Gastkommentare

Im Gehege des Verhetzungsparagraphen: Wie weit darf Kritik an einer grünen Politikerin gehen?

16. Mai 2018 06:45 | Autor: Wilfried Grießer
11 Kommentare

Wollte die rot-schwarze Vorgängerregierung bereits bloß "diskriminierende" Äußerungen unter Strafe stellen (siehe hier), so deutet das aktuelle Regierungsprogramm Kritik am Verhetzungsparagraphen an, wenn es eine systematische Erhebung der diesbezüglichen Rechtsprechung fordert. Wie dringend eine solche Erhebung wäre, zeigt ein jüngst ergangener Schuldspruch für Kritik an der Grün-Politikerin Ulrike Lunacek.

Ein Pensionist hatte auf Facebook gepostet: "Bei den Grünen ist eine hässlicher als die Andere, aber die Lesbe Lunacek stellt alles in den Schatten. Die sollte man in ein Gehege mit 100 affengeilen Flüchtlingen sperren." Er habe sich mit dem Posting auf eine Aussage bezogen, wonach Lunacek um Verständnis für die sexuellen Bedürfnisse von Flüchtlingen geworben haben soll, erklärte der Angeklagte vor Gericht, und dabei spontan an die Vergewaltigung einer jungen Frau auf einer Toilette am Praterstern gedacht. 

Für den zweiten geposteten Satz wurde er wegen "Verhetzung" verurteilt – offenbar nach jenem Passus des § 283 StGB, demzufolge es strafbar ist, unter anderem Flüchtlinge in einer Weise zu beschimpfen, "die geeignet ist, diese Gruppe in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen". Hinsichtlich der subjektiven Tatseite bedarf es der Absicht, die Menschenwürde anderer zu verletzen. Eine Verletzung der Menschenwürde liegt laut Judikatur etwa dann vor, wenn Personengruppen mit Tieren gleichgesetzt werden.

Aber inwieweit hat der Angeklagte Flüchtlinge mit Tieren gleichgesetzt? Wenn er von "affengeilen" Flüchtlingen spricht, so hat der einer bundesdeutschen Jugendsprache entstammende Ausdruck "oberaffengeil" längst jeden bewussten Bezug zu Affen getilgt. (So denkt auch niemand, der sich "sauwohl" fühlt, an Schweine.) Es bleiben also nur "geile" Flüchtlinge. Die Metapher des Geheges lässt zwar an Tiere denken, doch ergeht im vorliegenden Zusammenhang keine Forderung, dass Flüchtlinge eingesperrt gehören, weil sie wie Tiere seien, sondern dass Ulrike Lunacek in eine Situation versetzt werden möge, der sie (so wie die junge Frau am Praterstern) nicht entkommen kann.

Hinzu kommt, dass "Flüchtlinge" erst seit 2016 den Schutz des Verhetzungsparagraphen genießen, handelt es sich hierbei doch um keine so eng umrissene Gruppe wie "Türken" oder "Afghanen". Je unbestimmter die Gruppe ist, desto massiver und pauschaler sollte eigentlich die Beschimpfung ausfallen müssen. Das Vorliegen einer pauschalen Beschimpfung ist hier jedoch keineswegs zwingend: Die Gruppe der "affengeilen Flüchtlinge" kann getrost eine Teilgruppe der Gruppe aller "Flüchtlinge" sein, sodass, wenn überhaupt, nur gegen diese Teilgruppe "gehetzt" wurde.

Regelmäßig unterstellen Gerichte allerdings, dass mit Formulierungen wie "kriminelle Türken" alle Türken gemeint seien und nicht bloß jene, die kriminell sind und nur beiläufig aus der Türkei stammen. Dabei hätte ein Gericht die Aufgabe, bei mehreren möglichen Interpretationen nicht per se die für den Angeklagten ungünstigste heranzuziehen! Zwar kann eine Teilgruppe als repräsentativ für die Gesamtgruppe genommen sein, doch fällt eine solche Unterstellung bei inhomogenen Großgruppen wie eben "Flüchtlingen" schwerer.

Vor allem aber geht die Kritik des Pensionisten an Ulrike Lunacek, und die Flüchtlinge sind nur Beiwerk und Anlass dieser Kritik. Eine regelrechte Absicht, Flüchtlinge zu beschimpfen, scheint in diesem Fall weit hergeholt. Es müsste dem Angeklagten geradezu darum gegangen sein, Flüchtlinge zu beschimpfen, doch die Beschimpfung gilt Ulrike Lunacek. Kritik an Politikern ist jedoch nach gefestigter Judikatur auch dann zulässig, wenn sie in harscher Form erfolgt. (Kurz gesagt: Ein Politiker muss mehr "aushalten" als ein Durchschnittsbürger.) Aus diesem Grund sollte auch der erste Satz des Postings keineswegs als strafbare Beleidigung durchgehen, denn es ist zulässig, eine Frau schön zu finden oder auch nicht.

Nimmt man all diese Überlegungen zusammen, kann der Eindruck entstehen, dass österreichische Gerichte neuerdings Verhetzung vorschieben, um Kritik an einer Politikerin und deren Positionierung zu unterbinden.

Wilfried Grießer, geboren 1973 in Wien, ist Philosoph und Buchautor.

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die besten Kommentare

  1. Ausgezeichneter Kommentatorglockenblumen
    14x Ausgezeichneter Kommentar
    16. Mai 2018 08:52

    Ob dieser widerwärtige Typ auch verklagt und verurteilt wird???

    http://www.krone.at/1708682

    Wenn er der "Nazi-Bitch" das "Nasenbein brechen will"....
    Bin kein Jurist, aber das enthält für mich: gefährliche Drohung, üble Nachrede, Rufschädigung, und Hetze gegen Andersdenkende sowieso!

  2. Ausgezeichneter KommentatorBürgermeister
    11x Ausgezeichneter Kommentar
    16. Mai 2018 09:39

    Wie weit darf Kritik an einer grünen Politikerin gehen?

    Die Frage lässt sich sehr einfach beantworten: als grüne Politikerin darf keinerlei wie immer geartete Kritik an ihr geäußert werden - sie ist sakrosankt, steht über jeglichen Gesetzen und über christlichen Religionen (vielleicht sollte sie mal nach Pakistan fahren und dort für Lesben demonstrieren?).

    Bei anderen Politikern reicht schon ein Zusammenhang mit einem über hundert Jahre alten Liederbuch für eine massive Medienkampagne, juristische Erhebung, Rücktritt usw. aus.

  3. Ausgezeichneter KommentatorPennpatrik
    6x Ausgezeichneter Kommentar
    19. Mai 2018 10:23

    Nachdem man alte, weiße, heterosexuelle Männer beschimpfen darf, wie man will, ist das für mich Systemjustiz wie unter den Nazis und Kommunisten.
    Wollen wir nicht vergessen, dass ein großer Anteil von Richtern (Pauschalverurteilung?) diesen Regimen treu gedient und deren Unrechtsgesetze treu exekutiert hat.

  4. Ausgezeichneter KommentatorDer Realist
    6x Ausgezeichneter Kommentar
    18. Mai 2018 18:57

    Wie unsere Justiz tickt, ist aus mehreren Fällen klar erkennbar, Susanne Winter, Westenthaler, Strasser, um nur die prominentesten Fälle aufzuzählen. Bei Grasser wird gerade versucht, ebenfalls ein politisch motiviertes Urteil zu fällen. Die linken Staatsanwälte sollte sich einmal die Wiener Partie genauer anschauen, dubiose Förderungen, extreme Geldverschwendung bei den verschiedensten Großprojekten, unverchämter Postenschacher, unkoordinierte Flüchtlings- und Integrationspolitik usw.
    Auch harmlose Sätze werden von den linken Staatsanwälten vielfach als gefährliche Drohung interpretiert, bei diesem Gummiparagraphen eben möglich, der Adressat braucht sich nur bedroht fühlen.

  5. Ausgezeichneter KommentatorZraxl
    2x Ausgezeichneter Kommentar
    18. Mai 2018 11:32

    Naja, der Herr Pensionist hätte halt "mega-affen-titten-geil" schreiben sollen, denn diese Sprechweise ist laut der Frau Alt-Gesundheitsministerin Rauch-Kallat ja zumindest dann unbedenklich, wenn sie auf Jugendliche angewendet wird.

    In der Sache hat das Gericht aber natürlich Recht: 100 Flüchtlinge mit Frau Lunacek in ein Gehege sperren zu wollen ist eine Verletzung der Menschenwürde.

  1. Pennpatrik
    19. Mai 2018 10:23

    Nachdem man alte, weiße, heterosexuelle Männer beschimpfen darf, wie man will, ist das für mich Systemjustiz wie unter den Nazis und Kommunisten.
    Wollen wir nicht vergessen, dass ein großer Anteil von Richtern (Pauschalverurteilung?) diesen Regimen treu gedient und deren Unrechtsgesetze treu exekutiert hat.



    • logiker2
      23. Mai 2018 06:43

      **********************, das bezeichnet man dann: ich habe nur meine Pfllicht getan.



  2. Der Realist (kein Partner)
    18. Mai 2018 18:57

    Wie unsere Justiz tickt, ist aus mehreren Fällen klar erkennbar, Susanne Winter, Westenthaler, Strasser, um nur die prominentesten Fälle aufzuzählen. Bei Grasser wird gerade versucht, ebenfalls ein politisch motiviertes Urteil zu fällen. Die linken Staatsanwälte sollte sich einmal die Wiener Partie genauer anschauen, dubiose Förderungen, extreme Geldverschwendung bei den verschiedensten Großprojekten, unverchämter Postenschacher, unkoordinierte Flüchtlings- und Integrationspolitik usw.
    Auch harmlose Sätze werden von den linken Staatsanwälten vielfach als gefährliche Drohung interpretiert, bei diesem Gummiparagraphen eben möglich, der Adressat braucht sich nur bedroht fühlen.



    • Pennpatrik
      19. Mai 2018 10:24

      Die Staatsanwaltschaft Kärnten hat sich die Top-Team Affaire genau angeschaut, wollte Anklage erheben - die Anklageschrift war schon fertig - und wurde von der Wiener Staatsanwaltschaft zurückgepfiffen.
      Was für ein Wunder - der Hauptverdächtige war ein Sozialist.



  3. Zraxl (kein Partner)
    18. Mai 2018 11:32

    Naja, der Herr Pensionist hätte halt "mega-affen-titten-geil" schreiben sollen, denn diese Sprechweise ist laut der Frau Alt-Gesundheitsministerin Rauch-Kallat ja zumindest dann unbedenklich, wenn sie auf Jugendliche angewendet wird.

    In der Sache hat das Gericht aber natürlich Recht: 100 Flüchtlinge mit Frau Lunacek in ein Gehege sperren zu wollen ist eine Verletzung der Menschenwürde.



    • Der Realist (kein Partner)
      18. Mai 2018 19:00

      Das stimmt, das ist auch Flüchtlingen nicht zuzumuten.



  4. Bürgermeister
    16. Mai 2018 09:39

    Wie weit darf Kritik an einer grünen Politikerin gehen?

    Die Frage lässt sich sehr einfach beantworten: als grüne Politikerin darf keinerlei wie immer geartete Kritik an ihr geäußert werden - sie ist sakrosankt, steht über jeglichen Gesetzen und über christlichen Religionen (vielleicht sollte sie mal nach Pakistan fahren und dort für Lesben demonstrieren?).

    Bei anderen Politikern reicht schon ein Zusammenhang mit einem über hundert Jahre alten Liederbuch für eine massive Medienkampagne, juristische Erhebung, Rücktritt usw. aus.



  5. glockenblumen
    16. Mai 2018 08:52

    Ob dieser widerwärtige Typ auch verklagt und verurteilt wird???

    http://www.krone.at/1708682

    Wenn er der "Nazi-Bitch" das "Nasenbein brechen will"....
    Bin kein Jurist, aber das enthält für mich: gefährliche Drohung, üble Nachrede, Rufschädigung, und Hetze gegen Andersdenkende sowieso!



    • Blahowetz
      16. Mai 2018 10:50

      Bitte, in Österreich wird nicht verklagt, in Österreich wird vor dem Strafgericht angeklagt und vor dem Zivilgericht wird man geklagt.

      Diesen, der österreichischen Rechtssprache fremde Ausdruck, haben deutsche Praktikanten in unsere Zeitungsredaktionen eingeschleppt.



    • Torres (kein Partner)
      18. Mai 2018 11:03

      Die Androhung physischer Gewalt ist juristisch eine "gefährliche Drohung" und bei Ankage jedenfalls zu bestrafen. Der Richter kann allerdings beurteilen, ob die Drohung realistisch ist, also ob die Durchführung der Tat praktisch möglich ist, oder unrealistisch, also in der Praxis nicht durchführbar. Davon hängt dann die Strafe (oder ein möglicher Freispruch) ab.



    • Pennpatrik
      19. Mai 2018 10:26

      Wenn es gegen Rechte geht, ist es niemals Verhetzung.






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