Nach der Nationalratswahl droht Österreich politische Lähmung

Autor: Stefan Beig

Warum Babler Kanzler einer Zweierkoalition werden kann

Autor: Klaus Lange

Die sexuelle Revolution frisst unsere Kinder

Autor: Werner Reichel

Wind und Atom – die Gegensätze

Autor: Gerhard Kirchner

Wie die Politik Betriebe schädigt

Autor: Andreas Tögel

Frohe Ostern!

Autor: Markus Szyszkowitz

90 Jahre Februar-Aufstand – 90 Jahre Juli-Putsch

Autor: Herbert Kaspar

Wer die Mär von der Frau als Opfer weitererzählt, ist kein Feminist

Autor: Christian Klepej

Nicht Messer, sondern Menschen töten

Autor: Andreas Tögel

Und wieder eine Print-Zeitung weniger ...

Autor: Günter Frühwirth

Alle Gastkommentare

Ratlosigkeit im Elfenbeinturm

Der Spiegel hat schon bessere Zeiten erlebt. 730.000 Stück Auflage im letzten Quartal des vergangenen Jahres. Ein neuer Tiefpunkt. Ein Jahr zuvor verkaufte das Flaggschiff des deutschen Journalismus noch um rund 50.000 Hefte mehr. Das Magazin ist mittlerweile recht dünn geworden. Nicht nur inhaltlich. Die Einsparungen beim Personal machen sich bemerkbar. Ein Ende der rasanten Talfahrt ist nicht in Sicht. Der Spiegel bildet keine Ausnahme, der gesamten deutschen und österreichischen Mainstreampresse geht es ähnlich. Einigen sogar noch viel dreckiger.

Etwa dem Stern. Dessen Auflage erodiert dramatisch schnell. Über 100.000 Stück Auflage weniger. Innerhalb eines Jahres! Man schafft nur noch knapp, die halbe Million zu überschreiten. Anfang des Jahrtausends lag der Stern noch bei weit über einer Million verkaufter Exemplare. Das definitive Ende des Magazins ist nur noch eine Frage der Zeit. Bis dahin will man aber offenbar weitermachen wie bisher. Der Stern hat nicht vor, die Blattlinie zu adaptieren und schreibt weiter gegen die Interessen, Einstellungen und Meinungen seiner Leserschaft bzw. was von ihr noch übrig geblieben ist.

Das linke Medienpersonal ist so von sich und seiner gesellschaftspolitischen Vision und Mission überzeugt, dass man auf Kleinigkeiten wie Marktanteile, Leserzahlen, Werbeeinnahmen oder Kundenzufriedenheit keinerlei Rücksicht nimmt. Man hat sich schon zu weit aus dem Fenster gelehnt, um noch einen glaubwürdigen journalistische U-Turn hinzulegen. Außerdem sind die Journalisten trotz des Niedergangs ihrer Branche noch immer der festen Überzeugung, die einzig richtige Meinung bzw. Ideologie zu vertreten und diese auch verkünden zu müssen.

Blöd nur, wenn diese Meinung kaum noch jemand hören will, weil sich die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen dramatisch geändert haben. Nicht zuletzt wegen dieses linken Meinungsjournalismus. So lange man als dicht zusammengedrängte Journalistenherde, geführt von ein paar linken Leithammeln, unterwegs ist, kann man persönlich ja nichts falsch machen. Dieses Verhalten kennt man auch aus dem vergangenen Jahrhundert.

Doch das Ende naht und angesichts des dramatischen Leserschwunds tut man sich auch in den Redaktionsstuben zunehmend schwerer, die unschöne Realität draußen zu halten. Anderseits sollte man auch nicht die Kreativität der Redakteure und Blattmacher unterschätzen, immer neue Ausreden und Erklärungen zu erfinden, warum alles und jeder Schuld am Niedergang der klassischen Medien trägt, nur nicht jene, die sie machen. Selbstreflexion oder Selbstkritik sind nicht so das Ding linker Journalisten. Zu lange haben sie ihre Blase mit der Realität verwechselt. Jetzt wo diese Blase löchrig geworden ist, und einem plötzlich Kritik und Widerstand entgegenschlägt, wundern sich viele, warum ihre Meinung und Expertise zum Ladenhüter geworden ist, ja Ablehnung bis hin zur Wut auslöst.

Der Spiegel hat nun versucht, genau das zu ergründen. Eine Premiere. In der Ausgabe 9/2018 stellt sich das Magazin einige unangenehmen Fragen. Kein Wunder, laut einer aktuellen Umfrage stimmen 71% der Deutschen der Frage ganz oder teilweise zu: "In meinem persönlichen Umfeld nehme ich die gesellschaftlichen Zustände ganz anders wahr, als sie von den Medien dargestellt werden." Einfacher formuliert: Fast Dreiviertel der Deutschen sind davon überzeugt, dass die Medien lügen. Ja, da wird selbst der Spiegel wach und titelt: "Die Wut der klugen Köpfe".

Aber es will ihm einfach nicht gelingen, das Naheliegende zu sehen und zu begreifen. Wohl aus psychohygienischen Gründen. Da fragt sich die Spiegel-Journalistin Isabell Hülsen: "Wenn ein Teil der Wut gar nichts mit der Qualität des Journalismus zu tun hat, sondern mit gesellschaftliche Umständen?"

Ja, vielleicht ist das Tier, das aussieht wie eine Ente, quakt und watschelt wie eine Ente, gar keine Ente? Vielleicht. Was Frau Hülsen da versucht, ist nur ein simpler Selbstbetrug. Sie und ihre Kollegen sind zu gescheit, zu intellektuell und gebildet für die dummen Leser, die die komplexe Welt und die anspruchsvollen Texte des Spiegels einfach nicht verstehen können und deshalb "wütend" werden. Man kennt dieses Erklärungsmuster auch aus der Politik. Wahlverlierer zweifeln selten an ihrer Politik, sondern stellen zumeist ihre Kommunikationsstrategie in Frage: Man habe seine großartigen politischen Botschaften eben, dem geistigen Niveau der Menschen entsprechend, nicht einfach genug rübergebracht.

Was an dem etwas hilflosen Versuch des Spiegels, die Ursache der Medienkrise zu ergründen, überrascht, die meisten seiner ersten Erkenntnisse gehören außerhalb der Medienblase schon seit vielen Jahren zum Allgemeinwissen. Das zeigt deutlich, wie sehr sich der polit-mediale Machtkomplex von der realen Welt abgekapselt hat. Wie sehr man den Bodenkontakt verloren hat.

Erst jetzt dämmert es den Spiegel-Leuten, dass sie ihr Feindbildreservoir, das bisher die geistig Derangierten, die Modernisierungsverlierer, die Minderbemittelten und Nazis umfasste, dramatisch ausweiten müssen. Erst jetzt, angesichts desaströser Zahlen, dämmert es ihnen, dass auch gebildete, erfolgreiche und ganz normale Menschen dem Spiegel und anderen linken Mainstreammedien den Rücken gekehrt haben, weil sie diese ideologiedurchtränkte Schreibe und Propaganda verachten.

Redakteuse Hülsen ist bass erstaunt, dass Menschen mit Abitur, Menschen, die Karriere gemacht haben, Menschen die erfolgreich sind, den Spiegel wegen seines linken Meinungsjournalismus kritisieren und ablehnen. Bürger, die ihre Kritik sehr genau begründen können und Frau Hülsen und ihren Kollegen argumentativ überlegen sind, ja sogar auf der sozialen Leiter weiter oben stehen: "Das journalistische Selbstverständnis speiste sich bisher aus der Annahme, dass kluge Menschen ohne klassische Medien nicht leben können. Journalisten glaubten zu wissen, für wen sie berichten, enthüllen, kommentieren. Viele Redaktionen aber machen nun die Erfahrung, dass ein wachsender Teil dieser Leser diese vermeintliche Beziehung gekündigt hat."

Das ist für die Spiegelredakteure, trotz der schwindenden Leserzahlen, offensichtlich eine neue Erkenntnis. Man hat es sich bisher einfach gemacht und alle Kritiker als debil, dumm, xenophob, rassistisch etc. abqualifiziert und verhöhnt. Das ersparte einem jegliche inhaltliche Auseinandersetzung. Man lebte sogar davon, diese Menschen vorzuführen, sie abzuwerten, sie zum Sündenbock für viele gesellschaftlichen Entwicklungen zu machen. Damit wollte man sich selbst und seine Leser moralisch erhöhen. Dieses Geschäftsmodell will nicht mehr so richtig funktionieren.

Mit dieser Strategie, mit diesem Selbstbetrug, hat man es über Jahre geschafft, den voranschreitenden Glaubwürdigkeitsverlust der Mainstreammedien zu verdrängen, weil man ohnehin nur das Sprachrohr für die Gebildeten, Intellektuellen, Aufgeschlossenen, sprich für die selbsternannte geistige und moralische Elite der Lande sein wollte. Alle, die nicht im "Zweifelsfall links" sind, alle jene, die nicht Teil der selbstverliebten urbanen linken Blase waren, für die hatte man ohnehin nur Verachtung übrig. Doch die Bruch- und Frontlinien innerhalb der Gesellschaft haben sich dermaßen verschoben, dass selbst Spiegel-Journalistinnen überlegen müssen, ihre Denkschablone – links=gut und gescheit vs. rechts=böse und dumm – auszumustern.

Das tritt nun, bei diesen ersten zaghaften und unbeholfenen Versuchen der Selbstkritik, offen zu Tage. Der Spiegel fragt sich: "Was ist passiert in diesem Land, dass die Zweifel an der journalistischen Redlichkeit in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen sind?"

Gleichzeitig aber drischt man aus alter Gewohnheit verbal auf seine Kritiker ein: "Menschen, die sich auf Marktplätze stellen und Journalisten bepöbeln." Oder: "Das ‚Lügenpresse‘-Gebrüll eines Marktplatz-Mobs, der keine Argumente kennt, nur Wut."

Wer ist da wütender, wer hat da keine Argumente? Der "Mob" oder Frau Hülsen, bei der es sich um eine wahre Menschenfreundin zu handeln scheint? Wie so oft sind diese Anwürfe und dieses Gegeifere schlicht Projektionen der eigenen Ängste und des eigenen Hasses. Sie spricht es nicht aus, aber es trieft nur so aus ihrem Text: Das ist menschlicher Abschaum. Und alle jene, die diesen "Abschaum" journalistisch bedienen, sind fiese und skrupellose Abzocker: "Alternative Blogs wie die ‚Achse des Guten‘ oder ‚Tichys Einblick‘. Aus der Wut auf klassische Medien haben sie ein neues Geschäftsmodell gemacht. Roland Tichy, früher Chef der ‚WirtschaftsWoche‘, beschimpft Journalisten (…)."

Ohne Abwertung, ohne verbale Kraftmeierei geht es offenbar nicht. Selbst wenn die nächsten 100.000 Leser vor eine solcher Aggressivität und Uneinsichtigkeit die Flucht ins Internet ergreifen. Sowohl die "Achse des Guten" als auch "Tichys Einblick" sind hochseriöse, liberale bis konservative Medien. Ihr einziger Fehler, sie schwimmen nicht im, sondern gegen den linken Meinungsmainstream. Das reicht aus, damit sich eine Spiegelredakteurin in Rage schreibt. Die linken Redakteure kommen erst von ihrem hohen Ross, wenn der Gaul mangels Ernährung zusammenklappt. Es ist unglaublich, mit welcher Verachtung sie Menschen begegnen, die eine andere Meinung vertreten. Dabei geht es längst nicht mehr um Fakten, sondern nur noch um Gefühlslagen, Emotionen, um den richtigen Lifestyle.

Und am Ende landet man argumentativ immer wieder dort, wo man auch in den vergangenen Jahren stets gelandet ist: Im Grunde ist nur der Leser, der Wähler zu blöd um die komplex Zusammenhänge zu verstehen. Man muss sie noch mehr belehren, noch stärker an der Hand nehmen. Sprich, man tut alles, um den eigenen Niedergang zu beschleunigen, man gießt Benzin in das ohnehin schon im Vollbrand stehende Haus.

Das hat man mit Frau Merkel gemein. Darum versteht man sich politisch auch so gut. Der polit-mediale Machtkomplex ist unfähig zur Selbstkritik, trägt seine nicht sehr fundierten Überzeugungen wie eine Monstranz vor sich her und geht mit stolzgeschwellter Brust in den Untergang und reißt ein ganzes Land, einen ganzen Kontinent gleich mit. Während man mit seinen Scheuklappen dahin marschiert und auf seinem Weg ein Trümmerfeld hinterlässt, fragt man sich: "Was macht selbst Menschen, denen es nach objektiven Maßstäben in dieser Gesellschaft nicht schlecht geht, so wütend, dass sie derart drauflosschimpfen? Und: Muss man das ernst nehmen?"

Muss man die Menschen, die Bürger und Leser ernst nehmen? Das fragt sich der Spiegel. Ernsthaft. Im Jahr 2018.

Werner Reichel ist Autor und Chefredakteur von Frank&Frei – Magazin für Politik, Wirtschaft und Lebensstil.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung