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Wird Österreich unregierbar?

Zyniker könnten darauf antworten, dass Österreich schon seit längerer Zeit unregierbar ist, beziehungsweise nicht wirklich regiert wird, denn die Blockade in der Koalition verhindert seit Jahren dringend anstehende Reformen in praktisch allen Bereichen. Aber nicht nur die beiden Koalitionsparteien blockieren einander, auch die Bundesländer legen sich immer wieder quer, und die mangelnde Stärke der Regierungsparteien, auch Verfassungsgesetze beschließen zu können, gibt der Opposition immer wieder die Möglichkeit, wichtige Gesetzesvorhaben zu blockieren. Was könnte also noch schlimmer werden?

Manche fürchten, mit derzeit bereits sechs Parteien im Parlament und neuen Anwärtern (von den Piraten bis zu den Neos), könnten wir wenig erfreuliche italienische Verhältnisse bekommen.

Apropos Italien: Es ist eine interessante Frage, warum drei europäische Länder, die sich 1945 politisch neu aufstellen mussten, so unterschiedliche Entwicklungen genommen haben. In Deutschland haben wir bis heute die traditionellen Parteien CDU/CSU, SPD und FDP immer wieder in Regierungsfunktionen. Das Parteienspektrum wurde nur – wie in vielen Ländern – durch die Grünen bereichert, sowie – ein deutsches Spezifikum – durch eine Linkspartei als Nachfolgerin der ehemaligen DDR-Einheitspartei.

Das Gegenstück zu Deutschland ist Italien, wo vor rund zwei Jahrzehnten das traditionelle Parteiengefüge implodierte und sich die langjährigen Regierungsparteien Democrazia Cristiana und die Sozialistische Partei auflösten. Die DC zerfiel in mehrere kleine Parteien – unter anderem auch die von Silvio Berlusconi geführten – während die PSI praktisch verschwand. Seitdem verunsichert ein bunter Mix von mehr oder weniger ernstzunehmenden Gruppierungen das Land.

Österreich liegt hier – nicht nur geographisch – dazwischen. Auch hierzulande gibt es seit 1986 die Grünen im Parlament, die aber schon seit geraumer Zeit stagnieren. Dank ihres kaum verhohlenen Drängens auf eine Zusammenarbeit mit der SPÖ werden sie von vielen nicht als echte Oppositionspartei wahrgenommen. Die diversen Abspaltungen der FPÖ (LIF, BZÖ, FPK) haben allesamt nicht nachhaltig reüssieren können, es fehlt(e) Jörg Haider, der es immer wieder schaffte, mit seinem Charisma Mandate zu erringen. Diese Zeiten sind vorbei, wie Haiders kümmerliches Abziehbild, HC Strache, nunmehr leidvoll zu spüren bekommt.

Denn auch das Oppositions- und Protestmonopol der marktschreierischen FPÖ ist gebrochen: Durch einen achtzigjährigen Austro-Kanadier, der es ohne xenophobe Töne schafft, im freiheitlichen Protestreservoir zu wildern. Auch er hat – wie die FPÖ – kein wirklich vernünftiges Programm für Österreich, aber eine offensichtlich große Attraktivität für Wutbürger verschiedener Couleurs. Was man von den Piraten hierzulande halten soll, weiß niemand, und die sogenannten Neos haben möglicherweise – bevor sie noch richtig gestartet sind – schon ihren ersten Kapitalfehler begangen: Sie haben die traurigen Links-Genderisten des LIF und ein paar bedeutungslose Grüne mit an Bord genommen; wohl mit dem Hintergedanken, möglichst viele Themen abzudecken und damit eine Partei für alle zu werden. Aber Allerweltsparteien für alle sind bekanntlich Parteien für niemanden – etwas, was auch die ÖVP noch immer nicht begriffen hat.

Packelei und Blockade

Die stabilen Verhältnisse in Deutschland gründen sich wohl darauf, dass dort große Koalitionen die Ausnahme sind, während sie in Österreich eine fatale Regel darzustellen scheinen. Nur zwei Mal seit 1945 gab es Deutschland große Koalitionen für insgesamt sieben Jahre, in Österreich blicken wir auf 40 Jahre dieser verhängnisvollen Regierungsform zurück, die wie keine andere zu Packelei einerseits, beziehungsweise zur Blockade andererseits einlädt. Was nach dem Krieg, in der Zeit des Wiederaufbaus, eine segensreiche Einrichtung war, ist zu einem demokratiepolitischen Mühlstein geworden.

In Deutschland ist Innenpolitik durch das wechselnde Spiel der Kräfte spannend geblieben. Sowohl die Unionsparteien als auch die SPD haben mit der FDP koaliert, die SPD hat es einmal mit den Grünen versucht. Deshalb hat wohl auch die Politikverdrossenheit in Deutschland noch nicht das österreichische Niveau erreicht, denn der deutsche Wähler weiß, dass man Regierungen auch abwählen kann. Der österreichische Wähler dagegen hat gelernt: „Egal, was ich wähle, es kommt ja doch immer wieder das mehr oder weniger gleiche heraus.“

Im Wahljahr 2013 scheint es also, als hätte der frustrierte Wutbürger über die FPÖ hinausgehend mehrere Optionen zum Dampfablassen, weshalb sich die Stimmen auf besonders viele Parteien verteilen könnten.

Viele Kaffeesudleser bewegt schon Monate vor der Wahl die Frage, was passiert, wenn es SPÖ und ÖVP diesmal nicht mehr schaffen, gemeinsam die absolute Mehrheit, und damit eine Regierung, darzustellen. Steht uns dann eine Dreierkoalition oder gar eine Minderheitsregierung ins Haus? Und wie könnte eine derartige Dreierkoalition zusammengesetzt sein, unter der Prämisse, dass ja niemand mit der „grauslichen“ FPÖ koalieren möchte?

Alternativlos gegen die Wand?

Interessante, wenn auch derzeit noch etwas hypothetische Fragen, die insbesondere vor dem Hintergrund der Parteienauswahl wenig optimistisch stimmen. Denn nicht nur das Angebot an gründlich ausgelaugten und reformunwilligen Regierungsparteien ist hierzulande deplorabel, auch die Oppositionsparteien machen nicht wirklich viel her. Überzeugende Entwürfe für eine ernsthafte Beschäftigung mit den drängenden Problemen auf europäischer, aber auch auf nationaler Ebene sind nirgendwo zu finden. Das von Politikern überstark strapazierte Wort „alternativlos“, das 2010 in Deutschland zum Unwort des Jahres gekürt wurde, ist zu einem beliebten Totschlag-Argument geworden, Diskussionen über unangenehme Fragen gar nicht erst aufkommen zu lassen.

So ist das weitere Hineinschütten von Milliarden zwecks einer fragwürdigen Euro-Rettung nach wie vor genauso „alternativlos“ wie etwa die dramatische Erhöhung der Parteienfinanzierung hierzulande. „Alternativlos“ ist offensichtlich auch, dass wir uns eine Bundesstaats- oder Bürokratiereform gar nicht vorstellen können oder wollen. Seit Jahren wird uns ein Schuldenabbau versprochen, tatsächlich wachsen jedes Jahr die Schuldenstände weiter – ist wahrscheinlich auch „alternativlos“. Ein angekündigtes „Demokratiepaket“ ist die Überschrift nicht wert, die es trägt; es eignet sich nicht einmal zu einer treuherzigen Augenauswischerei; es ist also auch die Fortschreibung des demokratiepolitischen Stillstands hierzulande „alternativlos“.

Da ist es nur ein geringer Trost, dass wir immerhin eine Regierung haben, zum Unterschied von Italien, wo das Chaos offensichtlich „alternativlos“ ist, etwa mit der Partei eines Komikers, die zwar rund 25 Prozent der Stimmen erhalten hat, sich aber jeder politischen Betätigung verweigert (mit so einem Stimmenanteil ist man immerhin in Österreich schon Junior-Partner in einer großen Koalition).

Ein Hoffnungsstrahl kommt aus Deutschland: Dort hat sich nun aus der bürgerlichen Mitte des Landes kommend eine „Alternative für Deutschland“ formiert, die bei den heurigen Bundestagswahlen antreten will. Diesmal sind es weder rechtsopportunistische Verbalradikalinskis noch alternde Besserwisser, sondern Wirtschaftsprofessoren und Unternehmer, die sich täglich im Beruf bewähren müssen. Die Bewegung setzt sich vor allem für Recht, Gesetz und Vertragstreue ein; sie zeigt zudem konkrete Wege aus der Euro-Krise auf. Sie legt in der Europa-Politik das Schwergewicht auf ein Europa souveräner Staaten mit einem gemeinsamen Binnenmarkt, wobei das Budgetrecht der nationalen Parlamente erhalten bleiben sollte und auch eine Transferunion beziehungsweise ein zentralisierter europäischer Staat abgelehnt wird. Sie unterstützt die vernünftigen  Positionen des britischen Premierministers David Cameron, die EU durch mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung wieder zu verschlanken. Die Wirtschaftsprofessoren legen auch Wert auf einen echten Abbau der Staatsverschuldung und auf ein vereinfachtes Deutsches Steuerrecht.

Die Partei ist seit Februar unterwegs, am 14. April soll der Gründungsparteitag stattfinden. Man darf gespannt sein, wie sich diese Initiative der Bürgergesellschaft entwickelt – bei einem Erfolg wäre auch ein Ableger in Österreich wünschenswert.

Prof. Dr. Herbert Kaspar ist Herausgeber der ACADEMIA, der Zeitschrift des österreichischen Cartellverbandes. Dieser Kommentar ist der aktuellen April-Ausgabe – die am 3.4. erscheint – entnommen.

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