Ein falscher Krieg

Was sich derzeit in Libyen abspielt, kann man getrost als Farce bezeichnen. Unter dem Deckmantel einer „Humanitären Intervention“ wird ein zielloser und gefährlicher Angriffskrieg geführt, dessen Ausgang völlig offen ist, und der den Westen erneut in eine ausweglose Situation manövrieren könnte. Falsch ist dieser Krieg nicht nur, weil der Westen bei dieser Aktion nur verlieren kann, falsch ist dieser Krieg vor allem, weil er keine klar erkennbare Zielsetzung sein Eigen nennt, den falschen Prämissen folgt und mit fatalem Symbolcharakter geführt wird.

Dabei geht es zunächst nicht darum, ob Gaddafi „böse“ ist. Das ist er zweifelsohne, das war er aber schon immer, und dieser Umstand ist auch der „Koalition der Willigen“ nicht erst seit gestern bekannt. Freilich wäre es nicht nur für Libyen besser, Gaddafi würde abtreten. Dazu bedarf es aber keiner militärischen Aktion von außerhalb. Man hätte Gaddafi isolieren müssen und ihn konsequent ächten, das geschah aber nicht, im Gegenteil: man hofierte ihn in Europa.

Zweifelsohne ist bereits jetzt erkennbar, dass sich die sogenannte „Koalition der Willigen“ in ein Schlamassel „ge-Krieg-t“ hat, denn die Ziele der Mission sind völlig nebulös, ja noch schlimmer: Keiner der Beteiligten scheint zu wissen, wann diese sinnlose Intervention ein Ende finden kann und muss. Die Obama-Administration gibt ein Beispiel ihres Unvermögens, Wunschdenken mit Realpolitik zu verbinden. Kluge Köpfe in der Administration haben schon lange begriffen, dass die Intervention gefährlich ist und fatale Folgen zeitigen könnte. Wenn Obama 2009 in seiner „Kairoer-Rede“ die Prämisse ausgab, kein System könne einem anderen System das seinige aufzwingen, so fragt man sich, was denn nun Sache ist? Wo soll nun die Intervention in Libyen ihr Ende finden?

Wie es aus dem Inneren der Obama-Administration durchklang, ist ein Regime-Wechsel  nicht erklärtes Ziel der Mission, jeder halbwegs versierte Beobachter müsste hinzufügen: Kann es auch gar nicht sein, denn dann würde der vorgeschobene Hauptgrund der Intervention  verloren gehen: der angeblich „humanitäre“ Charakter. Zudem ist völlig unklar, wen oder was man mit den „Rebellen“ unterstützt. Diese „Blindheit“ ist dem Umstand geschuldet, dass die sogenannte „Human Intelligence“ in Staaten wie Libyen nicht vorhanden ist, auf gut deutsch: Es fehlen die Spione vor Ort. Man tappt also im Dunkeln. So kann man nur hoffen, dass der Außenminister des Vereinigten Königreichs die Öffentlichkeit nicht belügt, wenn er Waffenlieferungen an die libyschen Rebellen abstreitet.

Wenn nun aber dieser Krieg keine „Humanitäre Intervention“ ist, was dann? Warum interveniert man in Libyen und intervenierte in Ruanda nicht? Was kommt als nächstes? Die in diesem Zusammenhang entbehrlichen Äußerungen des französischen Präsidenten, der zu einem (verbalen) Rundumschlag ausholte, zeigen lediglich erneut auf, wie falsch diese Intervention ist und auch, dass die französische Außen- und Sicherheitspolitik offenbar jeder Rationalität entbehrt. Wird man nun in diesem „Weltkrieg für Menschenrechte“ auch Saudi-Arabien, Bahrain oder gar Syrien bombardieren?  Nein, das wird nicht passieren und US-Außenministerin Clinton lieferte die vielsagende Begründung für dieses „Nein“ gleich mit, denn schließlich seien „alle diese Situationen“ unterschiedlich. Da hat sie recht, der  wohl wichtigste Unterschied dürfte darin liegen, dass Saudi-Arabien und Bahrain „Verbündete“ der USA sind.

Zudem scheint es ein großer Teil des Westens nicht und nicht verstehen zu wollen: Der Orient tickt nun einmal anders als der Okzident. Libyen ist in der Tat viel mehr „Stammes“-, denn Bürgerkrieg, wie Thomas Friedman richtig ausführt. Und Stammeskriege, könnte man hinzufügen, folgen ihrer ganz eigenen Dynamik. Staaten wie Libyen, deren Grenzen letztlich von Kolonialmächten gezogen wurden, werden sich nur schwerlich in das Korsett einer westlichen Demokratie zwängen lassen, wie auch, wenn die Loyalität nicht einem „Nationalstaat“, sondern vielmehr dem Stamm gilt.

Neben viel Gutem ist (oder war) eine schlechte Begleiterscheinung des Neokonservatismus der „Interventionismus“ und damit verbunden der Glaube daran, man könne (und müsse) Demokratie in Regionen exportieren, die weder eine demokratische Tradition, noch eine dementsprechende demokratische Zivilgesellschaft besitzen. Interessanterweise treffen sich in diesem Punkt Neokonservative mit einem Teil der linken Schickeria.

Wie Michael Walzer richtig schreibt: „… aber die Niederwerfung von Tyrannen und die Errichtung demokratischer Strukturen ist eine Sache der Menschen vor Ort. Außenstehende können jede Form der Hilfe anbieten, aber eine militärische Intervention, wie wir sie jetzt erleben, ist nur in extremen Situationen zu rechtfertigen“. Der gravierende Denkfehler eines Großteils des Westens ist also die völlig falsche Grundannahme, der Orient sei letztlich in seinem Denken dem Okzident gleich. Dies führt dazu, dass sich der Westen eine blutige Nase nach der anderen holt und förmlich danach schreit, besiegt zu werden.

Johannes Auer, Jahrgang 1982, ist Publizist. In seiner Arbeit beschäftigt er sich hauptsächlich mit der politischen und religiösen Situation im Nahen und Mittleren Osten.

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