Wo bitte geht's zum Kommunismus?

  • Was ist paradox? Wenn eine Zeitung namens "Junge Welt" ihren sechzigsten Geburtstag feiert – was auch schon wieder drei Jahre zurückliegt.
  •  Was ist dreist? Wenn sich die Partei "Die Linke", die aus der diktatorischen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands der DDR hervorging, auf ihre "demokratischen Traditionen" beruft (Präambel des neuen Programmentwurfs).
  • Was ist skandalös? Wenn sich die Bundesvorsitzende der Linkspartei in einem Interview mit der "Jungen Welt" über Wege zum Kommunismus laute Gedanken macht.

Man stelle sich vor, 1946 hätte die NSDAP beschlossen, sich in "Partei des demokratischen Nationalismus" umzubenennen und bei den Wahlen für den deutschen Bundestag zu kandidieren. Und der "Völkische Beobachter" dürfte heute noch erscheinen.

Auch zwanzig Jahre nach dem jämmerlichen Untergang des sklerotischen Arbeiter– und Bauernparadieses geistern noch die Ewig–Gestrigen durch die politische Landschaft auf der Linken. Und jedes Jahr veranstaltet die "Junge Welt", eine DDR–Gründung, welche auch die Wende überlebt hat, ein Nostalgie–Treffen dieser Altroten, leider ergänzt durch fanatisierte Neurote. Auf dem Plakat, das für die "Internationale Rosa–Luxemburg–Konferenz" wirbt, prangt folgender Text: "Lernen, wie wir kämpfen müssen. Generalstreik! Learning by doing". Der Dummheit scheint es an Nachwuchs nicht zu mangeln.

Der gigantische Vernichtungsapparat, den die Vorgänger der Linkspartei vierzig Jahre lang auf deutschem Boden errichtet hatten, wurde flugs verdrängt und frech haben sich ihre Erben in die demokratischen Strukturen eingeschmeichelt. Die Wölfe haben Kreide gefressen und sich Schafspelze übergeworfen. Offenbar mangelt es auch nicht an dummen Geißlein oder Kälbern, die ihre Schlächter selber wählen.

Das Glück dieser "Wunderkinder" besteht darin, dass das verhasste System, in das sie die friedliche Revolution verbannt hat, so liberal, so tolerant und so strikt rechtsstaatlich ist, dass sie als Partei wirken und sich frei entfalten dürfen. Ein Parteiverbot dürfte nur das Bundesverfassungsgericht verhängen. Aber dem genügt es nicht, wenn eine Partei die obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht anerkennt. Die freiheitlich demokratische Grundordnung muss erst durch ein verfassungswidriges Verhalten konkret gefährdet sein, um ein Verbot aussprechen zu können. Mit anderen Worten: Die Linke muss den demokratischen Rechtsstaat frühestens dann fürchten, wenn bereits das Dach brennt. "Eine bloße verfassungsfeindliche Haltung reicht nicht aus". (BVerfGE 5, 85, 2.).

Seit der staatliche Rückhalt der SED in Gestalt der "Deutschen Demokratischen Republik" weggefallen ist, wandelten sich die Galionsfiguren der ehemaligen Staatspartei zu Meistern der Camouflage, der Täuschung und Tarnung. Das Wort "Kommunismus" fiel der Schafs–Sprachregelung zum Opfer. An seine Stelle trat der weitaus harmlosere Begriff des "demokratischen Sozialismus", der beinahe klingt wie "Sozialdemokratie". Doch ein Blick in das "Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie", in dritter Auflage 1987 in der DDR erschienen, könnte auch die blauäugigsten Zeitgenossen aufklären, was gelernte Linke darunter verstehen.

"Die sozialistische Demokratie", so heißt es da auf Seite 105, sei eine "Staatsform der Diktatur des Proletariats". Klingt irgendwie bekannt, nicht? Die Demokratie – ohne den sozialistischen Zusatz – hingegen kommt weniger gut davon. Sie sei eine "organisierte, systematische Gewaltanwendung gegenüber Menschen" und nicht weniger als die "Diktatur der Bourgeosie gegenüber dem Proletariat".

So wenig man einen Pudding an die Wand nageln kann, so schwierig ist es, einem dialektisch geschulten "Postkommunisten" seine wahren Ziele zu entlocken. Die Schafspelztarnung ist beinahe hermetisch. Umso sensationeller ist das, was da nun in der "Jungen Welt" erschienen ist. Niemand geringerer als die Bundesvorsitzende der Linkspartei, die schon mit 23 Jahren der SED beigetreten ist, hat hier Auszüge aus ihrer bevorstehenden Rede vor der "Internationalen Rosa–Luxemburg–Konferenz" unter dem Titel "Wege zum Kommunismus" vorveröffentlicht.

Gesine Lötzsch, Bundestagsabgeordnete in einem frei gewählten Parlament, gibt da ganz offen und ungeschminkt als Programmziel der Linkspartei die Einführung des Kommunismus aus. Mehr noch! Indem sie Rosa Luxemburg zitiert, verrät sie auch den Weg zu diesem Ziel: "So soll die Machteroberung nicht eine einmalige, sondern eine fortschreitende sein, indem wir uns hineinpressen in den bürgerlichen Staat, bis wir alle Positionen besitzen und sie mit Zähnen und Nägeln verteidigen." Das ist die Strategie – und sie wird nachvollziehbar anhand der jüngsten Geschichte.

Der deutsche Bundestag duldet also, vielmehr muss es dulden, dass sich in seinen Reihen Gruppen aufhalten, welche die Grundordnung der Bundesrepublik nicht nur fundamental in Frage stellen, sondern sie aktiv überwinden und an ihren Platz den Kommunismus etablieren wollen. Und die SPD ist sich nicht zu schade, mit jenen Kräften aus reinem Machtstreben zu koalieren.

  • Was ist zynisch? Wenn Gesine Lötzsch noch einmal Luxemburg zitiert. Für Luxemburg sei der "wahre Odem des Sozialismus" die Einheit von "rücksichtslosester revolutionärer Tatkraft und weitherzigster Menschlichkeit" gewesen. Inge Viett, in die DDR geflüchtete RAF-Terroristin, wird am Samstag mit Frau Lötzsch am Podium sitzen und vielleicht erklären, was in ihren Kreisen als "weitherzigste Menschlichkeit" verstanden wird...

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