Politische Zeitenwende

Mit seinem Kopftuch-Appell hat Alexander van der Bellen sich selbst, seine Unterstützer und Wähler bis auf die Knochen blamiert und sein Amt schwer beschädigt. Es war eines der wichtigsten Argumente im Wahlkampf, dass er – im Gegensatz zu seinem Herausforderer Norbert Hofer – Österreich international nicht nur nicht blamieren, sondern würdig vertreten würde. Das ist auch der Grund, warum die heimischen Zeitungen, die allesamt Van der Bellen unterstützt hatten, nun äußerst zurückhaltend über die verbale und politische Entgleisung ihres Idols berichten.

Dieser Ausspruch ist so unterirdisch, dass sich selbst die glühendsten Van der Bellen-Befürworter nicht getrauen, ihn zu verteidigen, obwohl sie im Relativieren und Uminterpretieren äußerst geübt sind.

Ganz anders hat die internationale Presse reagiert. Zeitungen von Berlin bis Washington berichten über den geistigen Tiefflug des österreichischen Staatsoberhauptes. Zustimmung zu den originellen Ideen Van der Bellens kommen wohl nur aus dem „Islamischen Staat“, Saudi-Arabien und Afghanistan. Eine gefährliche Mischung aus politischer Naivität, marxistischer Vergangenheit, zeitgeistiger Weltsicht und etwas Verwirrtheit dürften für diesen Sager verantwortlich gewesen sein.

Dazu passt auch die Geschichte, die Märchenonkel Sascha bei der selben Veranstaltung den anwesenden Kindern und Jugendlichen erzählt hat. Laut Van der Bellen hätten viele Dänen während der Nazi-Besatzungszeit aus Solidarität mit den Juden einen Davidsstern getragen. Dass der österreichische Bundespräsident allen Ernstes die jetzige Situation der Muslime in Europa mit jener der Juden unter Hitler vergleicht, ist haarsträubend dumm und vor allem eine unglaubliche Verharmlosung des Holocausts. Noch dazu ist die Geschichte frei erfunden.

Van der Bellen scheint gar nicht zu begreifen, worum es bei der Kopftuchdebatte geht. Das haben seine peinlichen Versuche, den Schaden zu begrenzen, deutlich gezeigt. So sagte er: „Sollen wir keine größeren Probleme haben als die Frage Kopftuch.“ Ja, Herr Bundespräsident, es gibt tatsächlich kaum wichtigere Probleme, als die Frage, wie Europa mit dem (politischen) Islam umgeht. Sie ist für die Zukunft des aufgeklärten Europas existenziell.   

Der nicht unbegabte Intellektuellen-Darsteller Van der Bellen, den die Linke in einer gemeinsamen Kraftanstrengung, mit viel Hass und Propaganda in das Amt des Staatsoberhauptes gehievt hat, repräsentiert seine Sympathisanten sehr gut. Er steht, so wie das ganze linksgrüne Lager, fernab jeder Realität und flüchtet sich in neosozialistische Utopien mit all den altbekannten linken Feindbildern, Klischees und Vorurteilen. Nur noch mit ideologischen Scheuklappen gelingt es, den für alle anderen längst sicht- und spürbaren Niedergang zu ignorieren.

Die Gutmenschenblase wird immer löchriger und bietet kaum noch Schutz vor der Realität. Das sollte auch Van der Bellen langsam mitbekommen, seine Beliebtheitswerte sind in den Keller gerasselt. Mit seinem Kopftuch-Sager hat er die österreichische Linke ein Stückchen näher an den Abgrund geführt.

Der Niedergang der roten und grünen Sozialisten und ihre völlige Unfähigkeit, auf rezente Probleme und Krisen adäquate Antworten zu finden, spüren trotz der politischen und medialen Nebelbomben immer mehr Bürger, selbst jene, die ihr bisheriges Leben aus tiefer Überzeugung linke Parteien gewählt haben.

Das versetzt ebendiese in Panik. Die Grünen werden gerade von Spannungen und Konflikten zerrissen, die SPÖ ist tief gespalten, wie der Parteitag der Wiener Sozis deutlich gezeigt hat. Man ist angesichts des Trümmerhaufens, den man in den vergangenen Jahren angehäuft hat, rat- und orientierungslos. Bundeskanzler Kern als Pizza-Bote und die oberösterreichischen Roten mit dem Slogan „Birgit ist gegen Scheißjobs" versuchen so etwas wie Volksnähe zu simulieren. Versuche, die angesichts der realen Verhältnisse kläglich scheitern, scheitern müssen. Selbst der nicht gerade als SPÖ-Kritiker bekannte Zeitungsmacher Wolfgang Fellner schreibt bereits vom „Todes-Parteitag“ der SPÖ.  

Nachdem der real existierende Sozialismus in Osteuropa implodierte, erfanden sich die westlichen Sozialisten mit Genderismus und Multikulti neu und scheitern an den immanenten Widersprüchen ihrer Ideologie gerade noch spektakulärer als ihre osteuropäischen Vorgänger. Der Schaden, den die Neosozialisten beim Versuch, ihre abstrusen gesellschaftspolitischen Utopien zu verwirklichen, angerichtet haben, ist mittlerweile irreversibel. Europa ist gespalten, ruiniert, soziale und religiöse Konflikte und Kriege sind nur noch eine Frage der Zeit. Der islamistische Terror ist nur die Ouvertüre. Angesichts dieser wenig erfreulichen Aussichten kippt die Stimmung in der autochthonen Bevölkerung.

Selbst „Die Zeit“, das Zentralorgan linker Staatsgläubiger, veröffentlicht nun vorsichtig kritische Artikel über politische Korrektheit oder linke Politik. Im Staatsfunk machen sich gebührenfinanzierte Spaßmacher zum ersten Mal in ihren Leben über Grüne lustig. Die bisherigen politischen und moralischen Lichtgestalten sehen sich plötzlich mit Kritik konfrontiert, auch wenn sie derzeit noch recht oberflächlich und harmlos ist. Man baut vor. Wenn sich die politischen Machtverhältnisse weiter verschieben, kann man nach dem Change zu seiner Verteidigung ins Treffen führen: Bitte, ich hab´ – wenn auch reichlich spät – ja eh ... Und sie werden sich verschieben.

Angesichts der völlig aus dem Ruder gelaufenen linken Willkommenskultur konvertieren nun Menschen, die ihr ganzes Leben lang linke Parolen nachgeplappert haben, über Nacht in das aus ihrer Sicht konservative Lager. Menschen, die noch vor wenigen Monaten vor dem Holocaust gewarnt haben, sollte Norbert Hofer Präsident werden, fallen nun mit ausländerfeindlichen Parolen auf. Selbst Bundeskanzler Kern, der als ÖBB-Chef tausende ungehindert ins Land gelassene Armutsmigranten durch Österreich gekarrt und sich dafür hat feiern lassen, will nun Camps für Flüchtlingsanwärter außerhalb Europas errichten lassen. Wie schnell sich doch die Zeiten und Meinungen ändern.

Konvertiten versuchen oft ihre unrühmliche Vergangenheit durch besonderen Eifer zu kompensieren. Dabei agieren diese Last Minute-Dissidenten weiterhin verlogen, sind nicht zu einer ehrlichen Selbstkritik fähig. Man entledigt sich seiner einstigen Überzeugung und stiehlt sich aus der Verantwortung. Die eigene Rolle an diesem gesellschaftspolitischen Desaster spielt man gerne herunter.

All die vielen Linken, die gerade unsanft aus ihren Träumen gerissen werden, können und wollen sich nicht eingestehen, dass sie selbst am Niedergang auf vielfältige Weise mitgewirkt haben: Sei es durch ihr Wahlverhalten, durch Stammtischparolen, Medienkonsum, ihr Verhalten im Freundeskreis, ihren Hass auf die Überbringer der schlechten Botschaften, durch Facebook-Likes, Twitter-Botschaften oder auch nur durch Schweigen. Zudem ist ihnen nicht klar, dass es nicht reicht, nur an ein paar Stellschrauben zu drehen – etwa die Grenzen zu schließen – um die begangen Fehler zu korrigieren. Es ist vielmehr ein tiefgreifender politischer Wandel notwendig, der alle gesellschaftlichen Bereiche betrifft. Ein langwieriger und schmerzhafter Prozess.

Jetzt vertritt man eben Meinungen, für die man noch bis vor wenigen Wochen andere Menschen als Hetzer, Nazis, Rassisten, Geisteskranke etc. beschimpft hat. Man passt sich eben dem Zeitgeist an, versucht die Kurve zu kriegen und argumentiert so wie seinerzeit die Nazi-Großeltern: Man habe von nichts gewusst, nichts mitbekommen, habe das ja nicht vorhersehen können und außerdem hätten Politiker und Medien die Geschehnisse und Entwicklungen völlig verzerrt dargestellt. Schuld waren damals wie heute immer die anderen. Eigenverantwortung ist für die autoritätsgläubigen linken  Österreicher und Deutsche ein Fremdwort.

Es stimmt jedoch natürlich, dass linke Mainstreamjournalisten, also so gut wie alle Journalisten, ganz im Sinne der dominanten linken Ideologie „berichtet“ haben. Für sie ist es nicht ganz so leicht das Fähnchen in den Wind zu hängen. Man hat sich zu weit aus dem Fenster gelehnt, zu hemmungslos linken Meinungsjournalismus betrieben, zu offensichtlich die Welcome-„Refugee“-Euphorie propagandistisch befeuert. Das ist auch der Grund, warum die Journalisten nun immer verzweifelter versuchen, die linken Zerfallsprozesse umzudeuten, die blutigen Folgen der Multikulti-Ideologie zu verharmlosen und die Verantwortung dafür anderen zuzuschieben.

Es wird ihnen nichts nutzen. Der Kaiser ist nackt, auch wenn die Mainstream-Journalisten in ihren immer bedeutungsloser werdenden Medien noch immer von seinen bunten Kleidern schwärmen. Die Kluft zwischen Wirklichkeit und Propaganda, öffentlicher und veröffentlichter Meinung, zwischen den Alltagserfahrungen der Menschen und der von den Medien vermittelten Realität ist mittlerweile so groß, dass die Bürger den Journalisten nicht mehr trauen (können). Linke Politiker versuchen unter dem Applaus von linken Journalisten mittels Zensur von Internet, social media und der Kriminalisierung von abweichenden Meinungen die Lage in den Griff zu bekommen. Zu spät. Damit verschlimmern sie ihre Lage nur noch, vergrößern die Kluft zwischen Regierten und Regierenden, schüren den Hass.

Linke Journalisten haben genauso wenig Zukunft wie linke Politiker. Menschen, die noch im Herbst 2015 voller Inbrunst „Welcome Refugees“ gegrölt und Teddybären an oftmals kriminelle Fake-Flüchtlinge verteilt haben, wollen von all dem und ihren einstigen politischen Vorbildern nichts mehr wissen.

Kaum noch einer will dabei gewesen sein, so wie seinerzeit am Wiener Heldenplatz. Freilich, den Karren aus dem Dreck ziehen sollen jene, die man bis vor kurzem noch als Nazis, Nestbeschmutzer und Idioten bezeichnet hat. Auf diese Last-Minute-Dissidenten sollte man nicht zählen. Was Österreich, was Europa dringend braucht, sind mutige und engagierte Menschen, keine Mitläufer.

Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. Zuletzt von ihm erschienen: „Infantilismus – Der Nanny-Staat und seine Kinder“ (Wien 2016)

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