Auch für einen Juristen mit praktischer Erfahrung in der Strafrechtspflege ist beim Urteil im "Fall Anna" vieles nicht verständlich. Allerdings sind die Fakten im Detail nicht bekannt, weil das Verfahren weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgelaufen ist.
Zunächst aber ist unverständlich, warum vom Gericht – der Staatsanwaltschaft folgend – der Paragraf "Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung" angewendet wurde, ein Paragraf, bei dem das Alter des Opfers keine Rolle spielt. Warum also nicht die Paragrafen betreffend "Sexueller Missbrauch von Unmündigen" angewendet wurden, wo sehr wohl Alter von Opfer und Täter von Bedeutung sind. Und weiters, warum das Gericht dabei nicht allein von der Tat, dem Sachverhalt ausgegangen ist, auf die bzw. den die Anklage gerichtet war, und den vorgelegenen Sachverhalt nicht einer freien rechtlichen Beurteilung unterzogen hat. Meiner Meinung nach liegt hier ein Rechtsirrtum vor.
Weiters wäre bei Anwendung der Paragrafen über "Sexuellen Schutz von Unmündigen" zu beurteilen gewesen, was da der Zweck dieser Gesetzesstelle ist und was da das Schutzobjekt ist. Und das ist eindeutig der absolute Schutz Unmündiger vor sexuellen Übergriffen. Der Schutz muss unabhängig davon sein, wie der Täter das Alter des Opfers einschätzt. Selbst wenn eine Zwölfjährige allen sexuellen Handlungen zustimmt, bleibt das strafbar. Deshalb kann es bei uns auch eine zwölfjährige Prostituierte nicht geben.
Dies haben Staatsanwaltschaft und Gericht anders gesehen. Sie sind offenbar davon ausgegangen, die Täter hätten das Opfer für älter gehalten, die "subjektive Tatbildseite" (das diesbezügliche Verschulden) hätte gefehlt, und sie haben deshalb die Täter freigesprochen. Ich gehe davon aus, dass auch hier ein Rechtsirrtum der Staatsanwaltschaft und des Gerichts vorliegt.
Der Oberste Gerichtshof wird bei der Entscheidung über die eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde hier in einer Grundsatzentscheidung zu klären haben, ob das Alter des Opfers der Tat ein Umstand ist, der vom Verschulden der Täter umfasst sein muss oder nicht, also ob hier Kenntnis bzw. Unkenntnis darüber über die Strafbarkeit entscheidet.
Wenn er zu der Rechtsansicht kommt, dass die diesbezügliche Kenntnis bzw. Unkenntnis unerheblich ist, dann wird damit festgestellt, dass das entsprechende Urteil mit den Freisprüchen auf einem Rechtsirrtum beruht und dann wird der Gerichtshof dieses Urteil aufheben und eine Neudurchführung des Strafverfahrens anordnen.
Andernfalls wird er das Urteil wohl bestätigen. Dann erhebt sich aber immer noch die Frage, ob hier nicht eine gesetzliche Änderung vorgenommen werden muss, um Kinder vor sexuellen Übergriffen wirklich zu schützen.
PS: Übrigens ist der Begriff "Gruppenvergewaltigung" unserer Strafgesetzgebung noch gänzlich unbekannt. Nicht einmal als strafverschärfenden Umstand gibt es ihn. Ja, so etwas, was heute ja kein Einzelfall mehr ist, war noch vor wenigen Jahren hierzulande offensichtlich gänzlich unbekannt.
Dr. jur. Peter F. Lang, Wien, Ministerialrat i.R. bzw. Gesandter i.R. (pensionierter Beamter des Außenministeriums).












Zuletzt hatten wir hier Gruppenvergewaltigungen am Ende des 2. Weltkrieges durch russische Soldaten, durchaus nicht selten mit Todesfolge der armen Opfer.
Der Fall Anna ist sicher etwas ganz grausliches und besonders bedauernswertes. Insbesondere moralisch ist das Verhalten der Burschen jedenfalls zu verurteilen. Eine andere Frage ist, ob die strafrechtlichen Bestimmungen über den sexuellen Missbrauch von Unmündigen anzuwenden sind; ob ein einschlägiger Tatbestand (§ 206 oder 207 StGB) erfüllt ist. Es gibt keinen Zweifel, dass sich der Vorsatz eines Täters auch auf die Unmündigkeit des Opfers beziehen muss. Vgl § 206 RZ 21 des Wiener Kommentars zum StG (2..Auflage) § 206 Rz 21: „Der Irrtum über das Alter des Opfers ist gemeiniglich ein Tatbildirrtum, der den Vorsatz ausschließt. Bei der Prüfung der entsprechenden Irrtumseinrede ist im Besonderen auf äußere Umstände Bedacht zu nehmen: Besucht das Opfer noch die Pflichtschule? Wie steht es um die körperlichen Anzeichen von Reife oder Unreife der Person?“ - Fortsetzung sogleich
– Falls die Nichtigkeitsbeschwerde Erfolg hat, wird sich das Untergericht insbesondere mit dieser Frage noch auseinanderzusetzen haben.
War ein juristischer Trick, um die Verurteilung der Täter zu verhindern. Wem dient die Staatsanwaltschaft ? Der Asylindustrie, die keine Kundschaft verlieren will ?`
Warum hat die Staatsanwaltschaft die Schutzbehauptung der Täter, sie haben das Alter des Opfers falsch eingeschätzt, nicht als Lüge entlarvt ? Das war nichts anderes als Lüge.
Im Hauptverfahren ist es Angelegenheit des Gerichts den Sachverhalt festzustellen; hier also, ob die Täter über das Alter auf Grund der gegebenen Umstände annehmen durften, dass Anna zum Tatzeitpunkt mindestens 14 Jahre alt gewwesen ist.berechtigterweised irren konnten. Wäre die Staatsanwaltschaft schon davon ausgegangen, dass die Täter auf Grund der Umstände bei dieser Tatsache entschuldbarer Weise irrten, so wäre die Anklage nicht schlüssig gewesen.
Ich fürchte, in wenigen Jahren werden sich die Gerichte europaweit der Scharia unterordnen.
Im islamischen Recht gilt ein Mädchen ab der Menarche als heiratsfähig. (In meiner Schulzeit habe ich gelernt, dass für die katholische Kirche ein Mädchen ab 12 Jahren als heiratsfähig gilt, sofern dem nicht staatliche Gesetze entgegenstehen. Das wurde mittlerweile auf 14 Jahre erhöht.)
Wir Europäer gehen jedenfalls großen Veränderungen entgegen. Wünschenswert ist das alles jedoch nicht.
Danke Herr Dr. Lang für die Klarstellung. Bis dato könnte ich mit den gelieferten Erklärungen nichts anfangen. Mir fehlte, als Rechtsunkundigen, der Schutz von Minderjährigen und das Verständnis für dieses Urteil.
Rechtsirrtum, wie Sie schrieben, oder bewusste Vorgangsweise mit dem Zweck der Vermeidung von . . ???
Jedenfalls eine wertvolle Betrachtung, die ich bisher so deutlich noch nicht gelesen habe!
Danke für diese Darstellung ******
Es geht nicht um einen Rechtsirrtum, sondern um einen Tatsachenirrtum, nämlich den äber das Alter des Opfers. Rechtsirrtum wäre es zB, wenn die Täter gglaubt hätten, dass sie mit einer Unmündigen Sex haben dürfen. Ein derartiger Rechtsirrtum ist aber unbeachtlich.