Der gute Revisionist?

Peter Handke hat wieder einmal einen Text über Serbien veröffentlicht. So weit so interessant. Und in der Tat ist das kurze Büchlein „Die Geschichte des Dragoljub Milanovic“ ein hochinteressanter wie auch literarisch hochwertiger Text, der tiefe Einblicke in die verfehlte Balkanpolitik des Westens liefert.

Dabei geht es um die Verurteilung des ehemaligen Direktors der „RTS – Radio Televizija Srbije“ zu neun Jahren Haft. Milanovic hatte es angeblich verabsäumt den Sender „auszulagern“, bevor die NATO ihn während der „humanitären Intervention“ in Schutt und Asche legen konnte und mehrere Menschen dabei umkamen. Die Verurteilung von Milanovic dürfte in der Tat eine Farce darstellen, ebenso wie der Feldzug gegen Serbien ein Angriffskrieg war. Doch darum geht es zunächst nicht.

Handke hat mit vielem, was er über das ehemalige Jugoslawien und das heutige Serbien schreibt und schrieb oftmals  recht, oder zumindest nicht unrecht. Ich frage mich, wie es sein kann, dass ein Revisionist, der vermeintliche (oder schon verurteilte) Kriegsverbrecher in Serbien verteidigt, die ja angeblich für Genozid, Vertreibung und Verbrechen an der Menschlichkeit verantwortlich sind, hierzulande zum umjubelten Genie stilisiert wird und damit Unsummen an Geld verdient (das vorliegende kleine Büchlein mit gerade einmal 30 dick und groß bedruckten Seiten kostet stolze neun[!] Euro), während andere Revisionisten (zu Recht oder zu Unrecht) im  Gefängnis schmoren.

Nun könnte man naturgemäß mit Recht fragen, was denn prinzipiell so schlimm daran ist, dass Autoren andere Meinungen, als die vom Mainstream postulierten, vertreten? Und die Antwort wäre in einer demokratischen Gesellschaft ebenso einfach: Nichts! Handkes Meinung zu Serbien ist nicht nur eine „andere“, sie ist auch wichtig und sie regt zum Nachdenken an.

Handke allerdings verteidigt zudem den serbischen Nationalismus und pflegt und hegt antiwestliche Reflexe. Warum aber, so überlegt der abseitsstehende Fragende, wird er nicht für eben diese Haltungen von den etablierten Medien gemieden, als „ewiggestrig“, „außerhalb des moralisch-tolerierbaren“, und was es sonst noch an „antifaschistischen“ Windmühlenphrasen gibt, aus der Mitte des Erfolgs ausgeschieden?

Gewiss, es gab und gibt Kritiken an seinen Haltungen, es gab und gibt Unterstützer, aber eine umso größere und entschlossenere Fangemeinde seiner Haltungen (interessanterweise auch der Oberguru der Terrorsympathisanten Claus Peymann). Das alles wäre ja normal – würde die Freiheit, die Herrn Handke zugestanden wird, auch anderen zugestanden – und würden es da nicht auf der anderen Seite dieselben Leute sein, die den Deutsch-Nationalismus (zu Recht!) in Grund und Boden verdammen – und wären es nicht dieselben Leute, die überall, hinter jedem Busch, jeder Klobrille und jedem Baum Faschisten herbei phantasieren, die Handke nun seit Jahren ihre (zum Teil finanzkräftige!) Unterstützung für die literarische Verteidigung der Serben versichern.

Und sind sich diese großen Verteidiger der „universalen Menschenrechte“ eigentlich darüber im Klaren, dass es nicht selten dieselben Serben sind, die in ihrem Serbien Nikolic (Vizeministerpräsident unter Milosevic, derzeit nationalistischer Politiker) wählen (würden), die hierzulande ihr Kreuzlein bei der FPÖ machen (würden)? 

Ich bin entschiedener Gegner jedwedes Nationalismus´, jedwedes Chauvinismus´ und jedwedes Sozialismus´ (sei er nun national oder international), ich wundere mich aber, mit welche eindeutigem Doppelstandard die einen verdammt und die anderen bewundert werden, gerade so, als sei der „Antiamerikanismus“ und der „Antiimperialismus“ Grund genug über Verbrechen hinweg zu schauen, oder diese zumindest milder zu behandeln. Wäre es nicht redlich und konsequent jedweden Nationalismus zu verurteilen?

Ich wundere mich aber noch mehr, dass die freie Rede nur für jene gilt, die sich in einem Rahmen bewegen, der zumindest annähernd „Rot“ (worunter „Grün“ zu subsumieren ist) gefärbt ist und keinesfalls eine andere Farbe aufweisen darf. Die den einen Nationalismus zu Recht verurteilen und beim anderen augenzwinkernd, oder aus ehrlichen Motiven, beide Augen verschließen. Handke mag Recht haben, er mag ein großer Autor sein, die Heuchelei seiner Zeitgenossen allerdings ist unerträglich!

Johannes Auer ist Publizist. Seine Haupt Forschungs- und Publikationsschwerpunkte sind das Verhältnis von Religion und Staat. Auer forscht ebenso intensiv auf dem Feld  des „Traditionalismus“. Ein Teil seiner Publikationen ist online auf: http://johannesauer.wordpress.com abrufbar.

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