Buchrezension: Der Neue Tugendterror von Thilo Sarrazin

Mit „Der Neue Tugendterror“ legt der Autor das dritte Buch in Serie vor, das dem politisch korrekten Medienhauptstrom massiv zuwiderläuft. In gewohnt akribischer Weise handelt Thilo Sarrazin das Thema der ständig stärker eingeschränkten Meinungsfreiheit in Deutschland ab. Die von ihm präsentierten Beobachtungen und Schlussfolgerungen gelten gleichermaßen auch in anderen Teilen Europas – zumindest im total sozialdemokratisierten westlichen Teil davon.

Sehr aufschlussreich und teilweise amüsant zu lesen ist die im zweiten Kapitel behandelte Beschreibung jener Strategien, die von den über die Deutungshoheit gebietenden Eliten des politisch-medialen Komplexes angewendet werden, wenn jemand es wagt, Tabuthemen aufzugreifen und diese auf dissidente Weise zu kommentieren. Sarrazin tut das, indem er die auf die Publikation seines Buches „Deutschland schafft sich ab“ folgenden Reaktionen minutiös beschreibt.

Besonders auffällig dabei ist, dass die schärfsten und lautstärksten Kritiker das Buch nicht nur nicht gelesen haben, sondern – wie zum Beispiel Kanzlerin Merkel – darauf sogar noch stolz sind: „Ich habe es nicht gelesen, aber es ist nicht hilfreich.“ Wer wird seine fest gefügten Vorurteile schon durch eine knallharte Faktenlage erschüttern lassen, wenn er meint, das Elaborat totschweigen oder – falls das nicht gelingt – den „Schluss der Debatte“ dekretieren zu können? Die tiefe Genugtuung darüber, dass keine einzige der von einer – dank rigoroser Selbstzensur – gleichgeschalteten Presse oder von seinen Parteigenossen, wie etwa Sigmar Gabriel, gegen seine Thesen gerittenen Attacken inhaltlich haltbar war oder ist, ist nicht zu übersehen.

Von einer „Freiheit der Rede“ kann im Deutschland mittlerweile ebenso wenig gesprochen werden, wie von einer „Freiheit der Forschung“. Denn wer den „falschen“ Fragen nachgeht, die am Ende unerwünschte (oder „nicht hilfreiche“) Antworten bringen könnten, verfällt dem Scherbengericht. Wer je erlebt hat, wie schamlos anmaßend, frech und beleidigend selbsternannte Tugendwächter mit Leuten wie Sarrazin in aller Öffentlichkeit umgehen, fühlt sich an das tiefste Mittelalter erinnert.

Nach einer Beleuchtung der Bedeutung der Sprache als Vehikel des Tugendterrors, einem kurzen historischen Abriss und einem Exkurs zu Fragen der Moral, ist der ausführlichste Teil des Buches „Vierzehn Axiomen des Tugendwahns im Deutschland der Gegenwart“ gewidmet. Hier werden die für den politisch korrekten Meinungshauptstrom entscheidenden Mantras (von der behaupteten Überlegenheit materieller Gleichheit bis zum Märchen von einem mit der Demokratie kompatiblen Islam) aufgelistet und seinen auf Fakten basierenden Erwiderungen gegenübergestellt. Der ansonsten knochentrockene Technokrat Sarrazin lässt an dieser Stelle erstmals eine durchaus erfrischende Ironie erkennen…

Prädikat: Lesenswert!

Der neue Tugendterror
Thilo Sarrazin
Deutsche Verlags-Anstalt, 2014
298 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-421-04617-8
€ 22,99,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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