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Libertas praestantissimum – Die Freiheit ist das Vorzüglichste

In einer Zeit rapiden Verschwindens persönlicher, politischer und ökonomischer Freiheit weltweit – auch und gerade im „Westen“ – wird vielleicht mancher geistig erwachter Zeitgenosse mit den Altvorderen, die uns dieses Desaster eingebrockt haben, zu hadern beginnen. Er wird sich die Frage stellen, ob das „normal“ ist, dass man heutzutage mehr und mehr Gesslerhüte grüßen und Paganisierung und zivilisatorischen Rückschritt, Islamisierung und Genderwahn gut finden muss. Er wird auch fragen, wieso heute ein Nationalstaat mehr und mehr darauf verzichten muss, legitime Eigeninteressen zu formulieren, ja, sich überhaupt als Staat und Nation zu behaupten.

Wenn dieser Zeitgenosse tiefer gräbt und nach den Wurzeln der Freiheitsvernichtung fragt, wird er auf die weltanschaulichen Weichenstellungen im 19. Jahrhundert stoßen. Er wird vielleicht auf die Lehrverkündigung der großen Päpste des 19. Jahrhunderts stoßen. Er wird Augen machen.

Er wird vielleicht lamentieren:
„Hätte man im 20. Jahrhundert doch auf Papst Leo XIII. gehört! Hätten die Entscheidungsträger nur im Auge behalten, dass Freiheit Wahrheit voraussetzt!“

Gewollter Freiheitsverlust

Allerdings wird dieser Zeitgenosse zu einer Minderheit gehören. Denn die Mehrheit – wenigstens hierzulande – scheint das saeculum als unausweichliches Verhängnis, als Naturgesetz oder als alternativlose Normvorgabe zu begreifen – und daher auch keine große Sehnsucht nach Freiheit zu haben. Die sie ohnehin überfordern würde. Denn es scheint so zu sein, dass viele Menschen, die echte Freiheit nicht kennen gelernt haben, sich gar nicht mehr nach ihr ausstrecken können bzw. wollen. Freiheit ist anstrengend.

Wenn man sich umblickt, gibt es mehr und mehr Zeitgenossen, die mit ihrer ursprünglich gottgegebenen Freiheit immer weniger anzufangen wissen. Vielen Menschen ist die Freiheit eine Last. Sie wollen lieber Zombies sein.

Das wird durch den abscheulichen, grassierenden Brauch des „Zombiewalk“ sinnbildlich unter Beweis gestellt: Sich in eine Masse von ferngesteuerten „Untoten“ einzufügen, ist offenbar angenehm. Grunzlaute, Grimassen und kübelweise grässliche Schminke als Zeichen der Zeit? Offenbar. „Untot“ zu sein enthebt einen der moralischen Verantwortung und der Last der Lebensgestaltung? Vermeintlich.

Aber auch weniger grell-abstoßende Manifestationen der Ablehnung der Freiheit gibt es: Gerade in (vermeintlich) gebildeten Kreisen gehören deterministische Ideen zum guten Ton. Was für eine grandiose neurologische Entdeckung ist es z. B., dass „eigentlich“ das Gehirn entscheidet und die Freiheit Illusion ist! Das Bewusstsein als „Epiphänomen“. Wundervoll.

Schließlich hat auch die Psychoanalyse mit ihren krausen Ideen zu einer – intendierten! – Reduktion menschlicher Freiheit, damit auch menschlicher Verantwortlichkeit beigetragen.
Soweit man die Psychoanalyse überhaupt auf einen rationalen Nenner bringen kann.

Politische Unfreiheit als Entlastungsmechanismus

Auf politischer Ebene will man derzeit offenbar nichts sehnlicher, wenn man den maßgeblichen österreichischen Politikern zuhört, als in einem Konglomerat, einem cluster, einer Verklumpung der europäischen Staaten unter ihrer Auflösung in einem allwissenden Superstaat aufzugehen.

Freiheit ist schwer. Was soll man mit ihr anfangen? In Zeiten rapide schwindenden Glaubens ist nämlich die Frage nach dem Sinn der Freiheit (bzw. nach dem Sinn des menschlichen Lebens überhaupt) praktisch nicht mehr beantwortbar. Somit ist auch die Freiheit im wahrsten Sinn des Wortes „sinn-los“ geworden. Es lebt sich dann angenehmer als „glücklicher“ Sklave von political correctness, „Integrations“-Rhetorik und EU-„Alternativlosigkeit“. Oder vermeintlich angenehmer, denn das Gewissen signalisiert Unbehagen.

Papst Leo XIII. Enzyklika Libertas praestantissimum als aktueller Text

Anlässlich der genannten Weichenstellungen und der Veröffentlichung dieses Dokuments eines großen Papstes als Hörbuch wollen wir daher einige grundsätzliche und aktuelle Erwägungen zur menschlichen Freiheit anstellen.

Beginnen wir am Anfang (Text nach http://www.kathpedia.com/index.php?title=Libertas_praestantissimum_%28Wortlaut%29, minimal redigiert):

Die Freiheit, diese äußerste wertvolle Gabe der Natur, kommt nur den Wesen zu, welche den Gebrauch der Intelligenz oder Vernunft besitzen. Sie verleiht dem Menschen jene Würde, wodurch er sich selbst in der Hand hat bei seinen Entschlüssen, und so Herr über seine eigenen Handlungen wird. Es kommt aber sehr darauf an, wie man sich dieser Würde bedient, da aus dem Gebrauch der Freiheit die höchsten Güter, aber auch die größten Übel erwachsen. Gewiss steht es in des Menschen Macht, der Vernunft zu gehorchen, das sittlich Gute zu wählen und geraden Wegs sein höchstes Ziel zu verfolgen. Doch kann er auch nach jeder Richtung hin abirren: er kann einem trügerischen Scheingute folgen und so die sittliche Ordnung stören und sich freiwillig ins Verderben stürzen (1).

Die Freiheit, das Übel, das Minderwertige, das Böse zu tun, gehört nicht zur Freiheit:

Missbrauch der Freiheit hebt sie selbst auf. Sich irren können und sich wirklich irren ist ein Fehler, der die Unvollkommenheit unseres Verstandes beweist; wenn auch das Verlangen nach einem trügerischen und nur scheinbaren Gute ein Beweis unserer Freiheit ist, wie auch krank sein noch ein Beweis des Lebens ist, so ist jenes Verlangen doch ein gewisser Mangel der Freiheit. Dadurch also, dass der Wille vom Verstande abhängig ist, verdirbt er, wenn er etwas der gesunden Vernunft Widersprechendes anstrebt, durch diesen Fehler die Freiheit in der Wurzel und begeht einen Missbrauch derselben. Aus eben diesem Grunde besitzt Gott, der unendlich Vollkommene, der die höchste Weisheit und die wesenhafte Güte selbst ist, die höchste Freiheit und kann das sittlich Böse in keiner Weise wollen; ebenso wenig können es die Seligen des Himmels, da sie die Anschauung des höchsten Gutes besitzen (6).

Der Katechismus der Katholischen Kirche von 1992 bringt es diesbezüglich mit einer eingängigen Formulierung auf den Punkt: „Je mehr man das Gute tut, desto freier wird man“ (KKK 1733).

Der Papst wusste auch um die Notwendigkeit des Gesetzes, vor allem um das im Gewissen erkennbare natürliche Sittengesetz:

Der letzte Grund, warum dem Menschen ein Gesetz notwendig ist, liegt mithin in dem freien Willen; unsere Willensentschlüsse sollen nämlich mit der rechten Vernunft im Einklang stehen. Nichts ist deshalb so falsch und so unsinnig, wie die Behauptung, der Mensch dürfe die Fessel des Gesetzes nicht tragen, weil er von Natur aus frei ist. Wenn das wahr wäre, so würde daraus notwendig folgen, zur Freiheit gehöre, dass sie mit der Vernunft nichts zu tun habe; gerade das Gegenteil ist zweifellos richtig (…).

Ein solches Gesetz ist an erster Stelle das Naturgesetz, welches geschrieben steht und eingegraben ist in die Seele jedes einzelnen Menschen; es ist nämlich die menschliche Vernunft selbst, die da das Gute befiehlt und das Böse verbietet (7f).

Hier ist schon der Dissens unserer Zeit gegen diese ewige Wahrheit zu erkennen. Die Zeichen sind an der Wand. Da und dort wird – trotz immer noch vorkommender emphatischer Berufung auf das „Gewissen“, besonders wenn es um Rechtfertigungen für den Bruch göttlicher Gesetze geht – das Gewissen als objektive Stimme im subjektiven Bewusstsein geleugnet und umgedeutet. Es ist ja doch lästig.

In diese Kerbe schlägt auch die „Moderne“ mit ihrer „Selbstemanzipierung“ und „Selbstermächtigung“ und wie die Schlagworte alle heißen mögen. Alles Selbstbetrug.

Liberalismus als Täuschung: Ideologie gegen echte Freiheit

Politisch brisant sind die Ausführungen des Papstes zum „Liberalismus“ seiner Zeit. (Man soll mit diesen Etiketten sehr vorsichtig sein, da sie ihre Bedeutung über die Zeit wandeln oder – durch das Auftreten von Gegensätzen – mehrere Facetten bekommen. Manche dieser „-ismen“ sind auch Fremdzuschreibungen mit polemischer Absicht.) Die Grundaussage von Papst Leo ist, dass der zu seiner Zeit orchestrierte „Liberalismus“ die Freiheit nicht nur nicht garantiert, sondern sie im Gegenteil unterminiert, und zwar durch die Zuerkennung von Legitimität an alle möglichen Irrtümer, die wiederum die Freiheit aufheben. Damit nützt er letztlich den skrupellosen Mächtigen, die sich ihrerseits von den Ansprüchen des Sittengesetzes dispensiert betrachten.

Nur wenn die (natürlich erkennbare und geoffenbarte) Wahrheit durch das Gemeinwesen geschützt wird, kann es in weiterer Folge Freiheit geben.

Als Beispiel sei nur die unbeschränkte Rede- und Pressefreiheit herausgegriffen, die damals als Popanz aufgebaut wurde, aber ihren Todeskeim schon in sich trug:

Wir brauchen kaum zu erwähnen, dass eine solche unbeschränkte, alles Maß und alle Schranken überschreitende Freiheit kein Recht auf Existenz besitzen kann. Das Recht ist nämlich eine sittliche Macht, und es ist daher töricht zu glauben, dasselbe sei von der Natur unterschiedslos und in gleichem Maße sowohl der Wahrheit wie der Lüge, der Sittlichkeit wie dem Laster verliehen. Es besteht ein Recht: das, was wahr und sittlich ist, frei und weise im Staat auszubreiten, damit es möglichst vielen zu gute komme; mit Recht unterdrückt aber die Obrigkeit, so viel sie kann, lügenhafte Meinungen, diese größte Pest des Geistes, wie auch Laster, welche die Seelen und die Sitten verderben, damit sie nicht zum Schaden des Staates um sich greifen (23).

Wir sehen derzeit ohnehin mit eigenen Augen, wie die unbeschränkte Pressefreiheit mit innerer Logik in ihr Gegenteil gekippt ist: Nachdem lange Zeit alles möglich war, ist aus Gründen der Staatsraison eine rigide rechtliche, politische und (pseudo-)moralische Beschränkung dessen, was man sagen oder schreiben darf, oktroyiert worden. Freiheit, die sich nicht an das Gute und die Wahrheit bindet, führt zwangsläufig in die Unfreiheit der Lüge. Das Gute setzt sich eben nicht automatisch durch. Es muss geschützt werden. Das sollte gerade im 20. Jahrhundert klar geworden sein.

Papst gegen den totalen Staatsutilitarismus

Die Enzyklika ist auch aus einem anderen Grund von aktueller Relevanz: Papst Leos Scharfsicht ließ ihn die Ideologie der USA kritisch bewerten. Der „Amerikanismus“ als geistesgeschichtliche Größe ist zwar ein komplexes Thema (der Ausdruck hat mehrere Facetten), in unseren Tagen spätestens ist jedoch klar geworden, dass der nackte Staatsutilitarismus („erlaubt ist, was uns nützt“) eine Gefährdung von Frieden und Freiheit darstellt. Die Vereinigten Staaten unterstützten im 19. und 20. Jahrhundert Revolutionen, wo es ihnen opportun erschien, und trugen somit zur Zerschlagung gewachsener Strukturen bei.

Auch Österreich war im Visier dieser Intrigenpolitik. (Es ist vielleicht auch in diesem Forum nicht überflüssig, in diesem Zusammenhang Heinrich Drimmels augenöffnendes Werk „Die Antipoden – Die neue Welt in den USA und das Österreich vor 1918“ noch einmal in Erinnerung zu rufen.) Dasselbe tun sie heute. Heute bedienen sich die USA, wie wir sehen, auch jihadistischer Gruppen (die sie ja angeblich bekämpfen) und rechtsradikaler Nationalisten, um andere Länder zu destabilisieren und sich dann dort als Ordnungsmacht ins Spiel zu bringen, Zugriff auf Bodenschätze inklusive. Kollateralschäden werden in Kauf genommen.

Hier ist der Utilitarismus zur völligen Abscheulichkeit aufgelaufen. Davor hatte Papst Leo gewarnt. Die falsch verstandene „Freiheit“ als Selbstermächtigung gegen andere.

Fazit

Unsere Zeit hat die ideologischen Vorgaben des „Liberalismus“ der Zeit von Papst Leo XIII. (heute eher das ganze linksliberale Sammelsurium: political correctness, mit ihren Zauberwörtern „Integration“, „Inklusion“, „Fortschritt“ u.s.w., dabei konfiskatorische Steuersätze und Ausufern der Staatskompetenzen) dermaßen internalisiert, dass sich nur ganz wenige fragen, ob Politik, Kultur und Geistesleben wirklich so sein müssen, wie sie sind, oder ob es nicht Alternativen gibt. Die Katholische Kirche hätte die Kompetenz, zur echten Freiheit im Geiste zu erziehen, da nur die Wahrheit frei macht (vgl. Joh 8, 32). Sie hätte auch die Kompetenz zur Ausbildung sozialer Strukturen, die weitgehend staatsunabhängig sind, vor allem der christlichen Familie.

Viele haben sich jedoch mit dem Status quo arrangiert. „Die glücklichen Sklaven sind die entschiedensten Gegner der Freiheit“, wie es sprichwörtlich heißt.

Leider hat auch die kirchliche Lehrverkündigung andere Wege beschritten – ohne allerdings formal das ältere Lehramt aufzuheben und aufheben zu können. Der politische Optimismus des II. Vaticanums hat sich als trügerisch und surreal erwiesen. Die Welt ist eben nicht so, wie man es in Dignitatis humanae und anderen Dokumenten herbeigewünscht hat. Die Folgen reichen von politischer Unfreiheit über die kulturelle Gleichschaltung bis zum persönlichen, selbst gewählten und internalisierten Zombietum.

Das gegenwärtige Lehramt, in diesem Fall die Enzyklika Evangelii gaudium des regierenden Papstes, ist übrigens inhaltlich äußerst schwer nachzuvollziehen. Es bleibt offen, was hier überhaupt intendiert ist. Im Gegensatz zu den lehramtlichen Erklärungen der Päpste des 19. Jahrhunderts ist diese „exhortatio“ eine Äußerung des Lehramtes, das die alten Maßstäbe verloren hat und sich in uferlose und verworrene Wortkaskaden auflöst.

Daher wäre es ein großer Segen, sich an den präzisen, nachvollziehbaren und relativ knapp gehaltenen Ausführungen von Leo XIII. zu orientieren.

Die Veröffentlichung einer historischen, aber überzeitlich aktuellen und gegenwärtig überaus relevanten Enzyklika als Hörbuch ist eine originelle und fortsetzungswürdige Idee. Der verlesene Text verdient auf alle Fälle gründliches Studium.

Wolfram Schrems, Mag. theol., Mag. phil., Linz und Wien, kirchlich gesendeter Katechist

Libertas praestantissimum – Die Freiheit ist das Vorzüglichste!
Enzyklika Leo XIII., 20. Juni 1888; 2 Audio-CD, Spieldauer 1:28 h, Sarto, 2014. http://www.sarto.de

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