Kreisky und die Haltung der SPÖ zu den Freiheitlichen

Es ist immer wieder erstaunlich, wie oft der Name Kreisky (positiv) und die FPÖ (negativ) in einem Atemzug genannt werden, ohne dass über die Wurzeln der Beziehung zwischen beiden nachgedacht wurde.

Kreisky war es, der die FPÖ vor dem Rausfliegen aus dem Parlament bewahrte. Wäre das Wahlrecht der 1960er nicht geändert worden, dann hätte diese damals recht seltsam wirkende Fünf-Prozent-Partei FPÖ keine Chance gehabt, im Parlament zu bleiben. Das war damals der harte Kern der Ewiggestrigen. Erkennbar an den stramm treudeutschen Vornamen. Man hieß dort Tassilo, Harald, oder wenigstens Norbert.

Kreisky brauchte für seine erste Regierung – eine Minderheitsregierung – eine stützende Partei. Es wurde die FPÖ. Deren Chef war im Krieg als SS-Obersturmführer bei einer ausgewiesenen Mördertruppe. Kreisky reichte ihm die Hand. "Ein Stück des Weges gemeinsam gehen", wurde das genannt.

Da aber dieser Deal dann doch etwas dreist daherkam, einigte man sich bei der SPÖ auf die Sprachregelung, dass Friedrich Peter eben immer Urlaub hatte, wenn seine Einheit Gräueltaten beging. Dass diese Einsatzgruppen keinen anderen Auftrag hatten, als Juden im Osten dorfweise zusammenzutreiben und zu erschießen, fiel unter den Tisch. Friedrich Peter wäre damit der rekordverdächtig längste Fronturlauber des 2. Weltkrieges gewesen.

Im Gegenzug für die Unterstützung bot Kreisky ein für die FPÖ maßgeschneidertes, günstigeres Wahlrecht für Kleinstparteien. Nur in den kühnsten Träumen mag man sich vorstellen, was passiert wäre, hätte Kreisky die FPÖ nicht vor dem Ausscheiden aus dem Parlament bewahrt. Wäre diese Partei verschwunden? Man könnte z.B. davon träumen, dass sich später ein Haider nicht aus einem wohlbestallten Parlamentsklub einer etablierten Partei heraus derart raketenhaft entwickeln hätte können.

Die SPÖ laboriert immer noch an Kreisky. Er ist ein Mythos, weshalb sich keiner dort zu sagen traut, was die SPÖ heute zerreißt. Kreisky hat dafür gesorgt, dass viele materiell bessergestellt wurden. Ohne dass im Gegenzug erwartet wurde, dass mit der Wählerstimme auch Haltung verbunden sein sollte.

Heute gibt es bis ins letzte Glied dieser Partei zwei Gruppen: die Pragmatiker, die für die Macht jeden Deal eingehen – z.B. auch mit der FPÖ – und die Aufrechten, die lieber sauber bleiben und auf einer ideologisch korrekten Basis arbeiten. Zuletzt gut beobachtbar bei der Bürgermeisterkür in Wien.

Das erstaunliche dabei: Kreisky wird von beiden Fraktionen verehrt. Wie etwas zu schlicht geratene Bibelleser finden alle für jede Gelegenheit das passende Kreisky-Wort. Die so herangezogenen Wähler spielen dabei aber nicht mehr mit. Die tun, was ihnen beigebracht wurde: Sie wählen doch glatt die FPÖ, weil sie dort die Chance auf ihren Vorteil sehen.

Am Ende leidet darunter österreichische Politik insgesamt. Wer als politische Partei gegen die SPÖ antritt, weiß nie, mit wem er es gerade zu tun hat. Das ist wie ein Fußballmatch, wo eine der beiden Mannschaften 90 Minuten lang durcheinanderläuft. Und sich dabei bei allen Anwesenden laut beschwert. So sieht das Publikum nie ein interessantes Match.

Manche Zuschauer fangen langsam an zu glauben, dass die Sportart entwickelte Demokratie nicht sehenswert ist. Wenn sich dann führende Persönlichkeiten der SPÖ immer wieder in die antifaschistische Pose werfen und alles Demokratiefeindliche im Brustton der Überzeugung verurteilen, möchte man fast lachen.    

Der Autor ist ehemaliger NMS-Lehrer für Englisch und Geographie/Wirtschaftskunde in Wien.

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