Kern kann nicht Kanzler

Kann sich eigentlich noch jemand erinnern? Vor gar nicht allzu langer Zeit haben sich die Genossen an ihrem Wortführer berauscht, vieles schien möglich, der Weg für die SPÖ zurück an die Spitze zumindest nicht aussichtslos. Anfang des Jahres sollte die Welser Wunderrede mit dem Plan A im Gepäck den Anfangspunkt für ein denkwürdiges Comeback markieren. Kern inszenierte sich geschickt und holte die SPÖ aus dem Tief. Der Boulevard berauschte sich ebenso am Neuen, Umfragen bestätigten den roten Höhenflug.

Doch was dann passierte, sprengte alle Grenzen der Vernunft. Der SPÖ-Chef verspielte binnen Wochen sein politisches Kapital. Er ließ in entscheidenden Augenblicken sowohl Leadership als auch Mut zum Risiko vermissen, machte alles falsch, was man nur falsch machen konnte. Er klebte fest am Kanzlersessel. Seitdem pflastern Pannen und Inkompetenz seinen Weg nach unten.          

Letzter Aufreger: Die Affäre um den zwielichtigen Kampagnenberater Tal Silberstein. Dass der israelische Spindoktor seit langem durch die sozialdemokratische Wahlkampfgeschichte geistert und seitdem maßgeblichen Einfluss auf die Kampagnenführung hat, besitzt kaum Neuigkeitswert. Ebenso wenig wird der interessierte Österreicher überrascht sein, dass der Wahlkampfberater für seine Tätigkeiten im Auftrag der SPÖ Hunderttausende Euro an Steuergeld kassiert hat.

Der Hinweis, dass ein roter Ex-Kanzler im Unternehmensnetzwerk, das Herr Silberstein mit einem Partner betreibt, belohnt wurde, ist nicht ganz uninteressant. Besonders wenn man sich daran erinnert, dass Silberstein damals sein Kanzlermacher war.

Ganz ohne Zweifel haben die SPÖ-Spitzen, darunter auch Christian Kern, die Arbeit eines Beraters geschätzt, gegen den seit Monaten kriminelle Anschuldigungen erhoben werden. Die Sozialdemokraten hielten an ihm fest, andere im Team mussten gehen, auf seine Expertise wollte man nicht verzichten. Warum, lässt sich angesichts der schlampigen Kampagnenführung, der handwerklichen Fehler und unfassbaren kommunikativen Pleiten allerdings schwer sagen.                                              

Charakteristisch für die sozialdemokratische Hybris ist die Reaktion des Bundeskanzlers auf die Verhaftung seines engen Beraters. Mit hochgekrempelten Ärmeln setzte sich der SPÖ-Chef vor die Kamera und sprach via Facebook zur Öffentlichkeit. Was folgte, war ein Armutszeugnis. "Selbstverständlich" sei die Zusammenarbeit mit Tal Silberstein "ein politischer Fehler" gewesen; aber wirklich eng hätte die SPÖ mit Silberstein ohnehin nicht gearbeitet. Ein paar Umfragen hier, ein paar Fokusgruppen da, mehr sei der Berater nicht involviert gewesen.

Wäre das alles nicht so lächerlich und so leicht zu durchschauen, man hätte verzweifeln müssen. Kern ließ auch dieses Fettnäpfchen nicht aus, er schoss sich das nächste Eigentor. Von Reue oder Einsicht keine Spur. Im Gegenteil. Schnell zeigte Kern mit dem Finger in Richtung ÖVP und startete ein trotziges Ablenkmanöver. Es dauert nicht lange und Kern war wieder im Klassenkampf-Modus.          

Wie reagierte der ÖVP-Obmann darauf? Diszipliniert, gelassen, professionell. Mit einem Schulterzucken und dem Lächeln eines künftigen Siegers. Kurz strahlt Überlegenheit aus, Kern wirkt überfordert und orientierungslos. Knapp zwei Monate vor der Wahl scheint die Wahl entschieden.

Während die SPÖ weiterhin am ungefährdeten Sieg der Volkspartei arbeitet, braucht Sebastian Kurz nicht mehr zu tun, als ruhig abzuwarten. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs hat sich überlebt, sie passt nicht mehr in die heutige Zeit. Spätestens nach dem Wahltag wird sich auch Christian Kern der Realität stellen müssen. Ob er den Scherbenhaufen seiner Partei nach der Wahl selbst zusammenkehren wird, ist ungewiss.

Mag. Jürgen Pock ist Kommunikationsexperte und Polit-Blogger.

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