Zu der Art von kirchen- und religionsfeindlichen Büchern, deren Autoren mit geradezu heiligem Furor ihren Antiklerikalismus oder Atheismus zelebrieren, zählt dieses Werk des deutschen Philosophen und Historikers Kurt Flasch eindeutig nicht. Hier schreibt ein vorsichtig abwägender, weiser alter Mann, einst selbst ein Christ, der sich mit den zentralen Glaubensinhalten der christlichen Religion mit großer Sachkenntnis und spürbarem Wohlwollen – allerdings nicht frei von feiner Ironie – auseinandersetzt.
Einem religionshistorischen Teil und Überlegungen zum „wahren Glauben“ folgen erhellende Analysen von Gottesbild, Erlösung und Ethik im Christentum. Am interessantesten erscheinen indes die am Ende des Buches zusammengefassten Gründe, die den Autor schließlich dazu veranlassten, sich nicht länger als Christ zu verstehen. „Ich bin kein Christ, wenn man unter einem Christen jemanden versteht, der an Gott, an ein Leben nach dem Tod und an die Gottheit Christi glaubt.“
Dafür, warum er das nicht mehr tut, führt er eine Reihe von Gründen an, die sich großteils auf rationale Argumente stützen. In der seit Jahrhunderten von Kirchenmännern immer wieder betonten, auf „Vernunft“ basierenden Begründung des christlichen Glaubens erkennt er einen offensichtlichen, inneren Widerspruch.
Die zentrale Botschaft des Christentums – die Erlösung der Menschheit von einer etwas fragwürdig konstruierten „Erbsünde“ – kann Flasch nicht länger überzeugen. Seit dem von Satan provozierten „Sündenfall“ habe die Menschheit ihm gehört. Um sie aus seinen Klauen zu befreien und wieder zu Gott zurückzuführen, wäre ein listig eingefädelter Coup erforderlich gewesen, der den Tod Jesu Christi – des einzig unschuldigen Menschen auf Erden – bedingte. Tolle Geschichte. Dass ein allmächtiger Gott seinen eigenen Sohn auf die Welt schicken, erniedrigen und töten lässt, um auf diese Weise ein die Menschheit erlösendes Sühneopfer zu bringen, scheint Flasch eine in höchstem Maße unplausible Vorstellung zu sein. „Das hätte Gott billiger haben können.“
Dass, ganz nebenbei, die seit Jahrhunderten kontrovers diskutierte Trinitätslehre schließlich weder im Neuen noch im Alten Testament zu finden ist, sondern eine „inkongruente Konstruktion des 4. und 5. Jahrhunderts“ darstellt, ist nicht dazu angetan, die Zweifel des Autors zu beseitigen. Die Lehre von den „Zwei Naturen in Christus“ wirft überdies Fragen auf, die nicht beantwortet werden können, ohne den Boden der Logik zu verlassen. Die Fehleinschätzung des Gottessohnes von seiner nahe bevorstehenden Wiederkunft, ist offensichtlich problematisch: „Demnach weiß er als Mensch den Jüngsten Tag nicht, den er als allwissender Gott gleichzeitig kennt.“
Flasch liefert dem Agnostiker ein umfangreiches Arsenal zur Bestätigung seines Standpunkts. Dem Gläubigen dagegen bietet das Buch eine Reihe von Denkanstößen zur Auseinandersetzung mit der christlichen Religion. Schließlich hat Gott uns als mit Vernunft begabte Wesen geschaffen. Warum also nicht die Vernunft gebrauchen, um die von Flasch formulierten Zweifel auszuräumen und seinen eigenen Glauben zu festigen…?
Warum ich kein Christ bin
Kurt Flasch
C. H. Beck-Verlag 2013
280 Seiten, gebunden
ISBN: 978 3 406 652 844
19,95,- Euro
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.
Man muß kein Christ sein, um Spiritualität zu leben, aber es ist in vielen Fällen ungemein hilfreich.
In diesem Sinne sicher ein interessanter Buchtipp, der vielleicht wertvolle Erkenntnisse für den gemeinsamen Nenner bietet!
Man darf solche Bücher und Besprechungen als Christ einfach nicht durchgehen lassen. Daher im vorhinein die Bitte um Verzeihung für die Länge der Antwort!
Immer dieselbe Leier: Bei Herder finden Sie "Religionskritik von der Aufklärung bis zur Gegenwart - ein Autoren-Lexikon", alphabethisch geordnet, von Adorno bis Wittgenstein, mit rund 100 Beiträgen(!) zeitlich von Baruch Spinoza (1632 -1677) über Comte, Feuerbach, Marx, Bakunin, Lenin bis hin zu Popper und Habermas. Wer mit neuerer Literatur seinen Unglauben stärken will, dem sei empfohlen: Richard Dawkin: „Der Gotteswahn“ (9. Aufl., 2007), Christopher Hitchins: „Der Herr ist kein Hirte. Wie Religion die Welt vergiftet“ (2007), Piergiorgio Odifreddi: „Perché non possiamo essere christiani (e meno che mal cattolici)“ (Milano 2007), (übers.: Warum wir keine Christen sein können und erst recht keine Katholiken), Stephan W. Hawking - Leonard Mlodinow: „Der große Entwurf [The grand design]. Eine neue Erklärung des Universums“ (2011), Michel Onfray: „Wir brauchen keinen Gott. Warum man jetzt Atheist sein muss“ (2007), Sam Harris: „Das Ende des Glaubens“ (2007). Fasch bringt also überhaupt nichts Neues.
Doch das Bedauerliche ist, dass der Mensch ohne Religion nicht leben kann, er braucht die Unterscheidung von Gut und Böse. Heute gilt als das absolut Böse Hitler und der Nationalsozialismus und als das absolut Gute Israel und das Judentum. Wir haben die christliche Religion durch die Holocaustreligion ersetzt. Der Holocaust, so Avraham Burg, ist wichtiger als der Glaube an den Schöpfer der Welt und "so präsent wie die Luft, die wir atmen." Die ganze Politik dreht sich heute um Israel, Israel hat zum großen "Clash" des Islam mit der westlichen Welt geführt. Wer die Feinde Israels unterstützt, ist Feind der Menschheit, ein "Schurkenstaat", er steht auf der Axis of Evil (Bush sen.) und gehört einer Schurkenpartei an. Jetzt steht wieder das Rußland Putins im Visier, der "Kalte Krieg" erlebt mit heißen Drohungen eine Neuauflage. Der ganze weltweite "Kampf gegen den Terror" ist "ein Kampf gegen die Feinde Israels" (Michael Ledeen). In diesen Kampf oder Krieg sind wir heute alle einbezogen.
Nichts ist heute offensichtlicher als "die Re-Theologisierung der Politik" (Rudolf Burger). "Die Judenfrage", nach Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn (u.a.) "die Achse der Weltgeschichte", spielt nun wieder die Hauptrolle auf der Bühne der Geschichte. Das 20. Jh. war ja bereits "The Jewish Century", jetzt leben wir vollends im "Jewish Age" (Yuri Slezkine). Wir sind inzwischen alle (geistig) zu Juden geworden, denn "by modernization we all became Jewish" und gleichzeitig "amerikanisch", politisch, kulturell, finanz-ökonomisch. Amerika, so Vizepräsident Joe Biden im Mai 2013 zum American Jewish Heritage Month, "is a great country because of the contributions and most importantly because of Jewish heritage and the values you brought." Der Vizepräsident, so der Bericht aus Washington Post, " praised Jewish contributions to science, immigration reform, the civil-rights movement, the arts, the law and to feminism."The influence is immense. And, I might add, it is all to the good", so der Vizepräsident. "Jewish leaders helped gay marriage succeed", ist die Überschrift des Berichts.
Beides aber - jüdisch und amerikanisch - bedeutet "antichristlich". Das bezieht die evangelikalen Zionisten mit ein. Antichristlich ist nach Johannes, dem Evangelisten, jeder, der Christus als den Erlöser nicht bekennt, er hat den Teufel zum Vater, den Lügner, Verwirrer und Menschenmörder von Anfang an (Joh 8, 42-47). Für Vatikanum II ist die ganze Geschichte jedes Einzelnen und aller Kollektive (Nationen), ein Kampf, "und zwar ein dramatischer, zwischen Gut und Böse, Licht und Finsternis" (Gaudium et spes, n. 13). Niemand wird zum Glauben gezwungen, doch er muss wissen, wo er steht und die Konsequenzen seiner Entscheidung auf sich nehmen: "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut", so Jesus. Wer "zerstreut", Papst Franziskus wird nicht müde, es immer wieder zu betonen, steht im Dienste des Teufels, "wer nicht zum Herrn betet, betet zum Teufel". Inzwischen merken wir ja, dass unser ganzes System auf Lügen und Heuchelei aufgebaut ist: Demokratie, Menschenrechte, offene Gesellschaft, Marktwirtschaft, Globalisierung, EU usw. Es grenzt aus und "tötet", schreibt Papst Franziskus in seinem "Apostolischen Brief" vom Novermber 2013.
Jeder also hat die Wahl! Aut Christus aut nihil!
Die Agnostiker setzen regelmäßig die Logik, die Vernunft, die Naturwissenschaft und vielleicht noch andere rationale Disziplinen ein, um die Existenz Gottes in Abrede zu stellen. Es wird mit größter Selbstverständlichkeit ignoriert, daß das ja vielleicht nicht die einzigen Dinge sind, die es gibt. Ich glaube zwar nicht an die Stichhältigkeit der sogenannten Gottesbeweise, einen davon, nämlich den ethnologischen Gottesbeweis finde ich aber doch irgendwie bestechend. Alle Völker aller Zeiten hatten den Impuls in sich, das Numinose, die Gottheit zu verehren und sich selbst ihr zu unterwerfen. Das ist allemal richtiger, als sich als "selbstbestimmt" und dergleichen zu bezeichnen und den Menschen in einer virtuellen Hierarchie an die oberste Stelle zu setzen. Natürlich kann man sagen, daß man dem Zufall und nicht Gott ausgeliefert ist, aber niemand kann wirklich beweisen, daß es Gott nicht gibt. Ein alter Herr aus dem Bekanntenkreis, militanter Atheist, sagte im Zuge einer Debatte über Gott "er hat sich mir noch nicht vorgestellt", worauf ich sagte "wie wäre es, wenn Sie sich Ihm vorstellen würden?" , was natürlich nicht sehr ernst genommen wurde. Wenn es auch möglicherweise als Humbug betrachtet wird, so glaube ich, daß man einen Schritt auf Gott zugehen muß, um von der Fixierung auf das Rationale wegzukommen. Wenn man das nicht will, - auch eine Möglichkeit. Das Herumphilosophieren über die Trinität und andere Glaubensinhalte bringt wenig, man kann Worte, die eigentlich einen ganzen Kosmos umfassen, nur als Anregung nehmen sich hineinzuvertiefen und möglicherweise auftretende Anmutungen auf sich wirken zu lassen. Interessant ist, daß seit einiger Zeit die Quantenphysik bisher nicht für möglich gehaltene Phänomene (vor allem die Bilokation, wenn ich das richtig verstanden habe) erklären kann. Man weiß nicht, welche Zusammenhänge-sich in der Zukunft noch zeigen werden.
Koennte es sein, dass die römische Besatzungsmacht sich der jüdischen Verraeter bedient hat, um Christus Ghandi-artige Bewegung nicht zu mächtig werden zu lassen? Punkt?
Alle Gläubigen mögen mir meinen simplen Erklärungsversuch verzeihen.
Aber kluge Kleriker deuten das Ganze sowieso ganz anders, sie koennen sich niemals auf eine reale Argumentation einlassen.
@oboam (kein Partner) 27. März 2014 09:59
Aus dem Text geht hervor, dass mit "Israel" der Staat Israel angesprochen ist, der gegen die Mehrheit der Palästinenser 1948 ausgerufen wurde.Es geht also nicht um den "chlash"" im 7. Jh.AD.
Über diese Staatsgründung und die nachfolgenden Völkerrechtsbrüche eine gute Beschreibung durch Jostein Gaarder: "Gottes auserwähltes Volk", Aftenposten 05.08.06 (http://kulturtechnik.twoday.net/stories/2507599/ )
@Black Ice (kein Partner) 26. März 2014 18:24
Können Sie Ihr freundliches Urteil ("Schwachsinn") vielleicht begründen, oder halten Sie das ganze Christentum für Schwachsinn?
@Alternativlos (kein Partner) 26. März 2014 17:45
"Wo war Gott in Auschwitz?" Dort, wo er auch war als Soddom und Gommorrah mit allen Einwohnern, Schuldigen und Unschuldigen (Kindern) in Flammen unterging. Nch Ansicht der orhthodoxen Juden (Rabbi Teielbaum oder Rabbi Meir Hirsh von Neturei Karta, u.v.a.) war Auschwitz die Strafe für den massenhaften Abfall der Juden von Jahwe.
@simplicissimus, 26. März 2014 06:15
Die Intentionen der röm. Besatzungsmacht sind für das Verhältnis von Christentum und (talmudischem) Judentum unerheblich. Entscheidend ist die Aussage von allgemeiner Gültigkeit durch den auch von Christen geschätzten jüdischen Philosoph Franz Rosenzweig:WIR JUDEN HABEN CHRISTUS GEKREUZIGT UND WIR WÜRDEN ES JEDERZEIT WIEDER TUN (zit. nach Lorenz Jäger: Unterschied. Widerspruch. Krieg. Zur politischen Theologie jüdischer Intellektueller. Wien 2013, S. 7).
Im heutige Eleison-Kommentar kommt Bischof Williamson auf die Holocaustreligion zu sprechen und würdigt Robert Faurrisson, der über dieses Thema im Jahre 2008 schrieb:
"Die Sechs Millionen stellen eine Laizismus-Religion dar mit ihren eigenen Dogmen, Geboten, Verordnungen, Propheten, Hohepriestern und Heiligen: St. Anne (Frank), St. Simon (Wiesenthal), St. Elie (Wiesel). Diese Religion hat ihre eigenen heiligen Stätten, ihre Rituale und ihre Wallfahrten. Sie hat ihre Tempel und Reliquien (Seifenstücke, Berge von Schuhen, usw.), ihre Märtyrer, Helden, Wunder und wundersame Überlebende (sogar Millionen von ihnen), ihre goldene Legende und ihre Gerechten. Auschwitz ist das Golgotha dieser Religion, und Hitler ihr Teufel. Sie diktiert ihre Gesetze den Nationen. Ihr Herz schlägt in Jerusalem, mitten im „Yad Vashem“-Denkmal.
Dies ist eine neue Religion, welche seit dem Zweiten Weltkrieg einen kometenhaften Aufstieg verzeichnete. Sie hat den Westen erobert und ist daran, die Welt zu erobern. Während der Fortschritt an wissenschaftlichem Denken in unseren Konsumgesellschaften den Griff der klassischen Religion schwächte, indem er die Menschen immer skeptischer werden ließ bezüglich den Geschichten der Religionen und ihren Versprechungen, so ist die neue Religion bis zu dem Punkt gediehen, daß jeder, welcher ihr grundsätzliches Dogma bestreitet, als „Negazionist“ gebrandmarkt, aus der Gesellschaft ausgestoßen und behandelt wird wie früher nur Häretiker behandelt wurden. In der Tat ist dies eine Religion. Sie stellt heute ein wichtiges Instrument dar und, wie wir sagen können, die inoffizielle Volksreligion der gottlosen Neuen Weltordnung."
Faurrisson wußte damals noch nicht, dass es eine eigene internationale "Task Force for Holocaust Remembrance" gibt und von der UNO ein jährlicher Holocaust-Remembrance Day angeordnet wurde, der ausgerechnet mit dem Geburtstag Mozarts (27. Jänner) zusammenfällt!! An diesem Tag dürfen die Burschenschafter (WKR) nicht tanzen! Unglaublich, aber wahr!
Das Buch von Flasch ist das schwächste, das ich von ihm kenne. Es handelt sich dabei nur um das Geschreibsel eines alten Mannes, der seinen Tod herannahen sieht und immer noch nicht mit sich im reinen ist. Besnders peinlich ist das jugendlichisierend-stenzige Bild von Flasch am Schutzumschlag.
Dabei ist das Wunderlichste, dass Flasch eigentlich ein Mediävist und Autor eines Buches über den Kirchevater Augustinus ist. Augustinus ist immerhin eine Potenz ersten Ranges im europäischen Geistesleben - nicht nur des reiligiösen. Und Flasch stellt sich in seinem ganzen Augustinusbuch nie die Frage, was denn den Heiligen überhaupt bewegt hat. Die Antwort, dass es der Glaube des Augustinus gewesen sein könnte, kann Flasch annahmegemäß natürlich nicht akzeptieren. Und zeigt sich so als taub für alles Religiöse.
Und das bleibt Flasch auch in seinem letzten Buch.
Wie anders ist da doch der (in Österreich nichts gewordene) österreichische Philosoph, noch dazu Kärntner Herkunft, der es in seinem ganzen Leben wesentlich kecker getrieben hat, Paul Feyerabend.
http://www.youtube.com/watch?v=sE1mkIb1nmU
Was Flasch mit seinem Buch denn eigentlich will, außer pfeiffen im Wald ist mir also verschlossen geblieben. Das Buch taugt jedenfalls nicht dazu, die eigene, wesentlich andere Position zu reflektieren. Das geht mir Russel, aber auch mit Dawkins wesentlich besser.
Wer seine religilöse Position aus dem positiven reflektieren will, dem möchte ich, vor allem zum Ärger des flaschen Flachs, das Buch des Aurelius Augustinus über die Bergpredigt (Johannesverlag) sehr ans Herz legen.