Zeitgeist und Verdrängung

Am 10. 02. 2012 brachte Ö1 bis 14.40 Uhr eine Sendung zur Frage „Depressionen und ihre Ursachen."

Eine merkbar dem Heute verhaftete Psychologin bezog sich auf zahlreiche Statistiken. Demzufolge werden Depressionen in wenigen Jahrzehnten zur Volkskrankheit Nummer eins aufrücken und Herz/Kreislauferkrankungen sowie Krebs hinter sich lassen.

Dann kam zur Erläuterung der Ursachen so alles, was  dem Zeitgeist nahe kommt, wie das von der Werbung suggerierte Soll-Bild, die Wellness-Manie, der Freizeitstress, der Neoliberalismus, der verordnete Individualismus, die Armut als Verstärker, der Ich-Bezug usw.

Zu Letzterem kam mir Ferdinand Ebners „Ich Einsamkeit“ in den Sinn. Auf dieser Brücke weiterzugehen, wurde allerdings sorgfältig vermieden. Sonst wäre man nämlich voraussichtlich bei der Frage gelandet, ob es einen Unterschied bei depressiven Erscheinungsbildern zwischen Menschen mit und solchen ohne Ewigkeitsbezug gäbe; anders gesagt – früher lebten die Leute durchschnittlich 45 Jahre und danach unendlich.

Heute werden sie 90 und danach ist nichts – in die 90 Jahre muss also in logischer Konsequenz alles, wonach vermeintlich zu streben ist, hineingepackt werden – wenn man dabei nicht depressiv werden muss! Der Verdrängungsmechanismus funktioniert zumindest in unserem Kulturkreis bereits perfekt! Gesucht wird nicht dort, wo etwas verloren wurde, sondern dort, wo das Licht brennt.

Die vorgeblich am höchsten entwickelte Zivilisation mit ihren Wesen, die nichts mehr über sich akzeptieren, ist auf dem sicheren Weg, sich selbst kaputt zu machen. Ein „Kehret um…“ bringt den besorgten Mahner an die Grenze des Lächerlichen. Das Risiko gehe ich ein.

Ernest König ist ehemaliger Kommandant der Landesverteidigungsakademie.

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