Was tun Parteien, deren Geschäftsmodell auf dem Schüren von Armutssangst zu basieren scheint, wenn die Armut immer weiter schrumpft? Richtig – man erfindet neue Kennzahlen und berechnet die „alte“ Armut auf die „neue“ Weise. Der Sozialbericht von Minister Rudolf Hundstorfer erweckte kürzlich den Eindruck, die manifeste Armut wäre gestiegen – dabei hatte man sie nur neu berechnet.
Nach EU-weit verwendeten Kriterien sind in Österreich schon seit Jahrzehnten zwischen drei und vier Prozent „manifest arm“ (2011: 3,9 Prozent). Dabei sind „manifest Arme“ heute weniger arm als noch vor etwa 20 Jahren, denn sie verfügen heute fast ausnahmslos über Fernseher, Waschmaschine oder Telefon.
96 Prozent der in Österreich Lebenden betrifft „manifeste Armut“ also nicht.
Damit kann man Österreichs Mittelschicht aber nicht mehr suggerieren, sie stünde vor dem sozialen Abstieg und solle deshalb vermeintlich „soziale und gerechte“ Parteien wählen.
2008 erfand die Statistik Austria eine neue Armuts-Kennzahl (siehe S. 74 „EU-Definition“ im Armutsbericht). Nach EU-Definition galt als „manifest arm“, wer „vier von neun Kriterien“ erfüllte (Grafik-Übersicht unten), nach österreichischer Definition gilt nun als manifest arm, wer auch nur „ein (oder zwei) von sieben Kriterien“ erfüllt. Und die Kriterien selber verschärfte man auch noch. So strich man den „Besitz von TV, Telefon und Waschmaschine“ aus der Kriterien-Liste (Weil das fast niemanden mehr betraf) und ersetzte sie durch neue Kriterien wie „Können Sie unerwartete Ausgaben von 950 Euro spontan tätigen?“
So waren Österreicher, die nach EU-Definition nicht arm waren, nach „österreichischer“ Definition ab 2008 plötzlich schon arm, wenn sie nicht mindestens einmal im Monat Freunde zum Essen einladen konnten oder nicht jeden zweiten Tag Fleisch/Fisch/vegetarisch aßen („Machen Germknödel arm?“).
Wie willkürlich die Verschärfung erfolgte, demonstriert die Tatsache, dass nicht nur 323.000 Armutsgefährdete es sich nicht leisten konnten, Freunde regelmäßig zum Essen einzuladen, sondern auch 591.000 Nicht-Armutsgefährdete.
Ebenfalls 2008 erschuf die Statistik Austria (mit Armutskonferenz, …) einen Katalog von 17 nationalen Eingliederungsindikatoren, um die Armuts- bzw. Ausgrenzungsquote zu ermitteln. Demnach sind 18 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer gefährdet (siehe S. 110 ff im Armutsbericht), weil sie…
- „…mehr als 25 Prozent des Einkommens für Miete ausgaben“, was 18 Prozent der Bevölkerung betraf (und was - schwuppdiwupp - 100.000-e Studenten oder Junge über Nacht in die „manifeste Armut“ rutschen ließ. Ohne dass diese freilich davon etwas ahnten).
- „…Bad oder WC am Gang hatten oder ein Raum dunkel oder schimmlig war“, drei Prozent kreuzten dies an (Wem fällt bei so einer Befragung da nicht ein dunkles Zimmer ein? Oder der Badezimmerschimmel vom letzten Jahr?)
- „…sich durch Kriminalität oder Lärm oder Umweltverschmutzung belästigt fühlten“, das betraf 10 Prozent (!) aller Bürger (immerhin fühlten sich plötzlich 100.000-e Haushalte an Durchzugsstraßen wie dem Gürtel oder der Ringstraße betroffen).
Durch Studenten war Dauerarmut plötzlich gestiegen
Die Experten von Armutskonferenz und Co hatten ganze Arbeit geleistet. Mit der neuen Kennzahl ist es fast schon eine Kunst, nicht arm bzw. durch Armut ausgegrenzt zu sein. Zusätzlich hatten die „neu designten“ Kennzahlen viele Studenten nicht nur in die manifeste, sondern sogar in die dauerhaft manifeste Armut/Ausgrenzung geschickt. Dies wird marketingmäßig nun intensiv verwendet.
Wer mit übertriebenen Armutszahlen Ängste schürt, stellt sich auf die gleiche Ebene wie jene, die dies mit übertriebenen Fremdenzahlen tun. Es ergibt sich dringender Handlungsbedarf:
- Rücknahme der willkürlich erschaffenen Kennzahlen
- Künftig Berechnung wieder nach EU-weit anerkannten Definitionen
- Demokratisierung der Armutsdiskussion. Der ORF hat auch solchen Organisationen eine Plattform zu bieten, die der bisherigen Darstellung kritisch gegenüber stehen. Es dürfen nicht nur negative Detailergebnisse aus Sozial- und Armutsbericht herausgepickt werden.
- Die Bevölkerung ist über die wahren Inhalte des EU-Armutsberichtes zu informieren
- Die Statistik Austria wird mit Konrad Pesendorfer vom Kanzlerberater Faymanns (SPÖ) geleitet. Ideologisch motivierte Besetzungen schaden dem Ansehen solcher Organisationen und sind nicht angetan, das Vertrauen in die demokratischen Strukturen unseres Landes zu festigen.
- Die öffentlichen Subventionen für Organisationen, deren einzige Aufgabe das Schüren von gesellschaftlicher Abstiegsangst zu sein scheint, sollten einer grundsätzlichen Überprüfung unterzogen werden.
Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. In seinem aktuellen Buch „Die Gemeinwohl-Falle“ beschäftigt er sich mit Zahlen und Thesen Christian Felbers, Jean Zieglers, der Arbeiterkammer und der Caritas. Zentrales Thema ist bei Hörl „die geschürte Abstiegsangst“.
Ich sehe es als extrem pervers an, mit solchen Kriterien zu arbeiten.
Nehmen wir an, jemand nimmt Kredit auf um jene 'unerwartete Ausgabe' oder die 'neue Kleidung' kaufen zu können. Dann ist er nicht arm, denn er kann es sich ja 'leisten'!
Die gute alte doppelte Buchführung zeigt uns aber: das Gegenteil ist der Fall.
Denn vorher war die GuV stets neutral, Einnahmen standen Ausgaben in gleicher Höhe gegenüber.
Nun ist die GuV schwer im Minus, diese Art von Ausgaben sind ja direkte Aufwendungen und logischerweise nicht aktivierbar.
Also schlägt der Verlust in die Bilanz durch, das 'Eigenkapital' wird negativ oder zumindest weniger, man hat also von der Substanz oder der Zukunft gezehrt.
Hier wird ein Denkfehler der Linken offenbar! (Wie in D mit der Medianrechnung).
Dabei wäre es so einfach! Arm ist wer sich Essen und Trinken nicht leisten kann, wer keinen warmen Platz zum Schlafen hat, wer keine notwendigen medizinischen Leistungen erhält. Daneben noch Personen, welche die Ausbildung ihrer Kinder nicht finanzieren können.
Bleiben in Österreich also 0 (in Worten: Null) Personen übrig.
Jedenfalls herzlichen Dank für diese Informationen!
Natürlich gibt es arme Menschen. Wenn eine Mutter am Grab ihrem Kind nachschauen muß, dann ist sie arm. Wenn ein 3jähriger mit Leukämie im Spital landet, dann ist er arm. Wenn ein alter Mensch in seiner Wohnumgebung keine einzige Ansprechperson mehr hat (z.B. umzingelt von lauten Türken), dann ist er arm.
Wenn jemand keinen Farbfernseher hat, kann er sich glücklich schätzen - er erspart sich den ORF. Wenn einer kein Auto benötigt, kann er sich glücklich schätzen - Benzinpreiswucher ist ihm egal. Wenn jemand im Sommer am Flußufer vor sich hinträumt und kein WC mit Wasserspülung in unmittelbarer Nähe hat, ist der arm?
Statistik ist immer in Zahlen gegossene Lüge!
Das ist so, wie wenn uns die Politiker pausenlos erklären, daß wir "im Vergleich" wie im Paradies leben. Nur, wir leben nicht "im Vergleich" sondern in Österreich.
Aus aktuellem Anlaß:
Helmut Zenker, bekennender Kommunist und Erfinder des Fernseh-Kottan, wurde einmal gefragt, wie er als stolzer FERRARI-Besitzer das mit seiner linksextremen Überzeugung vereinbaren kann. Seine entwaffnende Antwort "Ich möchte, daß sich ALLE Mitmenschen ein solches Auto leisten können"!
Soweit wird es noch kommen, denn auf die Spitze wird uns bald vermittelt - arm ist jeder, der sich einen FERRARI nicht leisten kann. Der Selbstzweck der linken Umverteiler wird immer dreister!
Huch. Ich bin arm.
Das Kriterium mit dem Essen verstehe ich nicht einmal. Wenn ich nicht Fisch oder Fleisch esse - ist das dann nicht automatisch vegetarisch?
Die anderen Kriterien kommen mir auch alle ziemlich vage vor. Was ist "abgemessen warm"? Wie oft muss ich mir neue Kleidung kaufen um das Kriterium nicht zu erfüllen? Was ist, wenn ich es mir zwar leisten könnte die ganze Verwandtschaft jede Woche ins Schweizerhaus auszuführen, es aber einfach nicht tue? Oder umgekehrt zwar am Rand des Bankrotts stehe, aber jeden Monat einen Freund auf einen Hot-Dog beim Würstelstand einlade? Wann ist ein Arztbesuch notwendig? Meistens gehen Leute nicht zum Arzt, weil sie nicht wollen, nicht weil sie es sich nicht leisten können. Das finanzielle Problem entsteht in der Regel im Land der Pflichtversicherung ohnehin nicht beim Arztbesuch sondern dann bei der Finanzierung der vom Arzt empfohlenen Maßnahmen. Und so weiter.
Das sind alles keine klar definierten Kriterien.
Sehr geehrter Herr Hörl!
Vielen Dank für Ihren aufschlussreichen Artikel! Es ist wichtig, dass auf solche manipulativen Tricks hingewiesen wird.
Ich möchte Sie aber darum bitten, die Grafik (und zukünftige Grafiken) ordentlich zu gestalten. Im Bild sind diverse rote Wellenlinien von der Rechtschreibkorrektur zu erkennen. Sie haben offenbar einfach einen Screenshot gemacht, und dann das Bild abgespeichert.
Weiters sind in der Grafik zw. einigen Wörtern enorm breite Leerräume (z.B. "Notwendige Arzt- oder").
Schämen Sie sich denn dafür gar nicht? Sind wir als Leser Ihnen derart egal, dass Sie eine so schlampige Grafik veröffentlichen?
Exportieren Sie doch bitte eine herzeigbare Grafik, und wenn das Ihr Programm nicht kann, dann schalten Sie wenigstens die Rechtschreibprüfung aus, bevor Sie den Screenshot aufnehmen.
Und Formatieren Sie den Text doch einfach linksbündig, und noch besser, aktivieren Sie die Silbentrennung. Dann sind auch die breiten Leerräume weg.
Nix für Ungut, aber es kommt eben nicht nur auf den Inhalt an, sondern auch auf die Präsentation. Letztere ist vor allem ein Indikator dafür, wie viel Respekt Sie Ihren Lesern entgegenbringen.
Vielen Dank
"Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe".
Dieser Satz wird zwar fälschlicherweise Winston Churchill zugeordnet, aber kam vermutlich aus dem Mund vom Reichspropagandaminister Joseph Goebbels bzw. seinem Mitarbeiterstab.
Auch Rudolf Hundsdorfer beherrscht diese Zahlenspielereien und zeigt immer wieder, wie Österreich im Vergleich zu anderen Ländern "gut" dasteht. So werden uns monatlich auch immer "geschönte" Arbeitslosenzahlen mitgeteilt. Tatsächlich werden kurz vor dem Stichtag immer zigtausende Arbeitslose auf überwiegend nutzlose Kurse geschickt, damit diese an diesem Tag nicht zu den Arbeitslosen zählen. Ein Nachbar, welcher kurz vor Erreichung des Pensionsalters steht, wurde eben aus dem gleichen Grund zum x-ten Mal auf einen Kurs "Wie bewerbe ich mich richtig" gesandt.