Das bequeme „Jein“: Warum sich so viele von der Kirche abwenden

"Wenn es nicht bedeuten würde, dass ich dann auch aus meiner Verbindung austreten müsste, wäre ich schon längst aus der Kirche ausgetreten", bekannte mir neulich ein langjährig gut bekanntes Mitglied aus dem CV. Und da muss schon einiges schieflaufen, wenn sich ein CVer zu so einem Gefühlsausbruch hinreißen lässt, noch dazu, wenn seine Motive so gar nicht dem gängigen Klischee von Missbrauchsfällen oder Ärger über den Kirchenbeitrag entsprechen.

Auch "Die Presse" titelte einmal überrascht: "Keine Skandale, und trotzdem Rekord bei Kirchenaustritten". Die Antwort ist wohl viel banaler: es ist "der rapide Bedeutungsverlust der katholischen Kirche als Opinion-Leader" (Hans Rauscher im "Standard") wobei auch der Vertrauensindex von OGM/APA – sowie andere Untersuchungen – einen deutlichen Verlust an Relevanz zeigen. Schon vor Jahren vermisste nicht nur der Religionssoziologe Paul Zulehner in der Kirchenleitung eine "kräftige Stimme". Auch der ehemalige Grazer Bischof Egon Kapellari hatte urgiert, dass man sich bei kontroversiellen Themen aus dem "Zwielicht" des bequemen "Jein" herausbewegen müsse.

Als etwa einer der afghanischen Täter die Vergewaltigung und Ermordung der 13-jährigen Leonie ungerührt mit: "Die Scheiß-Christin hat das nicht anders verdient", kommentierte, war das der Kathpress keinen Artikel wert, und kein Kirchenvertreter hat zu dieser Ungeheuerlichkeit Stellung genommen – übrigens auch kein Politiker!

Seit Jahren duckt sich die Amtskirche bei Themen weg, die den Mainstream des heimischen Journalismus verstimmen könnten. Man will mit klaren Worten nicht anecken und engagiert sich lieber im sozialen Bereich, bei Umweltthemen oder im Rahmen der Willkommenskultur. Da kann man sich des Beifalls sicher sein, und sogar SP-Chef Andreas Babler stellte im Vorjahr freudig fest, "dass Kirche, Caritas und christlich soziale Organisationen mittlerweile mit der Sozialdemokratie marschieren."

Linksfeministische Theologinnen werfen Vertretern eines traditionellen Katholizismus ein "antiquiertes, heteronormatives Familienbild" vor, anstatt sich für die Anliegen der LGBT+-Community und der Gender-Ideologie einzusetzen. Diese "progressiven" Christen sehen auch keine Gefahr in der zunehmenden Islamisierung Europas, ja sie setzen sich aktiv für die Zuwanderung ein (wenn etwa die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung an die Regierung appellierte, Flüchtlinge aus Afghanistan – insbesondere Frauen – aufzunehmen). Die schleichende Transformation Europas ist ihnen ebenso wenig ein Anliegen wie die anhaltenden, massiven Christenverfolgungen weltweit, vor allem in muslimischen Ländern.

Das irritiert immer mehr brave (Noch)-Kirchenbeitragszahler (und auch engagierte Priester, die hinter vorgehaltener Hand diesen Kurs kritisieren). Die Amtskirche sollte sich bewusst sein, dass "soziale Nützlichkeit die religiöse Sinnstiftung nicht ersetzen kann", wie das ein Schweizer Theologe treffend formuliert hat. Und auch die innerkirchlichen Lieblingsthemen von der Priesterehe bis zur Frauenordination interessieren die Menschen auf Sinnsuche nicht wirklich. Die wenden sich dann lieber der Esoterik, dem Buddhismus, Yoga oder evangelikalen Gemeinden zu, die – so Kardinal Christoph Schönborn – heute die am stärksten wachsende Gruppe unter Christen darstellen. Warum wohl?

Natürlich ist es meist ein Mix an Motiven, warum sich Menschen von der Kirche abwenden, aber ein starker Grund ist sicher das asymmetrische Themenangebot. Der Orientierung suchende Christ will nicht von der Kirche zum Klimawandel oder zur Gendergerechtigkeit belehrt oder mit gewundenen Aussagen zum Islam kalmiert werden. Er will eine Kirche, die eine realistische Sicht auf die Welt hat, Klartext redet und Halt und Orientierung gibt.

  

Dr. Herbert Kaspar ist Publizist und Kommunikationsexperte und hatte lange wichtige Funktionen im Österreichischen Cartellverband inne.

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