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Ein Hochhaus soll Urbanität vorspiegeln

Es dürfte noch immer zu wenig bekannt sein, welche Bewandtnis es mit dem Bauprojekt Eislaufverein hat, zu betrachten unter www.dasbesondereprojekt.at. Spricht der Anblick dieses Ausbunds an Phantasielosigkeit und Großmannssucht à la Ceauscescu bereits für sich, so geht daraus noch nicht die volle Wucht des geplanten Wohnturms hervor. Er nimmt sich auf dem angefügten Foto aus der Vogelperspektive noch relativ dezent aus, mit seinen 73 Metern Höhe würde er aber, dreist bis zur Schmerzhaftigkeit, alle umliegenden Gebäude gewaltig überragen, sollte er denn wirklich gebaut werden.

Zeitgeist-Schreiber und Podiumsdiskutanten sprechen in solchen Fällen von einem „Spannungsfeld“ zwischen tradierter und zeitgenössischer Architektur. Beim Anblick des Modells mit seinen geradezu vulgären Proportionen (von der nichtssagenden, an ein Kanalgitter gemahnenden Fassade gar nicht zu reden) fühlte ich mich spontan an einen Klotz erinnert, den meine Enkel aus Lego-Bausteinen gebastelt hatten.

Der berühmte Canaletto-Blick vom Belvedere aus, schon jetzt beeinträchtigt, wäre vollends dahin, und um das aber auch wirklich ganz besondere Projekt zu sehen, wird sich wohl kein Tourist vor das Belvedere begeben. Einmal ganz abgesehen davon, dass ja auch autochthone Wiener gerne einmal von dort aus den Blick über ihre Stadt schweifen lassen, deren historischer Kern mit dem Prädikat „Weltkulturerbe“ seitens der UNESCO versehen wurde.

Das Besondere Projekt steht eindeutig mit den Richtlinien, die für die so genannte Kernzone gelten, im Widerspruch, da deren Grenze am Heumarkt verläuft, also außerhalb des Areals. Die UNESCO hat schon wegen der vergleichsweise harmlos aussehenden Elbebrücke weit außerhalb des Stadtkerns der Stadt Dresden das Prädikat Weltkulturerbe aberkannt.

Wenn alles mit rechten Dingen zugeht (womit allerdings in fast keinem Bereich mehr zu rechnen ist), so müsste im Falle der Realisierung des Besonderen Projekts der Weltkulturerbe-Status der Wiener Innenstadt ebenfalls entzogen werden. Man hat seitens der Betreiber und der Stadt Wien ein (natürlich völlig unabhängiges) Expertenteam herangezogen, das dem Projekt die erforderliche Kompatibilität mit den Vorgaben der UNESCO bzw. ICOMOS bescheinigen soll. Welche Faktoren hier sonst noch hereinspielen, kann man sich auch ohne große Phantasie vorstellen.

In dem sonst als korrupt geltenden Italien dürfte für Rom und Florenz in dieser Hinsicht keine Gefahr bestehen, der Blick vom Gianicolo und von San Miniato ist unbeschädigt, und man weiß wohl auch, warum man es dabei belässt.

Das Weltkulturerbe-Prädikat scheint hierorts in Kreisen der Politik und des Bauwesens bzw. der Architekten zum guten Teil keine große Wertschätzung zu genießen. Als bei einer Podiumsdiskussion zum Besonderen Projekt im Publikum dieses Stichwort fiel, rief der Direktor des Wiener Architekturzentrums und Träger des Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um die Stadt Wien erbost, das Welterbe sei „ein Schas“ (sic) und man hätte es nur wegen der Anerkennung Wiens als Welthauptstadt der Musik verliehen. Jeder kann allerdings nachlesen, dass vor allem die exemplarische Darstellung der Architektur aus verschiedenen historischen Epochen und – auch – die Musik dabei ausschlaggebend sind.

Die Politik spielt in dieser Angelegenheit ebenfalls eine unrühmliche Rolle. Schon bei den Festreden der Stadtväter anlässlich der Verleihung des Prädikats konnte man keine rechte Freude heraushören. Der Klartext der diversen Botschaften war etwa der folgende: „No ja, jetzt hamma halt dieses tepperte Prädikat. Aber machts euch kane Sorgen, Leutln, wir machen weiter wie gehabt.“

So war zum Beispiel der völlig überflüssige, 83 Meter hohe Turm des Bezirksgerichts eine politische Entscheidung zugunsten eines den Blauen nahe stehenden Immobilienmaklers. Wobei die funktionsfähigen Räume in der Riemergasse noch immer leer stehen. Der Turm steht aber wenigstens in der Pufferzone und nicht in der Kernzone.

Jetzt machen sich aber vor allem die Grünen für das Besondere Projekt stark. Vassilakou und Chorherr bewarben es heftig in den Räumen des Hotels Intercontinental anlässlich einer Präsentation durch die Betreiber. Wer sagen kann, warum das so ist, der trete vor (wird es aber wohl nicht).

Das Hotel Intercontinental, an das sich viele Leute auch nach fünfzig Jahren noch nicht wirklich gewöhnen konnten, ist in seiner jetzigen Form noch ein wahres Labsal im Vergleich zum geplanten Wohnturm. Dieser soll Luxuswohnungen enthalten und macht die Bobo-Natur der Grünen, fernab der tränenreichen Betroffenheit über die Schere zwischen Arm und Reich und das Schicksal der Migranten (und Migrantinnen natürlich) augenfällig.

Die Kubatur des Intercontinental würde durch eine nicht allzu explizit betonte Aufstockung und eine seitliche Verbreiterung in Richtung Lothringerstraße vergrößert werden. Auf diese Weise „rechnet sich“ der mit jeweils hohen Profiten durch zahlreiche Hände gegangene Baugrund.

Die Eislauffläche würde zur Lothringerstraße hin verbreitert werden (da sie ja sonst wegen der Zubauten allzu klein ausfallen würde). Hier hätte man in verkehrstechnischer Hinsicht Schlimmes zu befürchten. Auch würde die Parkplatzsituation für die Anrainer wegen der vielen geplanten Lokale und Wellnessoasen („vom Feinsten“) absolut inakzeptabel werden. Da wäre die Mariahilferstraße vergleichsweise noch ein gelindes Übel.

Es werden seitens der Betreiber mit Schalmeientönen verschiedene zur Ideologie gehörende Vorteile angepriesen, so z.B. die „Durchlässigkeit“ zwischen dem dritten und dem ersten Bezirk in Form eines schmalen Durchgangs zwischen dem Konzerthaus und dem angrenzenden Eislaufplatz, möglicherweise auch von der Lagergasse zum Beethovenplatz. Wenn mir jemand erklären kann, warum es viel schlimmer sein soll, wenige Meter weiter am Akademietheater vorbeizugehen, sehe ich dieser Errungenschaft freudig entgegen.

Die Durchlässigkeit ist ein als Vorwand eingesetztes Schlagwort, das sich überall breit macht und als das große Glück für alle verkauft wird. Es darf keine Grenzen geben, alles hat miteinander zu kommunizieren („hautnah“), Zonen der Begegnung sind „angesagt“, auch wenn man auf Beton mit ein paar Alibi-Bäumchen im Auge des Taifuns steht und stets vor hemmungslos flitzenden Radfahrern in Deckung springen muss.

Seid umschlungen, Millionen, wird zumindest einmal im Jahr im Konzerthaus erschallen, außen wird der Kuss für die ganze Welt allerdings nicht „erlebbar“, wie ein weiteres Modeadjektiv lautet.

Einige mit den Kriterien des Weltkulturerbes kompatible Entwürfe sind gleich im Vorfeld ausgesondert worden. Der Direktor des Architekturzentrums meinte, warum er zuerst gegen dieses Projekt gewesen sei (was man nachvollziehen konnte), warum er aber nun doch dafür sei (was weniger einsichtig war). Es ist dies eine beliebte Taktik, wie man zunächst die zu Beeinflussenden durch scheinbare Gleichgestimmtheit für sich einnimmt, dann aber eine Volte schlägt und glaubt, auf diese Art den propagierten Inhalt plausibler machen zu können.

Bei derselben Diskussion stellte ich die Frage, welche Veranlassung es denn eigentlich gegeben habe, ein derartiges Mammutprojekt überhaupt auszuschreiben. Da ich wusste, dass es ausschließlich die lukrative Verwertung der von Besitzer zu Besitzer immer teurer gewordenen Gründe war, wartete ich gespannt darauf, welche Antwort nun erfolgen würde. Es folgte sekundenlanges Schweigen. Dann sagte einer der Podiumsdiskutanten etwas zögerlich, er werde versuchen, mir eine Antwort darauf zu geben. Die Begründung war (sinngemäß), eine Stadt sei stets im Wandel begriffen, und da werde eben an dieser Stelle auch gewandelt. Punktum. Mir fällt dazu ein Satz aus einer satirischen Kurzgeschichte ein, der da lautete: „Wo nichts ist, macht man was.“

Übrigens werden, wenn es zur Realisierung dieses Projekts kommt, am Glacis, also rund um die Innenstadt, die Hochhäuser wie die sprichwörtlichen Schwammerln aus dem Boden schießen. Eines war auf dem Grund des Forumkinos geplant, musste aber aufgrund des öffentlichen Drucks niedriger konzipiert werden. Auch auf dem Karlsplatz droht eine weiterer Zacke der so genannten „Stadtkrone“, ein Ausdruck, der die Umrahmung der Innenstadt durch zahlreiche hoch aufschießende Bauten verbal darstellt.

Einerseits soll eine Stadt gemäß der Ideologie von Stadtplanern und Architekten „kein Freilichtmuseum“ sein, andererseits macht man munter Museen für alles und jedes und stilisiert die Unsterblichkeit der Maikäfer zu einem existentiellen Thema. Für alles muss natürlich das nötige Gehäuse geschaffen werden, parteinahes Personal wird versorgt, nicht zum Schaden der Beteiligten.

Es muss alles „zukunftsorientiert“ sein. Ein Dauerbrenner ist allerdings die Vergangenheitsbewältigung. Und so wird anscheinend gleich auch das traditionelle Stadtbild bewältigt. In Hochhäuser hat schließlich Hitler seinen Fuß garantiert nicht hineingesetzt, und das ist ja schon mal etwas.

Das Besondere Projekt ist vor allem eine Kubatur-Erzeugungsaktion für Profiteure. Mit dem Hochhaus samt Nebenbauten „im Gepäck“ sorgen die Betreiber aber auch für die Rezipienten der Eventkultur und Spaßgesellschaft bestens. „Und das ist gut so“ wird in solchen Fällen gesagt, um dem „mündigen Bürger“ zu erklären, was er gut zu finden hat.

Wer sich gegen das Projekt aussprechen bzw. seine Unterschrift in diesem Sinne abgeben möchte, kann Kontakt mit der Initiative Stadtbildschutz aufnehmen. I-Stadtbildschutz@aktion21.at

Dkfm. Waltraut Kupf, Studium an der Hochschule für Welthandel, Angestellte der IAEO, dort zugunsten der Kindererziehung ausgeschieden, verheiratet mit dem akad. Restaurator Prof. Martin Kupf. Gelegentliche Abfassung von Kommentaren in online-Medien.

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