Eine neue Bewegung zur "Demokratisierung" der EU

Der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat vor kurzem im Volksbühne-Theater in Berlin eine Bewegung namens DiEM25 (Democracy in Europe – Movement 2025) vorgestellt. Sein Ziel ist es nach eigener Aussage, die EU weitgehend zu demokratisieren, wozu naturgemäß eine Änderung der bestehenden Verträge notwendig wäre.

Dass die EU dringend einer Demokratisierung und substantiellen Änderung der Verträge bedarf, ist wohl unbestritten. Wenn sie nach Abflauen der derzeitigen multiplen Krise nicht zu einer Reform an Haupt und Gliedern finden kann, wird sie spätestens in der übernächsten Krise, dann aber unter stärkerem Gepolter, einstürzen. Grundsätzlich wäre Varoufakis einmal gegen die in Europa herrschenden Parteien, die die Änderung der Verträge jedenfalls verhindern wollen, zu unterstützen.

Davor empfiehlt sich jedoch ein Blick auf seine Homepage. Dort findet sich eine Antwort auf einen Brief von John Malamatinas, in der Varoufakis die Blockupy-Bewegung explizit anspricht und sie und ihre internationalen Verbündeten zur Beteiligung einlädt, wobei er äußerst lobende Worte für die Organisation findet. In der Zeitung „Neues Deutschland“ wird Varoufakis bereits in der Blockupy-Bewegung willkommen geheißen.

Damit stellt sich die Frage, wer diese Bewegung wohl sei. In ihrer eigenen Homepage gibt sie als strategische Zielsetzung „die Überwindung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung, die als Kapitalismus und bürgerliche Gesellschaft bezeichnet wird, und die Errichtung eines herrschaftsfreien oder kommunistischen Systems“ an. Sie lehnt also die bestehende Staatsordnung und damit ihre Verfassung ab und strebt ein kommunistisches System an, was die Zielrichtung vor dem Hintergrund der historischen Erfahrung klar beschreibt.

Die Demokratisierung entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als „Volksdemokratisierung“. Dazu will sie durch eigene Demonstrationen und Blockieren gegnerischer Demonstrationen der Öffentlichkeit unter entsprechenden Medienecho das Bild vermitteln, den Mainstream der Europäischen Gesellschaften zu verkörpern, um damit die Voraussetzungen für eine Machtübernahme der extremen Linken zu schaffen. Die von der Organisation angewandte Taktik besteht aus mehreren Komponenten:

  • Friedliche Demonstration durch „die Guten“ in einer Stärke, die mehrheitliche Unterstützung durch die jeweilige Bevölkerung im Raum signalisieren soll mit möglichst sympathischer Darstellung der Demonstrationsziele,
  • gezielter und organisierter Gewalteinsatz durch „die Bösen“, bekannt als Schwarzer Block, gegen fremdes Eigentum aber auch gegen die eingesetzten Polizeikräfte zum Zwecke der Gewinnung von Aufmerksamkeit und umfangreicherer Berichterstattung in den Medien,
  • gezielte Diffamierung der gegnerischen Demonstranten als rechtsextrem durch nationalsozialistische Symbole zur Rechtfertigung eigener Ausschreitungen im Zuge der antifaschistischen Gegendemonstration.

Für die Annahme, dass der Schwarze Block integraler Bestandteil der Blockupy ist, gibt es so viele Indizien, dass sie als gesichert angesehen werden kann. Die Organisation ist also als linksextrem einzustufen und wird auch vom deutschen Verfassungsschutz so gesehen und daher beobachtet.

Blockupy betreibt Zellen in ganz Deutschland, einschließlich des „angeschlossenen“ Österreich „sowie in Italien,Spanien, Griechenland, Belgien, den Niederlanden, Dänemark und Frankreich“. Die territoriale Untergliederung auf Staaten ermöglicht die jederzeitige Abberufung bei Bedarf genauso starker Kräfte auch aus dem benachbarten Ausland, wie sie als Antwort auf eine Demonstration eines politischen Gegners benötigt werden. Damit ist die quantitative Überlegenheit im Zuge der Gegendemonstrationen und ein ökonomischer Kräfteeinsatz jederzeit sicher zu stellen.

Eine länderübergreifende Führungsstruktur ist dafür allerdings unverzichtbar. Die Demonstrationen werden zentral organisiert, womit auch ihre länderübergreifende Führungsstruktur nachweisbar wird. Dazu benötigt man Kräfte, die jederzeit in ganz Europa Demonstrationen durchführen oder verstärken können, was mit beruflichen Verpflichtungen der Demonstranten wohl kaum kompatibel zu sein scheint. Es handelt sich also wohl um Berufsdemonstranten, was wiederum entsprechende Kosten verursacht.

Man kann davon ausgehen, dass Unterorganisationen der Blockupy unter anderen Namen für ihre Tätigkeit auch von politischen Ebenen finanziell gefördert werden. Die Namen der Organistaion wechseln ständig. Sie oder ihre Unterorganisationen treten zum Beispiel als NoWKR, NoBorders, NoTAV und ähnliches auf.

NoBorders hat sich vor wenigen Wochen mit Flüchtlingen in Calais solidarisiert und zusammen mit ihnen eine britische Fähre gewaltsam gestürmt. Eine Verbindung mit den Flüchtlingen nützt beiden Teilen gleichmäßig: Die Unterstützung der Flüchtlinge bringt Blockupy auf die Seite der „Guten“, verhindert oder reduziert damit die Bekämpfung durch die Sicherheitskräfte und schafft gleichzeitig für die Organisation ein riesiges Potential gewaltbereiter, beruflich ungebundener junger Männer. Andererseits können Flüchtlinge einer „geregelten“ Arbeit mit Bezahlung und ohne Abzüge durch Steuern und Sozialabgaben nachgehen, sowie dazu beitragen, die Anliegen der Flüchtlinge durchzusetzen.

Mit Varoufakis findet Blockupy eine charismatische Persönlichkeit mit ökonomischer Fachkenntnis als Aushängeschild, und mit der Reform der EU und der Unterstützung der Flüchtlinge Themen, die von extrem links bis tief hinein in das bürgerliche Lager auf Interesse und Zustimmung zählen können. Die bürgerliche Mitte und eventuelle Restteile der Sozialdemokratie finden sich als alleinige Bewahrer und Verteidiger einer desolaten EU und der vielfach verrotteten europäischen Demokratien wieder.

Ohne einen entschiedenen Ansatz des bürgerlichen Lagers zur grundsätzlichen Reform der EU mitsamt ihrer Verträge und der praktizierten repräsentativen hin zur mehr echter, direkter Demokratie wird das bürgerliche Lager auf Dauer in der Defensive bleiben und wohl irgendwann verschwinden. Im Nebel der Zukunft ist dann eine EUdSSR bereits in Konturen erkennbar.

Rupert Wenger war Offizier des Bundesheeres als Kompanie- und Bataillonskommandant in der Panzertruppe und später Analyst in einer Dienststelle des Verteidigungsministeriums.

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