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70 Jahre rot-blaue Verschlingungen

Am Anfang war die Anekdote: 1949 fuhr der legendäre SPÖ-Innenminister Oskar Helmer eigens nach Paris, um dem "dritten Lager" das Antreten bei der Nationalratswahl zu ermöglichen. "Sie brauchen nur Ja zu sagen", beschwor er den französischen Außenminister. Robert Schuman antwortete: "Herr Helmer, wenn ich so leicht Ja sagen würde, wäre ich nicht heute noch Junggeselle."

Nur vier Jahre vorher, nach Kriegsende 1945, hatte die SPÖ plakatiert: "Zehntausende Österreicher befinden sich fern der Heimat in Kriegsgefangenenlagern und werden zum Wiederaufbau Österreichs benötigt. Zehntausende Nazi befinden sich in der Heimat und sabotieren den Wiederaufbau Österreichs. Wir fordern den Austausch. Sozialistische Partei Österreichs."

Bei der ersten Nationalratswahl im Dezember 1945 waren die ehemaligen Nationalsozialisten nicht stimmberechtigt. Die ÖVP erzielte die absolute Mehrheit. 1949 fuhr Helmer nach Paris. Waren die Genossen auf einmal Superdemokraten geworden, als sie versuchten dem FPÖ-Vorläufer "Wahlpartei der Unabhängigen" den Weg ins Parlament zu ebnen?

Die Antwort auf die Frage nach dem plötzlichen Sinneswandel war am Tag nach der Wahl im SPÖ-Zentralorgan "Arbeiter-Zeitung" zu lesen: "Wir haben eine Nacht vor Zorn geweint." Die Genossen waren ihrer eigenen Propaganda auf den Leim gegangen.

Die ÖVP hatte tatsächlich acht Mandate eingebüßt. Die SPÖ aber neun. Die Sozialisten, so nannten sie sich ja bis Ende der 1980er Jahre, hatten vergessen, dass ihre Vorgängerorganisation SDAP bis 1933 den Anschluss an Deutschland im Programm stehen und beim "Anschluss" 1938 die Parole "Lieber Hitler als Habsburg" ausgegeben hatte. Und dass nach Meinung des Wiener Bürgermeisters und späteren Bundespräsidenten Theodor Körner ein Drittel der Wiener Roten zur NSDAP übergelaufen war. Und dass nach 1945 der Bund Sozialistischer Akademiker minder- und schwerbelastete Braune wie ein Staubsauger aufgesogen hatte.

Das "dritte Lager" wurde zwar nicht nur von Altnazis gewählt, aber der Chef war immerhin der SS-Obersturmbannführer Friedrich Peter, doch für die SPÖ galt weiterhin "Lieber Hitler als Habsburg". Als der Verwaltungsgerichtshof 1963 die verfassungsgemäße Loyalitätserklärung Dr. Otto Habsburgs für ausreichend erkannte und damit die Landesverweisung aufhob, entfachte die SPÖ eine unglaubliche Hetze gegen das Höchstgericht. (Lediglich Gewerkschaftspräsident Anton Benya meinte, dass sich der SP-Parteitag mit anderen Problemen beschäftigen sollte als mit der Habsburg-Frage.) Am 5. Juni 1963 versuchte die SPÖ im Parlament das Urteil zu unterlaufen, und erstmals nach dem Krieg ergab sich – unter Bruch des Koalitionsabkommens durch die SPÖ ‒ eine rot-blaue Umarmung im Nationalrat.

Damit hatte die SPÖ 1963 eine neue Strategie eingeschlagen: Stimmte die FPÖ mit ihr, war diese eine gute und liberale Partei. Unterstützte sie eine ÖVP-Initiative oder einen ÖVP-Politiker, war sie böse und national(sozialistisch). Stichwort "Bürgerblock".

Die in den nächsten drei Jahren folgenden Fehlleistungen der Sozialisten sind in den Geschichtenbüchern nachzulesen. 1966 gewann die ÖVP zum zweiten Mal nach 1945 die absolute Mehrheit. 1970 versprach die FPÖ vor der Wahl auf ihren Plakaten: "Kein roter Bundeskanzler". Als Kreisky dank dem Trick mit der Verkürzung der Wehrdienstzeit auf sechs Monate die relative Mehrheit erreichte, hielt diese FP-Zusage nach Schließung der Wahllokale genau zwei Stunden. Die blauen "Unberührbaren" wurden plötzlich Partner der Roten. Das Budget der Minderheitsregierung Kreisky, also die in Zahlen gegossene (rote) Regierungspolitik, wurde im Herbst 1970 gemeinsam von SPÖ und FPÖ beschlossen. Der Preis, den Österreich bis heute dafür bezahlt, war die sinnlose Erhöhung der Nationalratssitze von 165 auf 183.

Die geplante rot-blaue Koalition kam aber auch 1971 nicht zustande: Kreisky eroberte die absolute Mehrheit. Erst 1983 war es so weit. Nach drei Jahren und dem Waldheim-Sieg bei der Präsidentenwahl war das glücklose Kabinett Sinowatz-Steger 1986 nur noch eine Fußnote der Geschichte.

Von 1970 bis 1986 gab es Zickzack genug. Zunächst bekam Bregenz, die Hauptstadt des schwarzen "Ländles", einen roten Bürgermeister: Dreizehn rot-blaue Gemeinderäte stimmten zwölf ÖVP-Gemeinderäte nieder. (In der Folge bekamen nach gleichem Muster unter rotem Bürgerblockgeschrei Graz einen blauen und Klagenfurt einen schwarzen Bürgermeister.)

1986 kam das Phänomen Jörg Haider, der die FPÖ vor dem völligen Verfall rettete, aber 14 Jahre einer holprigen und glanzlosen rot-schwarzen Koalition einleitete. Bis 2000 Wolfgang Schüssel den Mut aufbrachte, den Stillstand aufzubrechen.

Man wird nie auf das Komma genau feststellen können, ob die Lügenkampagne gegen Schüssel, die vom ORF angeführte Medienopposition oder die Spaltung der FPÖ dann das Ende des schwarz-blauen Experiments herbeiführten. Jedenfalls folgten neun schlimme Jahre unter den talentlosen SP-Regierungschefs Gusenbauer, Faymann und Kern. Ihnen standen teils farblose, teils machtlose und teils grundsatzlose Partner gegenüber, welche die Bundes-ÖVP unaufhaltsam dem Schicksal der Einstelligkeit zutrieben.

Die FPÖ konnte Teilerfolge erzielen wie die rot-blaue Koalition im Burgenland und wechselnde Mehrheiten in einigen Gemeinden.

Die Nationalratswahl 2017 war ein Aufschrei der genervten Bevölkerung. Die türkisblaue Regierung Kurz war in der Folge auf dem besten Weg, den Staat auf vielen Gebieten wieder in die Gänge zu bringen, bis der zweifarbige Staatswagen durch die unfassbare Ibiza-Dummheit und die Teamunfähigkeit eines klugen, aber überehrgeizigen Ministers im Straßengraben landete.

Lässt er sich wieder flott machen? Schock und Enttäuschung sitzen in beiden betroffenen Parteien tief. In den blauen Kernschichten scheint inzwischen die Unterstützung einer politisch und moralisch abgewirtschafteten SPÖ erste Option zu sein. (Die dritte, masochistische heißt Opposition.)

Daran scheinen auch so deutliche Abwertungen der Freiheitlichen wie durch den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig Mitte Juli 2019 nichts zu ändern: "Das sind nicht Rechtspopulisten, das sind Rechtsextreme."

Der historische Ablauf der rot-blauen Verschlingungen 1949 – 2019 wurde oben aufgelistet. Auch die Wege in die Zukunft scheinen verschlungen. Die SPÖ wird im Zweifelsfall jede Krot‘ schlucken, um ihre Funktionärsklientel wieder an die Futtertröge zu bringen. Das ist ja ihre einzige verbliebene Politvision.

Faktum ist: SP-Drozda und FP-Kickl haben beim Sturz der Übergangsregierung die Fäden gezogen.

Ob sie solche Manipulationen nach dem 29. September wiederholen können, wird das Volk entscheiden.

Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war Mitarbeiter der ÖVP-Politiker Gorbach, Klaus und Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der katholische Journalist publiziert zu zeitgeschichtlichen, lokalgeschichtlichen und volkskulturellen Themen.

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