Wofür der Kapitalismus nichts kann

Die politische Klasse hat es, Hand in Hand mit den ihr treu verbundenen Lohnschreibern der Massenmedien und den Intellektuellen, geschafft, faktisch alles Böse auf dieser Welt dem Kapitalismus anzulasten. Wie schon anno 1929 ist es ihr beispielsweise in unseren Tagen neuerlich geglückt, die nahezu ausschließlich auf ihrer Seite liegende Schuld an der 2008 ausgebrochenen Wirtschafts- Schulden- und Finanzkrise dem freien Markt und dessen Protagonisten zuzuschieben. Haltet den Dieb! Den „Primat der Politik über die Wirtschaft wiederherzustellen“, wie allenthalben gefordert, heißt folgerichtig, den Bock zum Gärtner zu machen.

Aber nicht nur die üblichen Verdächtigen aus marktfernen, steuerfinanzierten Biotopen im Dunstkreis von Universitäten und Interessenverbänden ziehen hemmungslos gegen all das zu Felde, was nicht unter staatlicher Kuratel steht. Auch die Kirchen sehen sich offensichtlich zum fröhlichen Kapitalismusbashing genötigt. Debattenbeiträge, die von Funktionären der Caritas oder der Diakonie zu Wirtschafts- und Verteilungsfragen abgegeben werden, sind von Stellungnahmen des gewerkschaftlichen Linksblocks mit freiem Auge nicht zu unterscheiden. Papst Johannes Paul II. wusste – dank persönlich gemachter Erfahrungen – noch sehr genau, wie der einzige erprobte Gegenentwurf zum Kapitalismus aussieht, den er folglich zeitlebens entsprechend engagiert bekämpfte. Der gegenwärtige Bischof von Rom, Franziskus, mischte sich hingegen ganz zwanglos unter die rabiatesten antikapitalistischen Scharfmacher. Er erhält für die in seinem Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“ geübte, von keinerlei Sachkunde belastete „Systemkritik“, postwendend stehende Ovationen seitens eingefleischter Kommunisten.

Angesichts der unentwegten Kapitalismusschelte, die einem Aufstand gegen Aufklärung und Vernunft gleichkommt und mit einem nahezu totalen ökonomischen Analphabetismus der meisten Zeitgenossen einhergeht, sind sämtliche Initiativen zu begrüßen, die den Kampf gegen irrationale Feindbilder und Mythenbildungen auf ihre Fahnen schreiben. Eine Speerspitze im Kampf gegen die Verbreitung ökonomischen Unsinns bildet die vom ehemaligen Wirtschaftschefredakteur der Wiener „Presse“, Franz Schellhorn, geführte liberale Denkfabrik „Agenda Austria“. Am 1. April (kein Scherz!) war der Autor des Buches „Zivilkapitalismus – Wir können auch anders“ und Mitbegründer des Wirtschaftsmagazins „brandeins“, Wolf Lotter, in deren Räumlichkeiten zu Gast.

Lotter sieht das Problem des zeitgeistigen, alle sozialen Klassen, Bildungs- und Berufsschichten durchdringenden Antikapitalismus darin, nicht über verstaubte Vorurteile, platte Polemik und tausendfach widerlegte Glaubenssätze hinauszukommen und keinerlei Gegenentwürfe anbieten zu können. Es ist ein Missverständnis, dass ein auf Privateigentum und Vertragfreiheit basierendes Marktsystem einen Rechtsanspruch auf Glück garantiert. Es verbessert lediglich die dem Einzelnen zur Verfügung stehenden, materiellen Voraussetzungen, um nach Glück zu streben.

Ein zweifellos nicht perfektes „System“ zu kritisieren, dessen Wesen und Funktion man nicht begreift (Kapitalismus ist eben kein „System“ und keine Ideologie, sondern einfach ein Werkzeug!) fällt leicht. Die Formulierung von Verbesserungsvorschlägen, die nicht auf romantische Träumereien und/oder totalitäre Zwangsanstalten hinauslaufen und die ohne die Züchtung eines „Neuen Menschen“ auskommen, sucht man indes weithin vergebens.

Lotter sieht, wie weiland Friedrich August Hayek, die Verwirklichung politischer Freiheit eng an die Voraussetzung wirtschaftlicher Freiheit gebunden. Ohne ökonomische Autonomie gibt es kein selbst bestimmtes Leben: „Jeder Intellektuelle erhält Applaus, wenn er ökonomische Unbedarftheit zur Schau stellt. Nicht über Granderwasser Bescheid zu wissen, führt ihn indes ins Abseits.“

Dass jetzt das große Lamento anhebt, da der Kapitalismus die alte, auf Status basierende Feudalgesellschaft durch eine „meritokratische“ Vertragsgesellschaft ersetzt und eine zuvor nie gekannte Chancengleichheit herbeigeführt hat – die dank der natürlichen Ungleichverteilung menschlicher Talente natürlich auch wirtschaftliche Ungleichheit nach sich zieht – ist als Treppenwitz der Geschichte zu verbuchen.

Jeder ist seines Glückes Schmied. „Der Liberalismus ist ein Projekt, das der Entmachtung dient.“ Sich der hohen Politik auszuliefern, anstatt sein Schicksal selbst bei den Hörnern zu packen, muss daher in der Unfreiheit enden. „Der Job jedes Einzelnen ist es daher, erwachsen zu werden…“ – und sich jeden (staatlichen) Paternalismus zu verbitten!

http://www.amazon.de/Zivilkapitalismus-Wir-k%C3%B6nnen-auch-anders/dp/3570552314
http://www.brandeins.de/
http://ef-magazin.de/2013/12/06/4721-evangelii-gaudium-harsche-kapitalismuskritik-aus-dem-vatikan

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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