Die roten Meinungsmacher (18): Teddy statt Tiger: Bachers zweiter Abgang

Im Dezember 1985 wechselt völlig überraschend der neue Informationsintendant Franz Kreuzer in das Kabinett von Fred Sinowatz. Kreuzer wird der Nachfolger von Gesundheitsminister Kurt Steyrer, der als Spitzenkandidat für die SPÖ in den Präsidentschaftswahlkampf gegen Kurt Waldheim zieht.

Bundeskanzler Sinowatz hat als neuen Informationsintendanten, ohne jede Absprache mit Gerd Bacher, den bisherigen Sportchef Thaddäus „Teddy“ Podgorski auserkoren. Der brüskierte Bacher stimmt vorerst zähneknirschend der provisorischen Leitung der Informationsintendanz durch Podgorski zu. Wenige Wochen später entbindet er den Schützling von Bundeskanzler Sinowatz jedoch wieder von seinen Aufgaben als Informationsintendant und macht sich auf die Suche nach einen neuen Kandidaten.

Um die verärgerte SPÖ ein wenig zu beruhigen, versucht Bacher den populären Hugo Portisch für diesen Job zu gewinnen. Ein weiterer strategischer Fehler. Denn der ohnehin bereits beleidigte Sinowatz rechnet Portisch dem bürgerlichen Lager zu. Die SPÖ winkt ab, Bacher muss einen neuen Kandidaten finden, der die SPÖ doch noch zufrieden stellt. Anfang 1986 nominiert er Johannes Kunz, der sieben Jahre lang Kreiskys Pressesekretär war. Diese Personalentscheidung konnte die „Wogen der Erregung in der SPÖ nur kurzfristig glätten“.[i]

Kunz gilt auch innerhalb der SPÖ nur als medienpolitisches Leichtgewicht und mit seiner neuen Position als vollkommen überfordert. Das Standing Bachers in der SPÖ verschlechtert sich weiter, die ÖVP ist nach der Novellierung der Rundfunkreform ohnehin schlecht auf ihn zu sprechen, Bacher hat sich mit seinen machtpolitischen Schachzügen ins Abseits manövriert, der Tiger verwandelt sich zusehends in eine Hauskatze.

Weiteres Ungemach kommt auf Bacher zu, nachdem Kurt Waldheim die Wahl zum Bundespräsidenten gewinnt. Die durch die Krise der verstaatlichten Industrie ohnehin schon gebeutelte SPÖ wird durch die Niederlage ihres Spitzenkandidaten Kurt Steyrer völlig verunsichert. Als eine der Ursachen für diese Niederlage orten die Sozialsten die angeblich zu Waldheim-freundliche Wahlkampfberichterstattung im ORF.

Bacher ohne Mehrheit

Für die anstehende Generalintendantenwahl hat Bacher damit nicht gerade die besten Karten, obwohl ihm nach wie vor einige hochrangige SPÖ-Politiker, wie etwa der Grazer Bürgermeister und ORF-Kurator Alfred Stingl, die Treue halten. Trotzdem werden die Bacher-kritischen Stimmen innerhalb der SPÖ immer lauter.

Bacher legt sich deshalb mächtig ins Zeug und macht der SPÖ ein verlockendes Angebot. Und zwar „die Wiederwahl des gesamten ORF-Führungsteams, das bei der letzten Wahl vor vier Jahren eine deutliche Mehrheit erhalten hatte. Der interimistische Informationsintendant Johannes Kunz werde in absehbarerer Zeit aus seiner Funktion ausscheiden und der SPÖ sollte es dann freistehen, einen Nachfolger zu nominieren.“[ii]

Doch Bacher hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Für ihn ist der Zug abgefahren. Die Genossen reagieren auf seine beinahe schon verzweifelten Angebote mit Häme. Ein SPÖ-Kurator: „Der Bacher hat geglaubt, das ist eine g’mahte Wiesen. Jetzt rennt er wie verrückt herum und verteilt Geschenke. Ich habe den Tiger noch nie so sehr als Bettvorleger erlebt wie jetzt. Da schaut ja nur mehr das Schwanzerl raus.“[iii]

Die SPÖ hat die letzte Generalintendanten-Wahl noch in schlechter Erinnerung und will diesmal keinerlei Risiko eingehen. All ihre Kuratoren müssen für Podgorski stimmen. Die letzten verbliebenen sozialistischen Bacher-Freunde werden deshalb vom SPÖ Zentralsekretär und ORF-Kurator Heinrich Keller auf Linie gebracht: „Wenn die Partei eine Linie beschlossen hat, haben sich alle daran zu halten, egal welche persönlichen Präferenzen sie haben.“[iv]

Am 7.Juli 1986 wird Teddy Podgorski zum neuen Generalintendanten gewählt. Die Arbeiterzeitung jubelt: „Und diesmal kommt er wohl nicht wieder. Es schien ja, als hätte er sieben Leben.“[v] Auch in diesem Fall sollte sich die Arbeiterzeitung täuschen.

(Die „Roten Meinungsmacher“ erscheint – wie am 6. November erläutert – im wöchentlichen Abstand als Serie im Gastkommentarbereich des Tagebuchs. Nächstes Kapitel: Welches Monopol? – Die Kampfrhetorik der Monopolisten)

Literatur

Fidler, Harald; Merkle, Andreas: Sendepause – Medien und Medienpolitik in Österreich; Oberwart 1999

Godler, Haimo; Jochum, Manfred; Schlögl Reinhard; Treiber, Alfred (Hg.): Vom Dampfradio zur Klangtapete – Beiträge zu 80 Jahren Hörfunk in Österreich; Wien 2004

Kriechbaumer, Robert: Zeitenwende – Die SPÖ-FPÖ Koalition 1983-1987. Wien 2008

Endnoten

[i] Kriechbaumer. 2008. Seite 431.

[ii] Kriechbaumer. 2008. Seite 433.

[iii] Siehe Wochenpresse Nr. 27 1986.

[iv] Kriechbaumer. 2008. Seite 434.

[v] Kriechbaumer. 2008. Seite 434.

 

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