Buchrezension: The Tea Party Explained

US-Präsident Obama hat absolute Narrenfreiheit: So viel Geld kann er gar nicht zum Fenster hinauswerfen oder dank der unter seinem Regime blühenden Vetternwirtschaft verbrennen; so viele unschuldige Zivilisten können gar nicht durch die Hand der von ihm völkerrechtswidrig ausgeschickten Killer sterben – der Friedensnobelpreisträger ist und bleibt die Lichtgestalt der veröffentlichten Meinung. Auch ein anderes Urteil der Hauptstrommedien steht unverrückbar fest: Die Tea Party ist ein Sammelbecken von ungebildeten Landeiern, Rechtsradikalen, Waffennarren, Rassisten, religiösen Fanatikern und anderen gefährlichen Spinnern – finanziert von zynischen Plutokraten, als deren nützliche Idioten sie sich betätigen.

Auch einigermaßen seriöse Medien kommen nicht umhin, die Aktivitäten der Tea Party stets in ein schiefes Licht zu rücken und deren Protagonisten routinemäßig als „radikale Minderheit innerhalb der Republikaner“ zu apostrophieren – was den Tatsachen entschieden widerspricht.

Ein neues Buch bietet nun eine ebenso kritisch ausgewogene, wie tiefgehende Analyse des nicht nur in Europa meist falsch eingeschätzten Phänomens Tea Party. Für den vom Kindergarten an sozialistisch indoktrinierten, bedingungslos obrigkeitshörigen Europäer ist diese ganz und gar führerlose, aus der Mitte der Gesellschaft heraus spontan entstandene politische Bewegung schwer zu erfassen.

Deren Anfang sehen die beiden Autoren (ein Ökonom und ein liberaler Essayist) in Ron Pauls Präsidentschaftskampagne des Jahres 2008. Es handelt sich um eine weit versprengte „Graswurzelbewegung“ mit stark lokal geprägtem Charakter. Es würde der Sache also eher gerecht werden, von vielen Tea Parties zu sprechen, denn es gibt weder es eine einheitliche Zielvorstellung, noch eine koordinierende Kommandozentrale, wie bei anderen politischen Bewegungen.

Ihre dezentrale Struktur ist zugleich Stärke und Schwäche der Tea Party. Die starke lokale Orientierung ermöglicht ihr ein hohes Maß an Bürgernähe, was sich in erstaunlichen Erfolgen einzelner lokaler Gruppierungen manifestiert. Das Fehlen einer einheitlichen Programmatik führt indes dazu, dass immer wieder auch problematische Persönlichkeiten unter ihrem Namen auftreten, die ihren Gegnern dann willkommene Anlässe zur pauschalen Verurteilung bieten.

Eine Erklärung für die scheinbare Überlappung von Tea Party und Republikanern (und deren häufige Gleichsetzung in der Medienberichterstattung) liegt darin, dass die „Grand Old Party“ oft – kontrafaktisch – mit konservativer Budgetpolitik und Sparsamkeit identifiziert wird. Sparsamkeit legen republikanische Mandatsträger allerdings nur in Wahlreden, nicht jedoch in der realen Politik an den Tag.

Sie verpulvern das Geld der Steuerzahler allerdings auf anderen Baustellen als die Demokraten – bevorzugt für Militär und Rüstung. Reagan, Bush sen. und Bush jun. sind beredte Beispiele für die Gleichzeitigkeit von Freimarktrhetorik einerseits und beinharten, die Staatsverschuldung in die Höhe treibenden Etatismus anderseits. Einige smarte republikanische Mandatsträger haben es verstanden, die Tea Party für ihre Politik zu instrumentalisieren. Die Hauptstrommedien haben diesen Umstand prompt in sein Gegenteil verkehrt, indem sie behaupten, die Grand Old Party sei von den Tea-Partiern „gehijackt“ worden.

Was die Tea-Partier eint, ist ihr Widerstand gegen die Bundesregierung in Washington, die ihre durch die Verfassung gesetzten Grenzen unentwegt überschreitet und ihre Macht kontinuierlich ausdehnt. Sie wollen die Macht des Staates beschränkt und kontrolliert wissen. Sie wollen schlicht in Ruhe gelassen werden.

Das sind Kernanliegen des klassischen Liberalismus. Bei der Forderung nach niedrigen Steuern und in der Konsequenz nach geringeren Staatsausgaben herrscht gleichfalls Einigkeit. Bei der Ablehnung militärischer Interventionen in Übersee, der Haltungen zu religiösen Fragen oder in der Drogenpolitik besteht indes nicht mehr ganz so große Übereinstimmung unter den Mitgliedern.

Ein besonders interessantes Kapitel des Buches widmet sich dem Vergleich der Tea Party mit der Occupy Wall Street-Bewegung. Die Aktivisten beider Gruppen rekrutieren sich zum Teil aus denselben gesellschaftlichen Gruppen; auch in der Kritik am Zentralstaat herrscht partiell erstaunliche Übereinstimmung. Die Vorstellungen vom anzustrebenden Idealzustand könnten jedoch kaum unterschiedlicher ausfallen: Die Staatskritik von Occupy Wallstreet läuft letztlich darauf hinaus, dass der Staat nicht wirksam genug interveniert – etwa um arbeitslosen Soziologen, Politikwissenschaftlern und Literaturwissenschaftlern lukrative Jobs zu verschaffen oder überschuldete Hausbesitzer vom Joch ihrer Hypotheken zu befreien. Die Tea Party dagegen zieht einen „Nachtwächterstaat“ vor, der sich um die innere und äußere Sicherheit und um den Schutz des für eine funktionierende Marktwirtschaft erforderlichen Privateigentums kümmert und der die Bürger ansonsten ihr Glück auf selbst gewählten Pfaden suchen lässt.

Für gesellschaftszerstörenden Klassenkampf, Diskriminierungsverbote, Gleichmacherei, Tugendterror und Genderwahn – alles sinnstiftende Elemente von „Occupy“ – ist in der Tea Party kein Platz. Ebenso wenig übrigens wie für Chaos und Gewalt, welche die Aktivitäten der Occupiers regelmäßig begleiten. „Wir verlassen die Orte unserer Zusammenkünfte sauberer, als wir sie vorgefunden haben“ – so ein auf den Vergleich mit Occupy angesprochener Aktivist der Tea Party.

Zur Zukunft der Tea Party stellen die beiden Autoren am Ende fest, dass deren Anziehungskraft nicht sinken wird, so lange es der Staat unternimmt, den Bürgern mehr und mehr deren sauer verdienten Geldes aus der Tasche zu ziehen und ihre Freiheit täglich mit neuen Ge- und Verboten einzuschränken.

Als freiheitsliebender europäischer Nettosteuerzahler kann man jedenfalls nur neidvoll in die USA blicken: Um eine derart fundamental staatskritische politische Bewegung hervorzubringen, wird die Staatquote in der Alten Welt wohl erst auf 90 Prozent oder mehr steigen müssen…

The Tea Party Explained
From Crisis to Crusade
Yuri Maltsev & Roman Skaskiw
Open Court Publishing Company, 2013
206 Seiten, broschiert,
ISBN 978-0-8126-9831-2
€12,87,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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