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Gastkommentare

Arbeitnehmerentlohnung: Freie Wildbahn oder Stallfütterung?

23. November 2025 18:23 | Autor: Andreas Tögel
3 Kommentare

Mit den Lohnverhandlungen für die Mitarbeiter der metallverarbeitenden Industrie beginnt in Österreich traditionell der Reigen der Kollektivvertragsverhandlungen. Deren Ergebnis – es geht um die Löhne und Gehälter von rund 190.000 Beschäftigten – gilt als Signal für Verhandlungen anderer Berufsgruppen. Im heurigen Jahr zeigten die Gewerkschafter Einsicht in die prekäre Konjunkturlage und begnügten sich mit einem Plus von 1,41 Prozent und damit einem deutlich unter der amtlich ausgewiesenen Teuerungsrate liegenden Abschluss.

Dieses moderate Ergebnis war auch dringend nötig, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass durch überhöhte Abschlüsse in den zurückliegenden Jahren die heimischen Lohnstückkosten dramatisch gestiegen sind, die Unternehmen sich zunehmend "aus dem Markt preisen", und mittlerweile nicht nur Konzerne, sondern auch Mittelständler Neuinvestitionen außerhalb Österreichs tätigen oder ihre gegenwärtige Produktion ins Ausland verlagern. Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden stagniert seit Jahren, während die Einwohnerzahl stetig zunimmt. Ein Alarmsignal. 

Auch in anderen Branchen wurde der Ernst der Lage erkannt, der sich – auch – in einer deutlich höheren Teuerungsrate manifestiert, als man sie im Rest Eurolands beobachtet. Lohnabschlüsse oberhalb der Inflationsrate, wie sie in den zurückliegenden Jahren die Regel waren, wird es 2025 wohl nicht geben.

Auf einem Markt geht es gerecht, wenn auch unsentimental zu: Wer Gutes zu guten Preisen liefert, hat Erfolg, wer schlechte Qualität liefert oder seine Preise über jenes Maß hinaus anhebt, das die Konsumenten bereit sind zu akzeptieren, landet alsbald vor dem Konkursrichter. Da die Löhne einen wesentlichen Kostenfaktor darstellen, was – von obstinaten Linksaktivisten abgesehen – inzwischen jedermann begreift, ist Maßhalten angesagt.

Das gilt allerdings nur für die "freie Wildbahn" des Marktes, wo die Politik zwar alle möglichen Regulative und Schutzbestimmungen erlassen und den Gewerkschaften Sonderprivilegien einräumen kann, aber letztlich nicht dauerhaft verhindern wird, dass das Kapital auf der Suche nach Renditen zu den produktivsten Standorten strebt. Wie sagt der Volksmund seit dem 19. Jahrhundert: "Wo nichts ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren." So finden sich die im produktiven Sektor unselbständig Erwerbstätigen lieber mit einem verschmerzbaren Reallohnverlust ab, als infolge Jobverlustes von der Arbeitslosen- oder Notstandsunterstützung leben zu müssen. In staatlich geschützten Werkstätten gehen die Uhren natürlich anders.

Die für den öffentlichen Dienst ursprünglich angepeilte Gehaltserhöhung wurde zwar unter starkem Druck der Öffentlichkeit reduziert, liegt mit 3,6 Prozent aber dennoch deutlich über dem Abschluss der Metaller.

Nur die aktuellen Lohnrunden zu beachten, greift aber deutlich zu kurz. Eine kürzlich von der liberalen Denkfabrik "Agenda Austria" veröffentlichte Analyse (siehe Link) macht deutlich, was gespielt wird. Kurz gesagt: Wer sein Geld unter Marktbedingungen verdient, ist wesentlich schlechter dran als leistungsdruckbefreit in geschützten Werkstätten von Steuergeldern oder Zwangsbeiträgen lebende Zeitgenossen.

Zu besonderem Ärger Anlass geben die Bezüge der Mitarbeiter der Wirtschaftskammer, deren Präsident Harald Mahrer soeben wegen einer angepeilten Bezugserhöhung von 4,2 Prozent – zu Recht – massiv unter Beschuss gekommen und zurückgetreten ist. Eine später als bloßer Trick entlarvte Ankündigung der Halbierung dieser Gehaltserhöhung hat sowohl die Person des WKO-Präsidenten, als auch die Organisation selbst schwer beschädigt.

Dass die Arbeiterkämmerer, wie auch ihr Klassenfeind von der Arbeitgeberseite, von Zwangsbeiträgen leben, und auf Marktbefindlichkeiten daher keinerlei Rücksicht zu nehmen brauchen, manifestiert sich in der märchenhaften Höhe ihrer Bezüge, von der andere Arbeitnehmer – Beamte natürlich ausgenommen – nur träumen können. WKO-Mitarbeiter dürfen sich über Jahresbezüge von durchschnittlich 89.837 Euro freuen, die Genossen von der AK Wien über 88.523 Euro, Beamte tragen jährlich 82.567 Euro nach Hause, während Privatangestellte sich mit 77.601 und Arbeiter mit 45.223 Euro begnügen müssen.

"Wer in Österreich studiert hat, will Beamter werden", stellte der Wiener Historiker Lothar Höbelt einst fest. Das ist indes nicht ganz korrekt. Noch besser ist es nämlich, in einer der Zwangsinteressenvertretungen zu werken, die sich einer verfassungsrechtlichen Absicherung erfreuen und damit auf die Interessen ihrer zahlenden Mitglieder keine Rücksicht zu nehmen brauchen. Man darf getrost von einem kostspieligen Anachronismus sprechen und mit gutem Recht die Forderung nach einer Abschaffung dieser paternalistischen Zwangsorganisationen erheben. Besser spät als nie!

 

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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  1. Politicus1
    23. November 2025 21:18

    Nur die Einkomménshöhen zu vergleichen bringt leider nicht viel.

    Es tut not, auch die Qualifikationen zu berücksichtigen. So gibt es bei den Beamten viel mehr Akademiker (alleine bei den Lehrern, in der Justiz ..) als in anderen Beschäftigungsverhältnissen



    • Andreas Tögel
      24. November 2025 12:46

      Dieses Argument hat mich noch nie beeindruckt. Worauf es ankommt, ist nämlich einzig und allein die erbrachte Wertschöpfung und nicht der formale Bildungsabschluss. Und diesbezüglich schlägt der "ungebildete" Handwerksmeister den Ministerialrat mit Doppeldoktorat um Längen. Formale Bildung besagt also gar nichts. Kommt hinzu, dass der öffentliche Dienst in vielen Bereichen seit Jahren vollkommen unnötigerweise akademisiert wird. Wozu braucht eine Krankenschwester oder eine Kindergärtnerin einen Bachelor-Grad? Einzig aus dem Grund, um damit mehr Geld abgreifen zu können, ohne dafür mehr zu leisten! Dass heute ein geschickter Monteur auf dem Bau mehr verdienen kann als ein beamteter Genderwissenschaftler, weist auf einen Paradigmenwechsel hin. Heute garantiert ein Universitätsabschluss abseits von MINT eben nicht mehr automatisch ein hohes Einkommen - und das ist auch gut so!



    • elokrat1
      24. November 2025 21:13

      @ Andreas Tögel
      ************
      Perfekt argumentiert!






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