Wer heutzutage Verständnis für Russland zeigt, gilt als gefährlicher Verharmloser und als Sympathisant von Tyrannen. Zumeist aber wird man einem weit rechten Lager zugeordnet, wodurch man sich augenblicklich in einer Rechtfertigungssituation wiederfindet.
Dass dem nicht immer so war, dokumentiert ein Blick in die jüngere Geschichte. Im Besonderen offenbarten die westeuropäischen Sozialdemokratien eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den östlichen Comecon-Staaten, die weit über die diplomatische Korrektheit und pragmatische Notwendigkeit hinausging. Die österreichische Sozialdemokratie bildete während der Regierungszeit von Bruno Kreisky hier keine Ausnahme, und die Kontakte nach Ostberlin, Prag, Warschau und Budapest wurden in einem klar "vorbehaltsfreien Sinn" betrieben.
Die damalige Interpretation der österreichischen Neutralität bildete dabei einen hilfreichen Steigbügel. Als die westliche Welt beinahe vollständig die Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau wegen des sowjetischen Einfalls in Afghanistan ein Jahr zuvor boykottierte, war es für Österreich mit dem Etikett "Wir sind neutral" selbstverständlich, daran teilzunehmen.
Die Eskalation in Polen nach der Gründung der Gewerkschaftsbewegung Solidarność unter dessen Vorsitzenden Lech Wałęsa und erst recht nach der Ausrufung des Kriegsrechts durch die Warschauer Kommunisten 1981 wurde zu einem Offenbarungseid der SPÖ und der österreichischen Linken. ÖGB-Präsident Anton Benya machte von Anfang an klar, dass eine gewerkschaftliche Zusammenarbeit nur mit der kommunistischen Staatsgewerkschaft in Frage kommt. Seitens der SPÖ und der sozialdemokratischen ÖGB-Spitze wurde Wałęsa und der Solidarność eine Agitation gegen den polnischen Staat und die bestehenden Verhältnisse vorgeworfen. Diese Ablehnung und auch die Argumentation waren der KP-Linie in Warschau zumindest sehr ähnlich. Die Sympathie galt in dieser historischen Auseinandersetzung den bewahrenden Kräften in Polen, nicht den aufbegehrenden, demokratischen Gewerkschaftskräften.
Vollends übernahm die Regierung Kreisky im Jänner 1982 die marxistische Bewertung der polnischen Kirche, der man offen Agitation und unberechtigte Einmischung gegen das kommunistische Staatssystem vorwarf. Dass die polnische katholische Kirche die einzige gesellschaftliche Kraft war, die mit "offenem Visier" agierte und auf der Seite der Arbeiterschaft im Kampf gegen den KP-Terror stand, blendete die Sozialdemokratie hierzulande gänzlich aus. Dass auch der polnische Papst seine Stellung nützte, um Solidarność zu unterstützen, rief Unmut der SPÖ hervor. Kreisky ließ sich zu wiederholten antikirchlichen Ausfällen hinreißen, die nicht zuletzt seine Verwurzelung und jene der SPÖ im Austromarxismus verdeutlichten. Erst die massiven Interventionen von Alois Mock und der katholischen Kirche in Österreich zugunsten der Solidarność, vor allem aber der Polen-Flüchtlinge, die zu Tausenden nach Österreich strömten, führten langsam zu einem Umdenken der Regierung Kreisky und der ÖGB-Spitze.
Die Gewichte haben sich seitdem bis zur Widersprüchlichkeit verschoben. Während die meisten europäischen Sozialdemokraten die US-Außenpolitik zumindest in der Ukraine und im Nahen Osten unterstützen und gleichzeitig die Politik Moskaus ablehnen sowie plötzlich der massiven Militarisierung der EU das Wort reden (die sie über Jahrzehnte mit allen Mitteln bekämpft haben), zeigen Europas Rechtsparteien ein überraschendes Verständnis für die Politik Moskaus. Und in Österreich sind es oftmals Nicht-Linke, die sich in dieser aktuellen Weltlage auf die österreichische Neutralität berufen.
Dr. Hannes Schönner, Geschäftsführer des Karl von Vogelsang-Instituts.












So widersprüchlich scheint mir die Sache nicht. Man denke nur an die Kontakte des Deutschen Reiches zur Sowjetunion (Panzerproduktion für D in RU wg. des Diktatfriedens von 1919), Hitler - Stalin-Pakt, Sympathien deutsch-völkischer Akademikerkreise für die DDR wegen deren "völkischen Reinheit" im Gegensatz zur BRD, sowie einigendes Band von Diktaturen unterschiedlicher Ideologie alleine auf Grund des auf beiden Seiten bestehenden Totalitarismus. So lange, bis man einander wieder prügelt (Überfall auf die SU 1941).