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Vielleicht eine Abwahl

Die Tradition spricht für eine Wiederwahl. Einmal-Perioden sind in den USA die Ausnahme. Beispiel Jimmy Carter. Der hatte 1980 einen sehr attraktiven Kandidaten gegen sich. Die Steuerbemessung hatte absurde Höhen erreicht. Und im Iran hatte Carter eine schreckliche Niederlage erfahren.

Oder George Herbert Walker Bush. Kriegsheld im Pazifik, Botschafter in Peking, Direktor der CIA, zweimal Vizepräsident unter Ronald Reagan. Als Präsident holte er den Drogen-Dealer und Diktator Manuel Noriega aus seinem Versteck in Panama und brachte ihn in Miami vor Gericht. Er war beim Fall der Mauer in Berlin im Hintergrund dabei und unterstützte Boris Jelzin gegen den Putsch der Gestrigen und begleitete umsichtig die Auflösung der Sowjetunion. Als Saddam Hussein Kuwait besetzte, fackelte er nicht lange und schmiedete eine breite internationale Allianz zur Befreiung Kuwaits.

Dennoch wurde Bush der Ältere 1992 nicht wiedergewählt. Er war bei einem Dinner in Japan ohnmächtig vom Tisch gefallen, was hunderte TV-Stationen in den USA immer und immer wieder gebracht haben. Da beeindruckte der jugendliche Gouverneur von Arkansas, Bill Clinton, das Wahlpublikum schon viel mehr.

Bei Trump gab es das bisher nicht. Die Wirtschaft boomte all seine Jahre. Die Arbeitslosigkeit lag tiefer als selbst bei Harry Truman. Und sein Gegenkandidat im Herbst ist vier Jahre älter als er selbst, der gerade seinen Bruder mit 71 verloren hat.

Widrige Umstände

Allerdings ist Trump die Pandemie in die Wäsche gefahren. Die Wirtschaft ist um ein Drittel abgesunken und beginnt 1929 zu übertreffen. Die Arbeitslosigkeit ist nun extrem hoch. Der Staat zahlt Hilfen, aber man weiß nicht, wie das zurückgezahlt werden kann. Die bisherige Wahlerfahrung zeigt jeweils einen Wahlverlust bei einem Wirtschaftsabsturz, auch wenn die regierende Partei nicht Ursache der Krise war.

Und da sind dann noch viele kleinere Punkte, die an seiner Wählerbasis kratzen:

  • Trumps krankhafte Ich-Bezogenheit beginnt nun auch im letzten Appalachen-Tal aufzufallen und zu irritieren.
  • Die Art, wie er Freund und Feind im In- und Ausland zu beleidigen pflegt, wird nicht mehr toleriert.
  • Und niemand glaubt ihm, wenn er sich mit der Bibel in der Hand vor Kirchen stellt, aber sonst dort nie gesehen wird.
  • Man hat bemerkt, wie schamlos er über Frauen und Farbige spricht.
  • Seine Attacken auf den Gegenkandidaten Joe Biden und dessen Sohn Hunter haben das Gegenteil bewirkt. Nur knapp überstand Trump eine Abstimmung im Senat über seine Absetzung wegen der Versuche, über das Ausland Kompromittierendes gegen Biden zu beschaffen.

Eine gute Wahl                                    

Ganz klar erweist sich Bidens Wahl von Kamala Harris für die Vizepräsidentschaft als Goldgriff. Ein Fünftel der republikanischen Frauen teilt diese Meinung.

Dass die in den USA geborene Politikerin indisch-afrikanischer (Jamaika) Abstammung die Wähler wegen ihrer Farbe abschrecken könnte, ist nicht wahrscheinlich. Schließlich haben die Wähler 2008 und 2016 bereits einen Farbigen mit deutlicher Mehrheit zum Präsidenten gewählt. So dass sie jetzt ebenso gut eine farbige Vizepräsidentin akzeptieren werden.

Ein sinkendes Schiff

Und nicht zu vergessen: Hillary Clinton hatte 2016 um 3 Millionen mehr Stimmen als Trump.

Trump siegte damals knapp mit den Wahlmännern in 5 Bundesstaaten, darunter Florida, Pennsylvania, Wisconsin, Ohio und Michigan. Inzwischen weist die Bevölkerung in den "Swing-States" Veränderungen auf, die der Trump-Kampagne das Genick brechen können.

Es gibt jetzt bundesweit, aber vor allem auch in den Swing-States, durch Geburten und Einwanderung mehr Schwarze, Latinos und junge Wähler.

Weiters zeigt sich neuerdings eine moralische Entrüstung vor allem religiöser Wähler über das erratische Verhalten des Präsidenten. Das ständige Auftischen von Fake-News, die manifeste Unehrenhaftigkeit im Weißen Haus sprengen sogar die Hardcorereihen seiner Anhänger.

Und je näher der Wahltermin 3. November 2020 rückt, desto mehr Republikaner werden nun das sinkende Schiff Trumps verlassen. Es zeichnet sich nicht nur ein Sieg Bidens ab, sondern auch eine demokratische Welle in Senat und Repräsentantenhaus. Sie werden damit auch die progressivsten Gesetze im Kongress verabschieden können. So geraten nun die moderaten Republikaner in Panik und verstärken damit den Trend gegen Trump.

Perspektivischer Fluchtpunkt 2036

Es könnte sein, dass damit nicht nur diese Wahl bereits entschieden ist, sondern auch die nächste und übernächste. Kamala Harris könnte auf Biden folgen und bis 2034 regieren. Ungestört von einer auf die Tea Party reduzierten Republikanischen Partei werden die Demokraten nun einen "Sozialstaat des 21. Jahrhunderts" verwirklichen. (Das heißt österreichische Sozialstandards werden nun zum Maßstab für Amerika).

Als große Hürde dabei gilt freilich die Integration von Millionen Indianern, Schwarzen und Latinos, die nie auch nur einen Cent in die Sozialkassen eingezahlt haben (außer der Mehrwertsteuer selbstverständlich). Und eine zweite Hürde sind die hohen Steuern, die nach einer Revolution im Sozialsystem fällig werden.

In einem ersten Schritt werden sie Obamacare verbessern. In einem zweiten eine allgemeine Sozialversicherung nach europäischem Vorbild umsetzen. Sie werden dem Pariser Klima-Abkommen wieder beitreten und Obamas aggressive Klimapolitik fortsetzen.

Die Beziehungen zu Nato und EU werden sich schlagartig verbessern. Und die Europäer werden ihre Militärausgaben nur gering erhöhen (außer Russland besetzt Mariupol, stößt nach Transnistrien vor und kassiert von der Kurischen Nehrung aus alle Häfen an der Ostsee bis Saimaa). Naturgemäß wird Indien ihrer Kamala aus der Hand fressen.

Ob sich in Richtung Moskau neue Chancen ergeben werden, wird man sehen. Vielleicht finden Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Joe Biden einen Weg, die Krim bei Russland zu belassen, aber Privilegien für die ukrainische Bevölkerung auf der Krim wiederherzustellen. Die zwei "Ostprovinzen" der Ostukraine, Lugansk, Donjezk, könnten Russland und die EU mit einem totalen Schuldennachlass von Kiew abkaufen. Und könnten aus Russland, Ukraine und Weißrussland, Georgien, Armenien und Aserbeidschan ein Commonwealth im Rahmen der Europäischen Union bilden.

Bei China werden zumindest keine Beleidigungen mehr hin und herfliegen.

Ob der Atomvertrag mit dem Iran zu retten sein wird – da dürfen wir skeptisch bleiben. Alles hängt am Willen der Ajatollahs, Israel auszulöschen. Werden sie dieses Ziel je aufgeben? Vielleicht, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. Am 13. August konnte Präsident Trump im Weißen Haus verkünden, dass unter Vermittlung seines Schwiegersohnes Jared Kushner, er gehört der jüdischen Glaubensrichtung an, die Vereinigten Arabischen Emirate nun bereit sind, Israel anzuerkennen und umfassende Beziehungen mit Israel aufzunehmen.

Alle Beteiligten rechnen damit, dass demnächst auch Bahrein, der Oman und Saudi-Arabien folgen werden. Marokko könnte sich anschließen. Damit müsste die palästinensische Autonomie langsam aus ihrem Schneckenhaus hervorkriechen und mit Israel neu eine Zwei-Staaten-Lösung für das Heilige Land verhandeln. Kushner hat mit dem Emir von Dubai lange verhandelt und ein Paket für die Palästinenser geschnürt, das diese besser nicht ablehnen sollten. In wenigen Wochen und natürlich noch vor der US-Wahl könnte es dann endlich einen wirksamen Friedensplan für Israel und Palästina geben.

In diesem Umfeld könnte sich dann auch der Iran einen Schwenk zur Anerkennung Israels erlauben. Die Kündigung des Atomvertrags und die verschärften Sanktionen der USA unter Trump und Außenminister Pompeo haben den Iran in die Armut zurückgeworfen, die Tötung des aufstrebenden Generals Suleimani machte klar, dass mit der Supermacht USA nicht zu spaßen ist. Das gälte auch für eine Präsidentschaft Biden/Harris. Wie erinnerlich, war es der Demokrat und Farbige Barack Obama, der einen Todfeind der USA in den Tod geschickt hat. Das heißt, nach der Wahl hätte eine Neuknüpfung der Beziehungen des Iran mit dem Westen wahrscheinlich eine gute Chance.

Wenn jetzt die Felle des Iran am Golf unwiderruflich davonschwimmen, könnte es nämlich eine paradoxe Reaktion in Qum und Teheran geben: Wenn Saudi-Arabien nun diplomatische Beziehungen mit Jerusalem aufnimmt, und die strategisch-militärische Allianz mit Israel öffentlich macht und verstärkt, dann wäre eine mögliche Reaktion der Ajatollahs vielleicht dieser Art: Nicht mehr in sinnloser Konfrontation gegen einen Feind, der eine Supermacht zum ewigen Freund hat, zu verharren, sondern einmal anders herum: der Iran richtet nun ebenfalls eine Botschaft in Jerusalem ein und versucht, Saudi Arabien als Partner Israels zu übertreffen. Dass es den Holocaust wirklich gab, hat Präsident Rohani in Teheran bereits zugegeben.

Momente der Überraschung

Grundsätzlich gibt es in der großen Politik immer wieder Überraschungen. Der Besuch bei Mao Tse-tung im Februar 1972 war so etwas. Der linke Fanatiker Mao verbündete sich mit dem Kalten Krieger Richard Nixon, obwohl der heiße Krieg in Vietnam noch im Laufen war. Die Folge: die Pragmatiker im Hintergrund der KPCh gewannen an Einfluss und nach Maos Tod schließlich die ganze Macht. China verwandelte sich über Nacht in eine Marktwirtschaft und ist gerade dabei, Europa und die USA im Bruttonationalprodukt zu überholen.

Eine andere Megaüberraschung war wohl der Aufstieg von Michail S. Gorbatschow in den Kreml. Noch 1983 drohte ein nuklearer Schlagabtausch mindestens so gefährlich wie die Kubakrise Oktober/November 1962. Es ging um Polen und die Absicht der UdSSR, wieder einmal in ein freiheitssüchtiges Bruderland einzumarschieren. Russische Truppen übten bereits mit DDR-Soldaten.

Dann wurde in Moskau ein Nato-Manöver in der BRD als Vorbereitung für einen Erstschlag fehlgedeutet. Die sowjetische Luftwaffe begann Atombomben zu laden. Dem nicht genug, meldete plötzlich der Spionagesatellit Satellit OKA aus der Kosmos-Reihe den Start von fünf Atomraketen in Manitoba. Kaum war dieser Schrecken durch das umsichtige Handeln des Kommandanten von Serpuchow ausgestanden, wurde noch zum Schluss ein Koreanischer Passsagierjumbo über Sachalin von einer sowjetischen Rotte vom Himmel geholt.

Danach wandelte sich das Szenario schlagartig: Kreml-Boss Juri Andropow starb an Nierenversagen, sein Nachfolger Konstantin Tschernenko, 75, regierte kaum noch ein Jahr. Mittlerweile feierte das mächtigste Politbüromitglied Grigori Romanow die Hochzeit seiner Tochter in der Eremitage. Dabei ging wertvolles, altes Porzellangeschirr nach altrussischer Sitte zu Bruch. Es kam zu einem gewaltigen öffentlichen Aufschrei. Romanow räumte seinen Platz im Politbüro. Damit blieb unter der Riege 80-jähriger Gerontokraten nur mehr der 54-jährige Gorbatschow als glaubwürdiger Anwärter der Macht übrig.

Danach schwemmte in Russland ein reißender Fluss den Kommunismus auf den Abfallhaufen der Geschichte. Russland bewegte sich ächzend und krachend zu Demokratie und Marktwirtschaft. Die Altäre wurden wieder errichtet, man besuchte den polnischen Papst im Vatikan. Mit Amerika wurde eine Rüstungsbegrenzung verhandelt. Bald musste man dem Zusammenbruch des gesamten Ostblocks zusehen, den Fall der Berliner Mauer, und schließlich löste sich auch die Sowjetunion vor den Augen der Welt komplett auf. Tragisch für Gorbatschow, aber er geht als Held in die Weltgeschichte ein. Den Friedensnobelpreis hat er ohnehin schon in der Tasche.

Sowohl in China wie auch in Russland kam die Veränderung jeweils völlig überraschend.

Heute blicken wir auf Putin, Assad, Erdogan, Khamenei, Maduro und Lukaschenko und können uns nicht mehr vorstellen, dass es auch anders geht. Aber die Geschichte hat bewiesen, dass Hoffnung berechtigt ist.

Trumps Geschenke an Israel werden bleiben. Die US-Botschaft wird in Jerusalem fest etabliert.

Kann Nordkorea noch explodieren? Leider Ja. Auch dem Hyperliberalen Jimmy Carter ist es seinerzeit nicht gelungen, dem absurden Regime in Pjöngjang einen dauerhaften Stopp der Atomrüstung schmackhaft zu machen.

Vielleicht gelingt es Trump noch, mit den Taliban zu einer Vereinbarung zu kommen. Aber für den Wahlausgang wird das keine Rolle mehr spielen.

Wie auch immer, eine neue Administration hätte einige Chancen, den Planeten sicherer zu machen.

Er hat keine Chance mehr

Dazu muss Donald Trump die Wahl vom 3. November erst einmal verlieren. Sein anfänglicher, kurzzeitiger Kommunikationschef Anthony Scaramucci legte noch diesen Februar überzeugend dar, warum sein einstiger Chef keine Chance mehr hat, zu gewinnen. Trump sei nur mehr von Quislingen umgeben und niemand im Weißen Haus traue sich, wahre Informationen zu präsentieren, geschweige denn, zu widersprechen. Diese Analyse haben alle anderen Mitarbeiter, die das Weiße Haus wieder verlassen mussten, voll und ganz bestätigt.

Und erst vor wenigen Tagen erschienen zwei Bücher, die Trump sehr weh tun können. John Bolton: "Der Raum, in dem alles geschah". Und gar eine Nichte des Egomanen, die seine psychischen Verhaltensstörungen offenlegt: "Too Much and Never Enough: How My Family Created the World’s Most Dangerous Man" – "Zu viel und nie genug: Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf". Mary Trump verkaufte schon am ersten Tag des Erscheinens eine Million Exemplare.

Trumps menschliche Schwächen liegen klar auf dem Tisch. Und auch der ultrakonservative John Bolton lässt kein gutes Haar an Trumps Politik. Wohl haben wir noch zehn Wochen bis zur Wahl, aber ein Wunder für die Republikaner scheint unwahrscheinlich. Zwar endet heute jeder Artikel über Trump mit der Warnung, ihn nicht zu unterschätzen, und vielleicht gibt es im Oktober einen Impfstoff gegen Covid-19. Und möglichweise fällt Trump noch ein weiteres Friedensabkommen in den Schoß. Mit den Taliban in Afghanistan zum Beispiel.

Aber die Amerikaner dürften sich ihre Meinung bereits gebildet haben. Biden führt seit März stabil mit 10 Prozent. Hillary hatte 2016 ebenfalls geführt, aber der russische Trick mit WikiLeaks durch Herbeizauberung von zigtausend Mails kostete sie schlagartig sechs Prozent. Etwas Ähnliches bei Joe Biden wird den russischen Trollhäusern diesmal nicht mehr gelingen. Was immer aus dieser Ecke drohen könnte, es wird bereits durchschaut, bevor es ankommt. Früher waren die Republikaner die russlandskeptische Partei – heute sind das die Demokraten.

Und nicht zu vergessen: Der Britische Löwe Winston Churchill hat wenige Tage nach seinem Sieg im Mai 1945 über Hitler die Parlamentswahlen gegen Labour verloren. Erfolge sind keine Garantie für einen Sieg an den Wahlurnen.

Paul Fischer ist langjähriger Redakteur, er hat mehrere Bücher geschrieben und ist Mitglied im Vorstand des Wiener Akademikerbundes.

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