher Orientierung werden die Antworten auf diese Frage höchst unterschiedlich ausfallen. Für die über die Deutungshoheit verfügenden Meinungsführer – zu großen Teilen von Steuergeldern lebende Angehörige des intellektuellen Lumpenproletariats – steht jedoch fest: Gerechtigkeit manifestiert sich in (materieller) Gleichheit.

Moderne europäische Wohlfahrtsstaaten sehen entsprechend aus: In Österreich etwa stammen 36 Prozent der verfügbaren Haushaltseinkommen vom Staat. In keinem industrialisierten Land der Welt wird stärker hoheitlich in die Einkommensverteilung eingegriffen als hierzulande. Die gnadenlose Enteignung leistungsbereiter, wirtschaftlich erfolgreicher und entsprechend wohlhabender Bürger zwecks hemmungsloser Umverteilung an unproduktive Bürokraten, Minderleister sowie in- und ausländische Asoziale bestimmt das Bild. Trotzdem (oder gerade deshalb!) nimmt die von Agenten der aufgeblähten Sozialindustrie (die Caritas ist zu einem der größten Arbeitgeber im Lande avanciert) diagnostizierte Armut im Lande nicht ab, sondern zu.

Wenn aber das angepeilte Ziel der materiellen Gleichheit auf derart eklatante Weise verfehlt wird, läuft offensichtlich etwas gehörig schief. Kann der erstrebte Zustand der egalitären Wüste etwa nur erreicht werden, indem alle individuellen Einkommen vom Staat enteignet und – ungeachtet der persönlichen Tätigkeit und Leistung – via Sozialbürokratie zu exakt gleichen Teilen (verringert um die horrenden Kosten der Verwaltung) an alle ausgeschüttet werden? Oder liegt der Grund für die zunehmende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen am Ende am System des Wohlfahrtsstaates selbst?

Unter dem Titel „Umverteilung – verlässlicher Fluchthelfer aus der Armut oder sündteures Placebo?“ wurde dieser Frage in einer von der liberalen Wiener Denkfabrik „Agenda Austria“ organisierten, hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion nachgegangen. Unter der Moderation des Hausherrn Franz Schellhorn debattierten Peter Kampits, Professor für Philosophie der Universität Wien, Martin Rhonheimer, Ethikprofessor an der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz in Rom, und Alexander van der Bellen, Professor für Volkswirtschaftslehre und Politiker (der Grünen).

In seinem Eingangsreferat betonte Rhonheimer die Solidaritätsverpflichtung der Menschen gegenüber denen, die sich selbst nicht helfen können. Der Wohlfahrtsstaat zerstöre jedes Solidaritätsgefühl, indem er die Bürger dazu anleite, ihre menschlichen Verpflichtungen an den Staat zu delegieren.

Doch nicht nur seiner „demoralisierenden“ Wirkung wegen sei der umverteilende Wohlfahrtsstaat abzulehnen, sondern auch wegen der von ihm ausgehenden falschen Anreize, der Verletzung privater Eigentumsrechte und des offensichtlichen Widerspruchs zur Idee der Subsidiarität. Die von ihm initiierte „Enthumanisierung“ der Gesellschaft führe zur Zerstörung der Familien und langfristig zur kollektiven Verarmung.

Es brauche daher einen „Paradigmenwechsel“. Jedermann müsse sich darüber klar werden, dass der Staat es nicht besser könne. Denn Monopole seien grundsätzlich schädlich – für alle, außer für seine Inhaber. Das verhalte sich beim Staat nicht anders. Solidarität sei ein „Akt der individuellen Entscheidung und nicht erzwingbar“.

Freiwillige Nächstenhilfe sei erheblich effizienter bei der Armutsbekämpfung als staatliche Wohlfahrtsprogramme, da sie mit höherer Treffsicherheit bei den richtigen Adressaten ankäme. Durch gesetzliche Ansprüche auf Zuwendungen werde ein Anspruchsdenken geschaffen, das unmoralisch und unsozial sei. Arme seien von den Folgen der Wohlfahrtspolitik – und der von ihr ausgehenden Behinderung und Bestrafung wirtschaftlichen Handelns – stärker betroffen als Reiche. Ob Superreiche über drei oder vier Privatjets verfügten, sei nämlich gleichgültig. Wenn Arme aber keine Arbeit mehr finden könnten, wäre das schlimm.

Der Philosoph Kampits ortete eine „Schräglage der Gesellschaft“, in der die Schere zwischen Armen und Reichen immer weiter aufginge und „den Mittelstand zerschneide“. Unter „gerecht“ verstehe er ein „Denken des rechten Maßes“. Von weiteren Umverteilungsmaßnahmen (Stichwort „Reichensteuer“) halte er wenig, weil damit am Ende wieder nur der Mittelstand getroffen würde. Es gelte vielmehr einen „goldenen Mittelweg“ zu finden, zwischen den Vorstellungen des Neoliberalismus (wie er etwa von Robert Nozick, einem Verfechter des Minimalstaatsgedankens, verkörpert werde – siehe diese Buchempfehlung) und des Kommunismus. Er denke dabei an die vom amerikanischen Philosophen John Rawls entworfene Vorstellung von „Gerechtigkeit als Fairness“ (Buchempfehlung 2).

Van der Bellen äußerte sich zustimmend zur Philosophie von Rawls und betonte, dass es diesem nicht um die Schaffung von Gleichheit zu tun war, sondern vorrangig um die Verbesserung der Lebensumstände der Ärmsten. Jedermann beurteile die Frage der Gerechtigkeit stets aus seinem spezifischen Blickwinkel. Hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ um die mögliche eigene Position in dieser Gesellschaft (als Sohn eines reichen Industriemagnaten oder die eines armen Hilfsarbeiters?) sei eine „gerechte“ Gesellschaft leichter vorstellbar.

Er hege grundsätzliche Sympathie für das „theoretisch anarchistische System des reinen Kapitalismus“. Leider unterscheide sich die Realität des Kapitalismus aber grundlegend von seinem Idealbild. Unter Verweis auf Thomas Pikettys aktuelle Untersuchungen zur Entwicklung der Einkommensverteilung konstatierte er eine ungeheure Konzentrationstendenz, die erst in den letzten Jahrzehnten so richtig in Fahrt gekommen sei. Wir bewegten uns auf eine Einkommens- und Vermögensungleichheit zu, wie sie für das viktorianische Zeitalter typisch gewesen sei.

Van der Bellen plädierte daher für eine gleichgewichtige Einbeziehung aller Einkommensarten in die Steuerbemessung. Das wirke sich besonders auf „nicht durch Leistung verdiente Einkommen – wie Erbschaften“ aus. Kein aufrechter Kapitalist könne etwas gegen Erbschaftssteuern haben, denn steuerfreie Erbschaften bildeten die Antithese zur Leistungsgesellschaft. Das Argument, beim vererbten Vermögen handle es sich um bereits einmal versteuerte Werte, sei „das Dümmste, was ich je gehört habe“, da der Erbe ja dafür derzeit eben keinen einzigen Cent Steuern abführe. Erbschaften führten mehr als alles andere zu ungeheuren Vermögensungleichheiten, was verheerende soziale Folgen haben könne.

Er richte sein Augenmerk dennoch weniger auf Geldwerte als auf Bildungschancen, die ebenfalls ungleich verteilt seien. In unserer hoch entwickelten Gesellschaft sei es aber unabdingbar, alle jungen Menschen möglichst hoch zu qualifizieren, da sie ansonsten in unserer komplexen Arbeitswelt nicht zu gebrauchen wären.

In seiner Erwiderung stellte Rhonheimer fest, dass jeder Gerechtigkeitstheoretiker den umverteilenden Wohlfahrtsstaat allein auf Grund dessen negativer Ergebnisse ablehnen müsse. Die USA zeigten es deutlich: Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis Ende der 60er Jahre habe die Zahl der Armen dort laufend abgenommen. Dann allerdings kam diese positive Entwicklung zu einem Ende. Die Ursache dafür sei die von Präsident Johnson ab 1964 proklamierte Politik der „Great Society“ gewesen – eines radikalen, mit F. D. Roosevelts „New Deal“ vergleichbaren Wohlfahrtsstaatsprogramms.

Die Setzung falscher Anreize führe stets zu einer Verringerung der Leistungsfähigkeit einer Ökonomie. Von den Gewerkschaften erzwungene Mindestlöhne etwa würden Geringqualifizierte zu dauernder Arbeitslosigkeit verdammen.

Van der Bellen replizierte, dass er nicht an eine „freiwillige Umverteilung“ glaube. Die habe in kleinräumigen, mittelalterlichen Gesellschaften funktioniert, wo jeder jeden kannte, wäre aber für eine moderne Massengesellschaft unpraktikabel. Schweden sei ein gutes Beispiel für einen bestens funktionierenden Wohlfahrtsstaat. Rhonheimer konterte mit dem Hinweis, dass in Schweden die Vermögenssteuern kürzlich abgeschafft worden seien, weil man erkannt habe, dass das Geld besser bei den Privaten als beim Staat aufgehoben sei. Private investierten, während der Staat nur konsumiere. In Schweden gebe es mittlerweile deutliche Vermögensunterschiede und das sei nicht nur nicht schlecht, sondern sogar sehr gut!

Zur These „zurück ins viktorianische Zeitalter“ merkte er an, dass der Unterschied zwischen einem Arbeiter und Warren Buffet heute lediglich darin bestehe, dass der eine über einen Privatjet verfüge und der andere nicht. Beide verfügten allerdings über geheizte Wohnungen mit fließendem Wasser und könnten sich, gut genährt und gekleidet, Urlaube leisten. Die Unterschiede zwischen Armen und Reichen würden zum Großteil in „Papierwerten“ bestehen und seien in Wahrheit unerheblich. Jedenfalls wären sie vernachlässigbar im Vergleich zur Zeit Königin Viktorias.

Aus dem Publikum wurde angemerkt, dass eine „sozial durchlässige“ Gesellschaft ein erheblich höheres Maß an Ungleichheit aushalten könne. Die Vorstellung „vom Tellerwäscher zum Millionär“ werden zu können, mache materielle Unterschiede leichter erträglich. Eben diese „Durchlässigkeit“ sei heute aber nicht mehr gegeben, meinte Van der Bellen. Mit Bezug auf die Zeit Viktorias habe er nicht den von Arbeitern erreichten Wohlstand gemeint, sondern eine „Chiffre für eine neue Feudalgesellschaft“.

Rhonheimer beklagte die „Gleichsetzung von Gerechtigkeit mit Verteilungsgerechtigkeit. Keiner redet über Regelgerechtigkeit!“ Der Feststellung aus dem Publikum, dass ein Rechtsanspruch auf Sozialleistungen dem Menschen mehr Würde verleihe als das Betteln um Almosen, trat er entschieden entgegen. Es handle sich hierbei um ein „Verkehrung der Denkart“.

Ein Rechtsanspruch, auf Kosten anderer zu leben, sei per se unmoralisch. Er führe zudem in permanente Abhängigkeit von der Wohlfahrtsbürokratie. Die Caritas-Organisation lebe zum Großteil von staatlichen Zuwendungen und agiere dementsprechend auch bereits wie eine staatliche Institution. Dass er mit seinem Standpunkt innerhalb der Kirche eine Minderheitenposition einnehme, sei ihm klar.

Einigkeit zwischen den Diskutanten bestand lediglich in der Frage zu hoher Steuerlasten auf Einkommen und die große Bedeutung gleicher Bildungschancen. Auf die Frage, was denn nun Gerechtigkeit sei, wurde in diesem Kreis allerdings keine Antwort gefunden.

Fazit: Der grüne Vorzeigepolitiker Van der Bellen erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen zu 100 Prozent. Seiner ungeschminkten Geringschätzung privater Eigentumsrechte steht – wie bei allen linken Systemlingen – uneingeschränkte Staatsgläubigkeit gegenüber. Der Philosoph Kampits vermied – anders als man das etwa von seinen Kollegen Burger oder Sloterdijk kennt – jeden inhaltlich gehaltvollen oder gar kontroversiellen Kommentar.

Die Überraschung des Abends bildete zweifellos Opus-Dei-Mann Rhonheimer mit seinen Aussagen. Die hätten genauso gut auch von „radikalliberalen“ Ökonomen wie Polleit, Hülsmann oder Bagus stammen können. Ein Jammer, dass man Männer seines Zuschnitts in keiner der erschreckend linkslastigen Kirchen Österreichs findet…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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