Systemdebatte ist Themenverfehlung

Hirnforscher sind für pädagogische Verbesserungen statt einer Veränderung des Schulsystems. Diese Erkenntnis mag viele Unterstützer des Androsch-Bildungsvolksbegehrens enttäuscht haben, die in den letzten Wochen namhafte Neurowissenschafter nach Österreich eingeladen haben. Mag. Isabella Zins, Vorstandsmitglied der Bildungsplattform Leistung & Vielfalt, findet es jedenfalls sehr erfreulich, dass die moderne Hirnforschung – ebenso wie die moderne Bildungswissenschaft – keinerlei Empfehlung für einen Systemwechsel hin zu einer gemeinsamen Schule abgibt.

Die Bildungsplattform Leistung & Vielfalt sieht sich in ihrem Anliegen bestätigt: Der Fokus muss auf das Wesentliche gelenkt werden: Auf begabungsgerechte Förderung in einem vielfältigen und leistungsbewussten Schulsystem und Beziehungsarbeit an den Schulen.

Es wäre höchst an der Zeit, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse der Hirnforschung in der Pädagogik und vor allem auch in der Politik Resonanz finden, damit unsern Kindern nicht noch mehr Schaden zugefügt wird. Das zeigten zwei interessante Vorträge in Wien.

Zwei berühmte deutsche Hirnforscher, der Neurobiologe Joachim Bauer und der Lernforscher, Mediziner und Psychologe Manfred Spitzer, brachten es auf den Punkt: Am wichtigsten sind zuverlässige Beziehungen, denn Motivation und Lernen laufen über Beziehung. Am wichtigsten sind außerdem künstlerische sowie sportliche Fächer und Schauspiel.

Ebenso wichtig: Die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen an den Schulen, damit die Pädagogen motiviert arbeiten können. Sowohl Bauer als auch Spitzer unterstrichen, wie übrigens auch der ebenfalls zu einer Veranstaltung in Wien angereiste deutsche Kinderpsychiater Michael Winterhoff: Eltern und Lehrer brauchen Unterstützung bei der Erziehung, und die Politik hat laut DDr. Spitzer die Aufgabe, radikal gegen die „Vermüllung der Kindergehirne“ durch zu großen Medienkonsum vorzugehen (bis hin zu Verboten von Gewaltspielen und hoher Besteuerung von schädlichen Spielen).

Schade, dass diese Botschaften bisher ungehört verhallen. Es gäbe viel zu tun:

Eltern- und Lehrerbildung; Kinder fordern statt verwöhnen; mehr Beziehungsarbeit in der Schule und zu Hause; Balance zwischen Einfühlung und Führen;  Bereitstellung von Förderangeboten an den Schulen, vor allem im Bereich Sport und Kunst; Fernhalten der Kinder vor schädlichen Medieneinflüssen; Umbau von Schulgebäuden; Bereitstellung von warmen Mahlzeiten usw.

Eltern und Lehrer müssen zwingend Bescheid wissen, über ihre Vorbildwirkung (vgl. Theorie der Spiegelnervenzellen von Prof. Bauer), und ihren großen Einfluss auf das Verhalten der Kinder. Schädlich für Motivation und Lernen sind auf jeden Fall negative Gefühle, wie Angst und soziale Ausgrenzung. Dies spreche aber nicht, wie viele uns weismachen wollen, für eine Systemveränderung, sondern für eine Verbesserung des pädagogischen Konzepts und der pädagogischen Prozesse an den Schulen, betonen die Neurowissenschafter.

Und es sei höchst an der Zeit, mehr in Bildung, vor allem in die Frühförderung, zu investieren! Da ist die Politik mehr als gefordert! Schule kann jedenfalls nur durch Mithilfe der Eltern und die nötigen Rahmenbedingungen verbessert werden, nicht durch dauernde System-Reformen von oben.

Bleibt zu hoffen, dass sich die Politik nicht länger taub stellt und endlich erkennt, wo in unserem Bildungssystem tatsächlich Handlungsbedarf besteht!

Dir. Mag. Isabella Zins, Bundesobfrau VCL, Vorstandsmitglied der Bildungsplattform Leistung & Vielfalt

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