Das staatliche Geldmonopol

Das Urteil der Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe fiel erwartungsgemäß aus. Wer gemeint hatte, dass ein paar deutsche Staatsdiener es wagen würden, gegen den Zeitgeist aufzubegehren, der gnadenlos in Richtung Zentralisierung und Kollektivierung Eurolands weht, wurde herb enttäuscht. Es ist allerdings offensichtlich, dass diese Entscheidung lediglich eine Facette auf dem Weg in einen immer wahrscheinlicher werdenden, weltweiten Finanzkollaps darstellt.

Wie die Bank of England setzt auch die US-Fed seit Jahren – (beide übrigens ohne jeden erkennbaren Erfolg) die Geldpresse zur Staatsfinanzierung ein. Außer Spesen nichts gewesen (von exorbitanten Schulden abgesehen). Die EZB ist mit ihrer jüngst proklamierten Absicht, unbegrenzt Staatsanleihen der üblich verdächtigen Pleitekandidaten aufkaufen zu wollen, auf den nämlichen Pfad eingeschwenkt; und die Bank of Japan hat soeben bekannt gegeben, weitere (umgerechnet) 127 Mrd. Dollar an Anleihen anzukaufen und damit die Billionengrenze ihres „quantitative easing“ zu sprengen. In Nippon sind die Entscheidungsträger also wild entschlossen, auch noch die letzten unberührten Grundstücke im Land einzubetonieren. J. M. Keynes hätte seine helle Freude.

Die Zeichen stehen – wer wollte davor, angesichts dieser Entwicklungen, noch die Augen verschließen – auf Geldentwertung. Inhaber von auf Nominalwerte lautenden Anlagen (z. B. festverzinsliche Sparbücher und Lebensversicherungen) sind nicht zu beneiden. Ihre Zukunftsvorsorgen werden in den kommenden Jahren kräftig an Wert verlieren. Die „finanzielle Repression“ der Staaten macht das Sparen zu einer Liebhaberei für Masochisten. Die Zukunft gehört den Schuldenmachern. Das ist auch gut so, denn wie wir ja gelernt haben, ist die Voraussetzung für nachhaltigen Wohlstand schließlich der unbeschwerte Konsum und nicht etwa spießig-freudloser Verzicht.

In einer Zeit, in der nur wenige es wagen, sich kritisch zur weltweit betriebenen, inflationistischen Geldpolitik zu äußern, ist es besonders bemerkenswert, wenn ausgerechnet ein Systeminsider mahnende Worte im Hinblick auf die aktuelle Geldpolitik findet. Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank, zitierte anlässlich eines Kolloquiums des Instituts für Bankhistorische Forschung ausgiebig aus Goethes Faust II, um vor den fatalen Konsequenzen einer hemmungslosen Geldproduktion zu warnen.

Mephisto schlüpft an der betreffenden Stelle in die Rolle eines (Papier-)Geldproduzenten, der dem klammen Kaiser ein scheinbar wunderbares Zaubermittel zur Wohlstandsproduktion andient. Der Kaiser jammert: „Ich habe satt das ewige Wie und Wenn; Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff’ es denn.“ Mephisto antwortet darauf: „Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr.“ Das tut er dann auch – mit der finalen Konsequenz einer totalen Zerstörung des Geldwertes.

Alchemie mit anderen Mitteln

Weidmann zeigt sich in seinem Vortrag beeindruckt von der Hellsichtigkeit Goethes, der den unheilvollen Zusammenhang von „Papiergeldschöpfung, Staatsfinanzierung und Inflation – und somit ein Kernproblem ungedeckter Währungsordnungen…“ so klar erkannt hat. In der Tat gerät dabei sofort die verhängnisvolle Entwicklung in Deutschland zu Beginn der Zwanzigerjahre ins Bild, als sich im Zuge einer Hyperinflation sämtliche Geldvermögen (namentlich die des Mittelstandes) in Rauch auflösten – mit allen politischen Konsequenzen, die dann folgten. Weniger weit zurückliegende Beispiele afrikanischer oder südamerikanischer Bananerepubliken zeigen dieselben Ergebnisse. Prof. Binswanger habe, so Weidmann, bereits Mitte der 80er Jahre festgestellt, dass Papiergeldschöpfung eine Fortsetzung der Alchemie mit anderen Mitteln darstelle.

Bleibt zu anzumerken, dass der einzige Unterschied darin besteht, dass Zentralbanker nicht Blei in Gold verwandeln, sondern weiße in bunte Zettel, die sie dann Geld nennen. Auch sie transformieren somit etwas Unbedeutendes in etwas Wertvolles. Nicht ohne gehörige Ernüchterung muss festgestellt werden, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen, besonders aber die politische Klasse und die ihr in einem symbiotischen Verhältnis verbundenen Banker und Zentralbanker, offensichtlich davon überzeugt sind, den seit dem Mittelalter gesuchten Stein der Weisen gefunden zu haben: Die Schaffung von Geld aus dem Nichts.

Weidmann: „Durch den staatlichen Zugriff auf die Notenbank in Verbindung mit großem staatlichem Finanzbedarf wurde die Geldmenge jedoch häufig zu stark ausgeweitet, das Ergebnis war Geldentwertung durch Inflation.“ Seiner zweifellos zutreffenden Diagnose folgt allerdings lediglich die Forderung nach einer Respektierung der Unabhängigkeit der Notenbanken und deren Schutz vor politischen Zugriffen. Das greift in mehrfacher Hinsicht zu kurz. Die Unabhängigkeit von Notenbanken wird ewig eine Illusion bleiben. Außerdem würde sie nichts am zweiten zentralen Problem unserer Geldwirtschaft ändern – dem Teilreservesystem der Geschäftsbanken.

Um vom staatlich zwangsverordneten Schwundgeld wegzukommen und – wieder – eine dauerhaft werthaltige Währung zu etablieren, reicht kein halbherziger Versuch, die (scheinbare) Unabhängigkeit eines Geldmonopolisten von Leviathans Gnaden herstellen zu wollen. Dazu bedarf es der „Denationalisierung des Geldes“, wie F. A. Hayek sie bereits vor Jahrzehnten gefordert hat, eine Abschaffung von planwirtschaftlichen Inflationierungsbehörden (Zentralbanken) und einer hundertprozentigen Reservehaltungsverpflichtung durch die Geschäftsbanken.

Jens Weidmann hat, im Zusammenhang mit der Geldmengenausweitung leider nur die Rolle der Zentralbanken, nicht aber jene der Geschäftsbanken beleuchtet. Die spielen dabei nämlich eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Den wenigsten Zeitgenossen dürfte klar sein, dass im Moment einer Kreditgewährung durch eine Geschäftsbank (Giral-)Geld entsteht, das bis zu diesem Moment noch nicht existiert hat. Denn das von den Geschäftsbanken verliehene Geld stammt nur zu einem kleinen Teil aus den Einlagen von Sparern. Der Großteil der Kredite wird dagegen aus dem Nichts geschaffen – so wie die Notenbanken Geld aus dem Nichts schaffen. Im Endeffekt läuft das allerdings auf dasselbe – die Verringerung des Wertes des bereits vorhandenen Geldes – hinaus.

Dem folgenden Zitat des Bundesbankchefs ist vollinhaltlich zuzustimmen: „Der beste Schutz gegen die Versuchungen in der Geldpolitik ist eine aufgeklärte und stabilitätsorientierte Gesellschaft.“ Wo und wie diese „aufgeklärte Gesellschaft“ allerdings entstehen soll, wenn bereits Kleinkinder zu Konsumtrotteln erzogen und auf Verzichtsverweigerung konditioniert werden, bleibt Herrn Weidmanns Geheimnis…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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