Ein einheitliches System ist die Lösung

Die Idee vom vereinheitlichten Krankenkassensystem ist alt, aber gut – und beileibe kein politisches Konzept der österreichischen Oppositionsparteien. Es gibt in den nordischen Ländern schon längst solche nationalen Gesundheitssysteme. Und diese dürften auch bei uns früher oder später ihre Vorbildwirkung entfalten: Sogar der neue Bundeskanzler hat das bisher für Rot und Schwarz denkunmöglich geltende Konzept einer nationalen öffentlichen Gesundheitsversorgung für überlegenswert erklärt.

Der als Gegenmodell auf bürgerlicher und liberaler Seite immer wieder auftauchende Denkansatz „Versicherungspflicht statt Pflichtversicherung“ ist zwar auf den ersten Blick attraktiv, weil die dadurch ermöglichte Konkurrenzsituation zwischen den Kassen als ökonomisch sinnvoll erscheint. Allerdings ist eine echte Marktsituation in einem öffentlichen Gesundheitswesen nie zu erreichen, denn man müsste ja dafür alle Kassen privatisieren und einen USA-ähnlichen Gesundheitsmarkt herstellen. Das kann sich wiederum fast niemand in Österreich vorstellen.

Es ist daher klüger, über eine tiefgreifende Umwandlung der bestehenden Strukturen nachzudenken als über eine Abschaffung beziehungsweise Privatisierung derselben. Tatsächlich spricht viel dafür, die derzeitige Form der 22 Pflichtversicherungen zu reformieren. Zuallererst sind das demokratiepolitische Gründe: Im bestehenden Kassensystem werden die „mündigen Bürger“ ohne Wahl- oder Einspruchsmöglichkeit von den Kassen je nach Berufsgruppe zwangsweise zur Mitgliedschaft verpflichtet – das widerspricht schlichtweg dem Grundsatz „Gleichheit vor dem Gesetz“ und rechtfertigt alleine schon dadurch die Überlegung substantieller Reformen.

Das Argument, unser Kassenwesen sei sozial ausgewogen und Änderungen würden Solidarität und Gleichheit gefährden, ist nämlich nicht zulässig, denn es ist falsch. Die so gerne angesprochene Gleichheit existiert im Krankenversicherungswesen nicht. Zum Beispiel ist ein bei der Gebietskasse Versicherter hinsichtlich bestimmter medizinischer Leistungen schlechter gestellt als etwa ein BVA-Versicherter, dafür muss dieser 20-prozentige Selbstbehalte in Kauf nehmen, jener hingegen nicht. De facto ist also das derzeitige System eines, das die Ungleichheit fördert und festschreibt – noch dazu vom Staat sanktioniert und abgesegnet.

Die Finanzierungs- und somit Kernfrage lösen demokratiepolitische Diskussionen natürlich nicht und das Hauptproblem geht in der Debatte oft unter: Das sind die kreuz und quer fließenden Geldströme, die unser Gesundheitssystem am Leben erhalten.

Die öffentliche Gesundheitsversorgung wird über die Gelder der verschiedenen Kassen sowie über diverse Steuer-, Landes und Bundesmittel gewährleistet. Die Selbstverwaltung und die föderalen Strukturen machen eine transparente und gut steuerbare Situation unmöglich. Selbst für Experten ist die Finanzgebarung kaum zu durchschauen. Ein ehemaliger Gesundheitsminsiter sagte einmal, es gäbe überhaupt nur drei oder vier Leute in Österreich, die sich wirklich damit auskennen. Mehr braucht man zum Status quo nicht zu sagen…

Um hier eine klare Finanzstruktur zu schaffen, erscheint im öffentlichen Gesundheitsbereich die Finanzierung aus einer Hand erstrebenswert. Die Zusammenführung der Sozialversicherungen ist die Voraussetzung für eine luzide Kostenübersicht und somit auch für eine ökonomische und rationale Gestaltung des Gesundheitssystems.

Auch hinsichtlich der von der Mehrheit geteilten Prämisse, dass die Gleichheit der öffentlichen Versorgungsbedingungen und der freie Zugang zur Medizin erhalten bleiben müssen, ist ein Gesundheitswesen, das durch ein nationales und homogenisiertes Versicherungssystem gewährleistet wird, die fairste Variante.

Die Forderung muss daher lauten: Nicht Ersatz der Pflichtversicherung durch Versicherungspflicht, sondern Herstellung eines reformierten, transparent finanzierten und tragfähigen öffentlichen Gesundheitssystems mit Zugang zu medizinisch notwendigen Leistungen für alle. Darüber hinaus kann und soll der Einzelne individuelle und frei wählbare Krankenversicherungen für Zusatzleistungen aller Art abschließen, so wie das auch jetzt schon Millionen Bürger tun. Der privatmedizinische Markt muss nicht nur erhalten, sondern ausgebaut werden.

Eine solche substantielle Strukturänderung wäre nach liberalem und demokratischen Verständnis fairer und ehrlicher als das bisherige kunterbunte System und höchstwahrscheinlich für die Allgemeinheit sogar billiger, so sagen es zumindest reelle Berechnungen von (parteifreien) Ökonomen. 

Dr. Marcus Franz ist Arzt und unabhänger Nationalrats-Abgeordneter (früher ÖVP, davor Team Stronach).

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