Der ORF braucht ein neues Gesetz

Die demokratiepolitisch im höchsten Maße besorgniserregenden Vorgänge im ORF, insbesondere im Zusammenhang mit der Abwahl des Informationsdirektors Elmar Oberhauser und die das Unternehmen schädigenden und wohl auch lähmenden parteipolitischen Dauerdiskussionen verlangen nach einem Neubeginn im ORF. Eigentlich müsste es jetzt eine breite SOS-ORF bzw. Rettet-den-ORF-Bewegung der Zivilgesellschaft geben.

Nachdem die letzte ORF-Novelle nicht das Fundament für einen auch künftig starken, qualitätvollen, unabhängigen und unverwechselbaren öffentlich-rechtlichen ORF gebracht hat, ist rasch ein neues Gesetz notwendig (nach dem gegenwärtig gültigen Gesetz kann ja nicht einmal die Neuwahl der Geschäftsführung ohne Gesetzesänderung durchgeführt werden).

Die dauernden personellen Umfärbungs- und parteipolitischen Einmischungsversuche sind ein Krebsübel, die die Kontinuität einer gesunden Zukunftsentwicklung des ORF gefährden. Um dem wirksam den Riegel vorzuschieben, habe ich bereits im Frühjahr 2009 angesichts der damaligen Debatte einen Diskussionsvorschlag vorgelegt, dessen zentraler Punkt in diesem Zusammenhang lautet:

Die Politik verzichtet nach der Erstnominierung des Aufsichtsgremiums für die unabhängige Medienbehörde und eines schlagkräftigen und sachkundigen ORF-Aufsichtsrates dauerhaft auf personelle Einflussnahme. Nachdem mit Zweidrittelmehrheit acht bis zehn ausgewiesene Medienfachleute jeweils für Medienbehörde und ORF bestellt werden, wird durch Verfassungsgesetz abgesichert, dass sich dieses Aufsichtsratsgremium künftig selbst ergänzt und erneuert. Im ORF ist dieser Aufsichtsrat das entscheidende Kontrollgremium – ungeachtet dessen, ob Stiftungs- und/oder Publikumsrat in welcher Zusammensetzung auch immer weiter bestehen.

Über diesen Schwerpunkt hinaus wurden 10 weitere Diskussionsvorschläge skizziert:

1. Die ORF-Gebühr wird in eine allgemeine Rundfunkgebühr umgewandelt, die auf die Haushalte abzielt und nicht auf den ORF-Empfang, vor allem auch nicht allein auf ein TV-Gerät, da ja viele Videoinhalte mittlerweile über PCs und Smartphones empfangen werden. Dies ist eine logische Folge der immer wieder beschworenen Medienkonvergenz. Von dieser allgemeinen Gebühr erhält der ORF – sofern er seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllt – den Hauptanteil, mit dem wesentlich kleineren Rest wird Public Value bei Privatanbietern gefördert – qualitätvolle Information, Kultur und Unterhaltung mit österreichischer Wertschöpfung.

2. Der vielzitierte „Public Value“ und die Gebührenlegitimation bzw. die Förderung öffentlich-rechtlichen „Contents“ sind auch einem Monitoring durch eine weisungsunabhängige Medienbehörde bzw. Kommission zu unterziehen. Es ist eine Gesamtbetrachtung der Medienförderung – also inklusive Printmedien und eventuell Online-Medien – in Richtung Qualität und Pluralität anzustreben.

3. Es ist dem ORF natürlich auch eine Entwicklungsmöglichkeit im Internet einzuräumen, da es zunehmend – im Gegensatz zum klassischen Fernsehen – von der Jugend genützt wird, wobei es insbesondere um genuin öffentlich-rechtliche Inhalte geht.

4. Der Staat gilt die Gebührenbefreiungen ab und stellt die in den Budgets versickernden Teile der eingehobenen Gebühren der Public-Value-Förderung zur Verfügung. Unter Public-Value-Förderung sollten auch Präsentationsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen und für zu Wahlen kandidierenden Personen im Sinne einer demokratiepolitischen Chancengerechtigkeit und Vielfalt fallen.

5. Weitgehender Verzicht auf TV-Werbung – entweder vollständig auf ORF 2 oder zumindest nach 20 Uhr.

6. Garantie der Erhaltung der ORF-Landesstudios als Ausdruck der geistig-kulturellen Vielfalt und des lebendigen Föderalismus Österreichs, wobei diese verstärkt Teile des Gesamtprogramms je nach Profil produzieren – eventuell in Kooperation mit regionalen Medienhäusern.

7. ORF-Programmreform im Sinne der Schärfung des öffentlich-rechtlichen Profils (z. B. anspruchsvolle Sendungen zwischen 19.00 und 22.00 Uhr, verstärkt österreichische Produktionen – auch mit Partnern, Frühstücksfernsehen, Nachrichten -, Kultur-, Doku-Kanäle etc).

8. Aus für die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Wahl der ORF-Geschäftsführung.

9. Überlegungen, ob ORF 1 und/oder Ö3 öffentlich-rechtlich repositioniert oder unter dem ORF-Dach (teil-)privatisiert werden – eventuell in einem Holdingmodell, nachdem beide Programme klar kommerziell ausgerichtet sind – Kooperationen mit bestehenden Privatanbietern und Medienhäusern.

10. Flachere Hierarchien und neue Kollektivverträge im ORF: Je weniger der ORF von Werbung abhängig ist, umso mehr und besser kann er seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen und Qualität mit Quote verbinden. Vor allem angesichts der zunehmenden Kommerzialisierung und Boulevardisierung ist eine wirkungsvolle Förderung des Public Value aller Mediengattungen eine demokratie- und kulturpolitische Notwendigkeit.

Siehe auch diverse Kommentare April 2009 (www.dreischritt.at – News – Archiv) bzw. Kapitel „Medien sind für die Demokratie systemrelevant“ in Hösele: „Was ist faul im Staate Österreich? Eine Reformagenda“, S. 176 ff.

(Professor Herwig Hösele war Präsident des Bundesrates (ÖVP) und ist als Geschäftsführer der "Dreischritt GmbH" und der "public opinion GmbH" publizistisch tätig. Er erstellt vor allem politische und strategische Analysen.

Mehr unter www.dreischritt.at).

 

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