Wenn Außenministerien über Toleranz diskutieren lassen

Vom 8. bis 12. November hatte ich die Ehre, an der vom U. S. State Department veranstalteten Young Leaders Dialogue with America Conference teilzunehmen. Diese grundsätzlich hervorragende Konferenz dient Nachwuchswissenschaftlern und Experten zur Diskussion brennender Zeitthemen in einem transatlantischen Rahmen.

Die drei Arbeitsgruppen „Tolerance & Diversity“, „Climate Change & Environmental Issues“ und „New Challenges in Transatlantic Security“ berieten auf Einladung des amerikanischen Außenministeriums in diesen Tagen über die bevorstehenden Aufgaben für die westliche Welt. Ich selbst war der dritten Arbeitsgruppe zugeteilt.

An einem der Tage wurden ich und einige Kollegen beim Mittagessen aufgehalten und kamen zu einem unserer Panels zu spät, der Kellner in jenem libanesischen Restaurant, in welchem wir unser Essen einnahmen, hatte eine eigene Definition von Geschwindigkeit und ließ uns auf die Rechnung warten. Diese Verspätung hatte zur Folge, dass wir kurzfristig in ein Panel der Arbeitsgruppe „Tolerance & Diversity“ ausweichen mussten, welches den vielsagenden Titel „Interfaith Dialogue“ trug.

Naturgemäß drehte sich die Diskussion nicht um einen echten Dialog zwischen den drei monotheistischen Religionen oder um das Klären von kritischen Fragen, sondern darum, den Islam in den Himmel zu loben, die (wie immer pauschal) „friedliebenden Einwohner“ des Iran zu verteidigen und natürlich die Welt als große rosa Blase darzustellen, in der sich alle lieb haben müssen und nur positiv gesprochen und gehandelt werden darf. Diese Atmosphäre war derart unerträglich, dass ich mich genötigt sah, das Wort zu ergreifen.

Ich erlaubte mir die Frage, wie denn der sogenannten „Dialog“, der hier von einer kleinen „Elite“ geführt wurde, und der uns offenbar suggerieren solle, dass das Verhältnis zwischen Juden und Muslimen ungetrübt sei und die Probleme nur durch einige Fanatiker entstünden, zu den Menschen und vor allem den staatlichen Eliten im Mittleren Osten gebracht werden könne? Wie solle man mit der Tatsache umgehen, dass Abermillionen Muslime und vor allem deren staatliche Repräsentanten die Auslöschung Israels fordern? Wie soll ein solcher Dialog die Sicherheitsprobleme der lebenden Juden oder auch der Christen im Mittleren Osten lösen, wenn man nicht die Probleme ansprechen darf?

Die Antwort eines der Teilnehmer des Podiums war typisch. Er antwortete nur zwei Dinge: zum ersten gäbe es auch Millionen von Muslimen, die Israel nicht auslöschen wollten (das beruhigt uns natürlich ungemein), und außerdem habe er einmal eine Familie im Iran besucht und diese gefragt, ob sie Israel auslöschen wollten, diese habe natürlich entrüstet mit „Nein“ geantwortet.

Dieser „Experte“ scheint zum einen eine etwas eigenartige Definition von empirischer Forschung zu haben und er scheint nicht zu begreifen, dass es völlig unerheblich ist, was Familie X im Iran will, wenn die Staatsführung und der gesamte Sicherheitsapparat die Auslöschung des jüdischen Staates fordern.

Damit war die „Diskussion“, pardon der „Dialog“, noch nicht beendet: Eine junge „Expertin“ aus einem osteuropäischen Land meldete sich zu Wort und belehrte mich in salbungsvollen Worten, dass sie viel näher am Nahen Osten lebe und alles nicht so schlimm sei mit dem Islamismus.

Bevor sie allerdings in endgültiges Wehklagen abgleiten konnte, fragte ich scharf nach, dass, wenn alles so wunderbar sei, ich mich fragen würde, warum die Realität in der islamischen Welt dieser heilen Welt widersprechen würde. Also warum Steinigungen, verprügelte Frauen, hingerichtete Homosexuelle, verprügelte und hingerichtete Juden wie auch Christen und besonders aktuell Angehörige der Bahai, zwangsverheiratete Kinder etc., nun einmal zur traurigen Realität in der islamischen Welt zählten? Und dass es sich hierbei kaum um Randerscheinungen handelt. Da wurde ich vom Moderator der Diskussion sinngemäß mit den Worten „Sorry I didn‘t want to interrupt you, but are there any other questions?“ schroff unterbrochen.

Nachdem keine anderen Fragen kamen, konnte sich der Großteil des Plenums nicht enthalten, in schallendes Gelächter auszubrechen und der Moderator bemühte sich, den Dialog als beendet zu erklären.

Dabei gäbe es viel zu diskutieren, wie beispielsweise  ein neues Buch von Gil Yaron zeigt, aber auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung bringt einen Beitrag über die Bahai, dessen Titel „Fast wie Freiwild“ die tragische Realität dieser quietistischen Religion schildert. Aber auch die österreichische Tageszeitung „Die Presse“ schildert religiöse Auseinandersetzungen. Dabei geht es um die in Ägypten unter Verfolgungen leidenden Kopten. Unter der Schlagzeile: „Ägypten: ein Toter bei Christenprotesten“ wird lediglich eine Facette der Verfolgung dieser uralten Kirche geschildert.

Diese Verfolgungen sind traurige Realität und kein „Toleranter“ schert sich darum, wahrscheinlich will man den allmächtigen ägyptischen Islamismus nicht allzu sehr verärgern, schließlich will man in Ägypten weiterhin ungehindert schnorcheln.

Wer einen echten, auf der Wahrheit und der Realität basierenden Dialog verhindert, wer die drängenden Fragen ignoriert, der spielt tatsächlich den Hasspredigern auf allen Seiten in die Hände, seien es islamistische Imame oder die Hetzer der sogenannten „Rechtsextremen“ hierzulande. Ein echter Dialog würde es erfordern, dass die Verfolgungen sämtlicher „Minderheiten“, seien es Christen, Sufis, Bahai, Homosexuelle, Buddhisten, etc., offen und ehrlich angesprochen werden dürfen. Aber auch die Unterdrückung der Frau muss verstärkt zum Thema gemacht werden. Unter gesetzlicher Erlaubnis verprügelte Frauen zählen zum Alltag in diesen Ländern – und die Emanzen hierzulande schauen zum Großteil weg.

Die Lehren, die ich aus diesen und anderen Dialogen ziehe, sind ernüchternd. Man will über den Frieden diskutieren, aber nicht über das Hindernis zum Frieden: den Islamismus.

Dabei verstehen die Toleranten folgendes nicht: die Kritik am Islamismus ist mit Antisemitismus nicht vergleichbar und das aus folgenden Gründen: der Islamismus ist ein System, kein Volk, keine „Rasse“ etc. Jeder Mensch kann im Idealfall frei wählen, welchem System er sich anschließt und welchem nicht. Hingegen kann er sich nicht aussuchen, ob er Jude, Deutscher, Italiener, Russe, Franzose oder Inder ist, denn die Zugehörigkeit zu einem Staat oder „Staatsvolk“  ist nicht automatisch die Zugehörigkeit zu einem weltanschaulichen System.

Vergessen wird weiter gerne, dass der einzelne Muslim als Mensch ja auch Opfer des Islamismus wird, denken wir nur an die Sufis. Was aber heute mehr denn je Not tut, ist eine offene Diskussion über den real existierenden und herrschenden Islamismus im Nahen als auch im Mittleren Osten, aber auch über eben diesen Islamismus, der mitten in der westlichen Welt unter dem Schutzmantel der Religionsfreiheit seine Propaganda verbreitet.

Die zweite Lehre betrifft Israel. Niemals darf es soweit kommen, dass der legitime jüdische Staat für einen vermeintlichen Frieden geopfert wird. „Wehret den Anfängen“ muss unsere Handlungsmaxime sein und dies erfordert uneingeschränkte Solidarität mit Israel.

Johannes Auer, 1982, ist Publizist. In seiner Arbeit beschäftigt er sich hauptsächlich mit der politischen und religiösen Situation im Nahen und Mittleren Osten, mit der Geschichte des Judentums und der Europäischen Einigung. 

 

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