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Gastkommentare

Das bequeme „Jein“: Warum sich so viele von der Kirche abwenden

06. August 2025 18:39 | Autor: Herbert Kaspar
17 Kommentare

"Wenn es nicht bedeuten würde, dass ich dann auch aus meiner Verbindung austreten müsste, wäre ich schon längst aus der Kirche ausgetreten", bekannte mir neulich ein langjährig gut bekanntes Mitglied aus dem CV. Und da muss schon einiges schieflaufen, wenn sich ein CVer zu so einem Gefühlsausbruch hinreißen lässt, noch dazu, wenn seine Motive so gar nicht dem gängigen Klischee von Missbrauchsfällen oder Ärger über den Kirchenbeitrag entsprechen.

Auch "Die Presse" titelte einmal überrascht: "Keine Skandale, und trotzdem Rekord bei Kirchenaustritten". Die Antwort ist wohl viel banaler: es ist "der rapide Bedeutungsverlust der katholischen Kirche als Opinion-Leader" (Hans Rauscher im "Standard") wobei auch der Vertrauensindex von OGM/APA – sowie andere Untersuchungen – einen deutlichen Verlust an Relevanz zeigen. Schon vor Jahren vermisste nicht nur der Religionssoziologe Paul Zulehner in der Kirchenleitung eine "kräftige Stimme". Auch der ehemalige Grazer Bischof Egon Kapellari hatte urgiert, dass man sich bei kontroversiellen Themen aus dem "Zwielicht" des bequemen "Jein" herausbewegen müsse.

Als etwa einer der afghanischen Täter die Vergewaltigung und Ermordung der 13-jährigen Leonie ungerührt mit: "Die Scheiß-Christin hat das nicht anders verdient", kommentierte, war das der Kathpress keinen Artikel wert, und kein Kirchenvertreter hat zu dieser Ungeheuerlichkeit Stellung genommen – übrigens auch kein Politiker!

Seit Jahren duckt sich die Amtskirche bei Themen weg, die den Mainstream des heimischen Journalismus verstimmen könnten. Man will mit klaren Worten nicht anecken und engagiert sich lieber im sozialen Bereich, bei Umweltthemen oder im Rahmen der Willkommenskultur. Da kann man sich des Beifalls sicher sein, und sogar SP-Chef Andreas Babler stellte im Vorjahr freudig fest, "dass Kirche, Caritas und christlich soziale Organisationen mittlerweile mit der Sozialdemokratie marschieren."

Linksfeministische Theologinnen werfen Vertretern eines traditionellen Katholizismus ein "antiquiertes, heteronormatives Familienbild" vor, anstatt sich für die Anliegen der LGBT+-Community und der Gender-Ideologie einzusetzen. Diese "progressiven" Christen sehen auch keine Gefahr in der zunehmenden Islamisierung Europas, ja sie setzen sich aktiv für die Zuwanderung ein (wenn etwa die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung an die Regierung appellierte, Flüchtlinge aus Afghanistan – insbesondere Frauen – aufzunehmen). Die schleichende Transformation Europas ist ihnen ebenso wenig ein Anliegen wie die anhaltenden, massiven Christenverfolgungen weltweit, vor allem in muslimischen Ländern.

Das irritiert immer mehr brave (Noch)-Kirchenbeitragszahler (und auch engagierte Priester, die hinter vorgehaltener Hand diesen Kurs kritisieren). Die Amtskirche sollte sich bewusst sein, dass "soziale Nützlichkeit die religiöse Sinnstiftung nicht ersetzen kann", wie das ein Schweizer Theologe treffend formuliert hat. Und auch die innerkirchlichen Lieblingsthemen von der Priesterehe bis zur Frauenordination interessieren die Menschen auf Sinnsuche nicht wirklich. Die wenden sich dann lieber der Esoterik, dem Buddhismus, Yoga oder evangelikalen Gemeinden zu, die – so Kardinal Christoph Schönborn – heute die am stärksten wachsende Gruppe unter Christen darstellen. Warum wohl?

Natürlich ist es meist ein Mix an Motiven, warum sich Menschen von der Kirche abwenden, aber ein starker Grund ist sicher das asymmetrische Themenangebot. Der Orientierung suchende Christ will nicht von der Kirche zum Klimawandel oder zur Gendergerechtigkeit belehrt oder mit gewundenen Aussagen zum Islam kalmiert werden. Er will eine Kirche, die eine realistische Sicht auf die Welt hat, Klartext redet und Halt und Orientierung gibt.

  

Dr. Herbert Kaspar ist Publizist und Kommunikationsexperte und hatte lange wichtige Funktionen im Österreichischen Cartellverband inne.

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  1. Arbeiter
    15. August 2025 10:25

    Herzlichen Dank, lieber Cartellbruder Kaspar für Deinen Kommentar hier und in unserer ACADEMIA! Betreffend Zulehner schließe ich mich dessen Kritikern hier an. Ich sehe ihn als Teil des Problems. Anlässlich einer Veranstaltung an der Uni Linz lernte ich ihn kennen. Thema war sein Lieblingsthema, die Männer als defektes Geschlecht. Ich meldete mich mit der Frage (damals von Landeshauptmann Pühringer stets thematisiert) "Geburtenrate 1,4 statt der notwendigen 2,1 im Schnitt pro Frau - ob damit nicht auch das Frauengeschlecht Defizite hätte?". Zulehner macht mich coram publico zur Sau: wie können Sie sowas sagen - Kinder pro Frau? Aber er ist gewiss ein überaus intelligenter und eloquenter Mann.



  2. Petron
    07. August 2025 21:49

    Sehr treffender und ohnehin noch sanft argumentierender Kommentar. Für einen Austritt aus diesem Verein gäbe es viele gute Gründe, allerdings auch für den Verbleib. Was kann Europa (sonst) noch retten?



    • Cotopaxi
      08. August 2025 07:41

      Die verbleibenden Mitglieder der Kirchen werden Europa mit Sicherheit nicht retten. Das können nur Männer, und die findet man in den Kirchen nicht mehr.



  3. eupraxie
    07. August 2025 13:04

    Wolfram Schrems hat es schon erwähnt: Zulehner als Gewährsmann anzurufen mit der Idee, den überlieferten Glauben in der Öffentlichkeit und gegen den Mainstream zu vertreten, ist kontraproduktiv. Zulehner war es, der nach der Papstwahl sofort darauf hinwies, dass die Frauenweihe jetzt hoffentlich umgesetzt wird und zu Pfingsten hielt er eine Predigt nahe Graz, die ganz dem Klimawandel gewidmet war.

    Es ist problematisch, in einem politischen Blog Religion bzw. den (kath) Glauben zu thematisieren, da Politik grundsätzlich ja auf das Diesseits, der christliche Glaube grundsätzlich auf das Jenseits gerichtet ist.

    https://kath.net/news/88135
    Eine Predigt von Kardinal Sarah verdeutlicht das.

    Traditionell blinken und zum Mainstream abbiegen um scheinbar mitreden zu können, bringt die Kirche nicht weiter. Ging auch bei der VP schief.



  4. Wolfram Schrems
    07. August 2025 11:24

    Der Autor hat grundsätzlich recht. Den Prof. Zulehner als Gewährsmann heranzuziehen, ist allerdings nicht angebracht, weil dieser Teil des Problems ist.

    Das katholische Couleur muß sich allerdings auch fragen lassen, wie es es mit dem Prinzip religio hält. Mir ist klar, daß der Fisch am Kopf zu stinken beginnt und eine (nominell) katholische Organisation kaum mehr katholisch sein kann als die - derzeit schwerst verwirrte - Hierarchie. Dennoch steht jeder einzelne CVer und MKVer auch unter dem Anspruch Gottes und kann sich nur bedingt auf die Bischöfe hinausreden.

    Meine eigenen Erfahrungen mit dem kath. Couleur sind niederschmetternd. Ich referierte bei einem CV-Zirkel zum Thema Christenverfolgung im Jahr 2011. Das wurde nicht gut aufgenommen.
    Ich referierte auch beim MKV (Borussia) zum Thema christliche Prägung Europas. Auch dort war (bei der Altherrenschaft) as Verständnis für das Prinzip religio gelinde gesagt unterentwickelt, scientia ebenso. Manieren und Disziplin waren



    • Wolfram Schrems
      07. August 2025 11:29

      indiskutabel. Man wollte das gar nicht hören. Die Aktivitas schien eher interessiert zu sein.
      Bei der Frankonia referierte ich vor ca. 15 Jahren mit zwei oder drei Koreferenten zum Thema Islam, unter ihnen ein Konvertit. Aus der Altherrenschaft gab es geradezu gehässige Kommentare und pro-islamische Aussagen. (Einer von denen fiel auch beim CV-Zirkel negativ auf.)

      Das katholische Couleur muß sich selbst wieder am überlieferten Glauben ausrichten, weil das erstens der Auftrag Gottes selbst ist und weil es zweitens sonst überflüssig ist und verschwinden wird.
      Es wäre auch Aufgabe der Laien und Laienorganisationen, die Hierarchie zu ihren Verpflichtungen zu mahnen.

      Zum desaströsen Wirken von Kardinal Schönborn äußerte ich mich angesichts des damals erwarteten Rücktritts hier:
      https://katholisches.info/2019/12/21/kardinal-christoph-schoenborn-was-wird-bleiben/

      Leider ging m



    • Wolfram Schrems
      07. August 2025 11:34

      it dem Corona-Wahn der kirchliche Verfall noch rascher weiter.

      Es ist der Wurm in der Kirche, besonders in der Hierarchie. Das geht über ein paar zeitgeistkonforme Universitätstheologinnen weit hinaus. Es geht auch über einige menschlichen Schwächen ergebene Bischöfe weit hinaus.
      Es ist eine Apostasie im Gange, die die Hierarchie mit dem Amtsantritt von Papst Johannes XXIII. geradezu aktiv beförderte. Die Auswirkungen sehen wir um uns herum.
      Das hängt mit der Fatima-Botschaft zusammen, die zuerst von der Hierarchie grundsätzlich positiv aufgenommen, dann aber praktisch verschwiegen, umgedeutet und verworfen wurde.

      Ich habe mich dazu vor einigen Tagen hier geäußert:
      https://katholisches.info/2025/07/31/fatima-wieder-laufen-hundert-jahre-ab-offenbarungen-von-pontevedra-1925-und-tuy-1929/

      Leider ist das alles nicht im Bewußtsein der Kir



    • Wolfram Schrems


    • Hegelianer
      07. August 2025 11:42

      Der CV ist eine Karrierenschmiede. Was will man da Großes erwarten?



  5. Hegelianer
    07. August 2025 10:51

    Man schaue sich z.B. auch die lauwarme Reaktion des limburger Erzbischofs zur Causa Brosius an. Dann weiß man alles über den Zustand der katholischen Kirche in der BRD. Oder an das reuige Zurückkriechen des bamberger Bischofs nach dessen Predigt. Lieber ein Menschenrecht auf Abtreibung hinnehmen als die "Demokratie gefährden" ...



    • Wolfram Schrems
      07. August 2025 11:39

      Die Reaktion des Limburger Bischofs (nicht Erzbischofs) Georg Bätzing war nicht "lauwarm", sie war entschieden FÜR Brosius-Gersdorf.

      Bätzing fiel den Pro-Life-Bischöfen in den Rücken, somit allen Katholiken - und den ungeborenen Kindern.
      Bätzing erklärte die AfD-Positionen mit dem katholischen Glauben für unvereinbar, was nicht den Tatsachen entspricht.

      Bätzing ist ein einziges Ärgernis.



  6. ET IN ARCADIA EGO
    07. August 2025 08:43

    Herzlichen Dank für Deine klaren und richtigen Worte, lieber Kbr.
    Allein, sie werden nicht gehört in den Ordinariaten und Pallästen. Verklungen, wie der Kommersgesang, verhallt, wie Rapier- und Sporenklang.....fiducit.



  7. rowischin
    07. August 2025 02:09

    Herr Dr. Kaspar, Sie sprechen mir aus der Seele. Danke.



  8. Peregrinus
    06. August 2025 20:04

    Christus wäre aus dieser Kirche ausgetreten.



    • Wertkonserve
      08. August 2025 07:42

      Ich würde auch aus einer Kirche austreten, die Mitglieder wie Sie hat.



    • Peregrinus
      08. August 2025 16:58

      @ Wertkonserve
      Ihre Aussage offenbart, dass Sie mit einem werteverbundenen Konservativismus nichts anfangen können und diesbezüglich gravierende Defizite aufweisen. Der Wertverbundene Konservative baut auf den einschlägigen Werten auf und prüft sie auf ihre Weitergeltung im Detail. Er fragt sich, ob Details früherer Aussage noch mit den einschlägigen Grundwertungen vereinbar sind und versucht dann, eine Anpassung auf Basis dieser Grundwertungen vorzunehmen. Als Konserve können Sie damit freilich nichts anfangen. Eine Konserve ist Luftdicht abgepackt und steril. Sie sind eine Wertkonserve. Ihre Sterilität bedarf keiner weiteren Überprüfung.



  9. Outback
    06. August 2025 19:24

    Danke dem Autor für den trefflichen Kommentar. Nicht nur der Orientierung suchende sondern auch der überzeugte Christ will keine Regenbogenfahnen auf den Gotteshäusern, die - wie die unter diesem Symbol stehende Pride-Parade zeigt - etwas völlig Anderes als vermeintliche Toleranz propagieren. Man erinnere sich auch an den neu geschöpften Satz: "Maria PRIDE den Mantel aus!" Eine Zumutung sondergleichen!






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