In der steirischen Landeshauptstadt Graz ereignete sich am 11. Juni 2025 ein Schulmassaker, wie man es hierzulande bis dato nicht erlebt hat. Ein 21-jähriger ehemaliger Schüler eines Bundesoberstufenrealgymnasiums tötete innerhalb von sieben Minuten neun ihm persönlich unbekannte Schüler und eine Lehrerin und verletzte elf weitere schwer, ehe er Suizid beging. Der Täter hatte beide Tatwaffen (eine Flinte und eine Glock-Pistole) rechtmäßig erworben.
Wie in solchen Fällen üblich, wurde die Tat sofort als "Amoklauf" eingestuft, was deshalb an der Wahrheit vorbeigeht, weil das Verbrechen mit kühlem Kopf geplant, vorbereitet und schließlich kaltblütig ausgeführt wurde. Von einer Affekthandlung kann somit nicht die Rede sein.
Ohne noch irgendwelche Tathintergründe zu kennen, traten prompt die üblichen Verdächtigen auf den Plan und machten das "viel zu liberale Waffengesetz" für das Blutbad verantwortlich. Allen voran die Bürgermeisterin der Stadt Graz, eine orthodoxe Kommunistin, die ein totales Waffenverbot im Lande forderte. Nur die Polizei und das Militär sollen ihrer Meinung nach über Schusswaffen verfügen (schließlich waren ja auch im sowjetischen Gulag nur die Wärter bewaffnet).
Die Mainstreammedien griffen flugs in ihre Schubladen und veröffentlichten für derlei Fälle bereitgelegte Horrormeldungen zur Zahl der legal in privater Hand befindlichen Waffen im Lande. Es handelt sich um rund 1,5 Millionen Stück, verteilt auf sämtliche per Gesetz definierte Waffenkategorien. 374.141 Personen sind als Waffenbesitzer registriert.
Weniger prominent fielen indes die Hinweise darauf aus, dass die Mehrzahl der Bluttaten im Lande keineswegs mit Schusswaffen, sondern mit Messern und anderen Gegenständen des täglichen Bedarfs begangen werden – Gewalttaten also beim Fehlen einer Feuerwaffe nicht unmöglich werden. Dass dann, wenn doch einmal geschossen wird – anders als im aktuellen Fall –, überwiegend illegal beschaffte Waffen (deren Zahl auf zwischen 1,5 und zwei Millionen Stück geschätzt wird) eingesetzt werden, wird, falls überhaupt, ebenfalls nur am Rande vermerkt.
Auffallend wenig Beachtung wurde im Fall des Grazer Massakers darüber hinaus dem Umstand zuteil, dass ein massives Behördenversagen im Hintergrund stand. Dem Täter wurde nämlich bei der Musterung für den Wehrdienst Untauglichkeit aufgrund psychischer Auffälligkeit attestiert. Das ist insofern interessant, weil bis vor nicht allzu langer Zeit Wehrdienstverweigerern der Erwerb einer Waffenbesitzerlaubnis (WBK) verweigert wurde – was nur nach einer entsprechenden Meldung ans für die Administration des Waffengesetzes zuständige Innenministerium (respektive dessen nachgeschaltete Behörden) möglich war. Im vorliegenden Fall aber beruft man sich auf den "Datenschutz", der es angeblich unmöglich gemacht hätte, die Waffenbehörden über die psychische Instabilität des Täters zu informieren (was zur Verweigerung der Ausstellung einer WBK hätte führen müssen).
Nach diesem eklatanten Staatsversagens werden sich nun – wie zum Hohn – wieder einmal alle rechtstreuen Bürger, die gewöhnt sind, ihre Waffen nicht auf dem Schwarzmarkt zu besorgen, auf zusätzliche Behördenschikanen einstellen müssen.
Die "Wirksamkeit" legistischer Maßnahmen zur Eindämmung oder Verhinderung von Gewalttaten sei hier anhand dreier Punkte illustriert.
Der erste davon betrifft halbautomatische Büchsen vom Typ "Ruger Mini 14" im Kaliber .223 Rem. Diese Waffen waren – wie alle Langwaffen – frei erwerbbar. Infolge eines der unermesslichen Ratschlüsse des Innenministeriums wurden diese Waffen eines Tages als "Kriegsmaterial" deklariert und damit für den privaten Besitz illegal. Den Eigentümern, die sie auf Basis des geltenden Gesetzes erworben hatten, wurde es freigestellt, diese entweder (entschädigungslos!) abzugeben, oder um eine Sonderbewilligung (des Verteidigungsministeriums!) anzusuchen, die in aller Regel auch gewährt wurde. Nach Auskünften des Fachhandels wurde aber nur für einen sehr kleinen Teil dieser Waffen (die inzwischen auf die Waffenkategorie B zurückgestuft wurden) Sonderbewilligungen beantragt und noch weniger abgegeben. Das bedeutet, dass sich Tausende dieser halbautomatischen Büchsen seit Jahrzehnten illegal in Privathand befinden – ohne dass damit je ein Fall eines Missbrauchs dokumentiert wurde (jedenfalls nicht in Österreich).
Der zweite Fall betrifft sogenannte "Pumpguns" (Vorderschaft-Repetierflinten), die im Jahr 1994 verboten wurden. Rund 100.000 Stück davon befanden sich nach Auskunft des lizenzierten Waffenhandels zum Zeitpunkt des Verbots in Privathänden. Wie im Fall des Mini 14 wurde den Eigentümern auch hier die Möglichkeit einer Sonderbewilligung angeboten. Nur ein Bruchteil der "Pumpguns" wurde registriert oder abgegeben. Vielfach aus Unwissenheit, mit Sicherheit aber auch deshalb, weil die Bürger dem Gesetzgeber nicht mehr über den Weg trauen. Schließlich sind nicht registrierte Waffen nicht ganz so einfach zu konfiszieren wie registrierte. Wie dem auch sei: Seit 1994 habe ich von keinem Fall eines Missbrauchs dieser nun in rauen Mengen ebenfalls illegalen Waffen gehört.
Im dritten Beispiel geht es um Waffenverbotszonen, die sich bei Journalisten und Politikern gleichermaßen größter Beliebtheit erfreuen. Wo Waffen verboten sind, kann ja schließlich nichts mehr passieren, so die bestechende Logik dahinter. Trotzdem kam es am 3. Juni 2025 in einer Messerverbotszone, nämlich am Gellertplatz im mittlerweile zum orientalischen Ghetto verkommenen Bezirk Wien-Favoriten, zu einer Messerattacke auf zwei Personen. Für die Waffen-weg-Fraktion ist es immer wieder überraschend zu erleben, dass Gewalttäter sich weder ums Waffengesetz noch um Verbotszonen scheren.
Allein die drei genannten Beispiele sollten den politisch Verantwortlichen, vor allem aber der stets empörungsbereiten Linksjournaille, deutlichmachen, dass für Gewalttaten nicht die Tatmittel, sondern die handelnden Personen verantwortlich sind. Bei "Amokläufen" handelt es sich in den meisten Fällen übrigens um psychisch gestörte Täter. Und natürlich kann auch bei diesen Tätern nie ausgeschlossen werden, dass sie sich legal nicht zugängliche Tatmittel auf dem Schwarzmarkt besorgen.
Dass Waffenverbotszonen, besonders Schulen, eine magische Anziehungskraft auf irre Gewaltverbrecher ausüben (weil sie dort nämlich keine Gegenwehr zu fürchten haben!), sollte sich langsam auch bis zum politisch-medialen Komplex herumgesprochen haben. Gesetzesaktionismus führt jedenfalls – siehe oben – zu rein gar nichts!
"Waffen zu verbieten, weil Kriminelle zu viele davon haben, ist wie sich selbst zu kastrieren, weil der Nachbar zu viele Kinder hat."
(Clint Eastwood zugeschrieben)
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.
"Meine .."
@Heisenberg
Ich würde noch darüber hinausgehen:
Das grundsätzliche Problem im System sehe ich darin, dass hier Privatsachverständige nach Wahl des Antragstellers tätig werden dürfen. Es spricht sich wohl schnell herum, wer neben dem Multiple choice Test im persönlichen Gespräch strenge Maßstäbe ansetzt, und welcher Psychologe eher „nachsichtig“ ist. Der Verantwortungsbewusste wird bald kein Geschäft mehr machen, sollten sich sein Anforderungsprofil herumsprechen, sodass dieser schon wirtschaftlich gezwungen sein kann, hier Zugeständnisse zu machen. Lösung daher: Entweder Zuteilung von Amts wegen, sodass jeder private Sachverständige der die Qualifikation dafür hat von vorne herein gleichmäßig beauftragt wird, oder alternativ überhaupt eine Begutachtung ausschließlich durch einen Amtssachverständigen.
Den allergrößten Anteil am Behördenversagen hat hier der Psychologe, in dessen Haut ich nicht stecken möchte, der aber von den Angehörigen in Grund und Boden geklagt werden sollte (und außerdem Berufsverbot erhalten müsste).
Wie kann dieser Herr Psychologe jemandem nach einem psychologischen Gespräch (ich meine das Gespräch und nicht den Multiple choice Test) grünes Licht geben, der mit 18 die Schule abgebrochen hat, noch nie einen Handschlag gearbeitet hat, aktuell arbeitslos ist, keine Ausbildung hat, im Hotel Mama wohnt, der keine sozialen Kontakte hat, der seit drei Jahren im Kinderzimmer hockt und Egoshooterspiele spielt, der nicht selbsterhaltungsfähig ist und für den Verantwortung ein Fremdwort ist? Reicht es wirklich, dass man keine Vorstrafen hat?
Dieser Psychologe hätte wohl auch einen Mann, der vor einer Woche aufgrund von Gewalt in der Familie aus der Ehewohnung weggewiesen (dh hinausgeschmissen) wurde und gegen den ein Betretungsverbot erlassen wurde und der nun rein zufällig Sportschütze werden möchte, als zuverlässig eingestuft.
Und wenn der spätere Amokläufer dem Psychologen erzählt haben sollte - was ich mir nicht vorstellen kann - dass er Generaldirektor bei Siemens sei, gerade ein Einfamilienhaus gebaut habe und Verantwortung für eine siebenköpfige Familie trage und sein Hobby Schachspielen sei, und der Psychologe das nicht hinterfragt haben sollte, dann gehört er erst recht aus dem Verkehr gezogen.
ach ja, und zur "Selbstverteidigung", für die die Waffe benötigt werde (das ist die Standardbegründung, die man bei der BH angeben muss und die ausreicht): wieso zur Hölle macht es ganz offensichtlich weder für den Psychologen noch die BH einen Unterschied, ob man ein Einfamilienhaus vor Einbrechern verteidigen will oder ein Kinderzimmer vor einem überraschenden Eintritt der Mutter?
@ Andreas Tögl
Ich bin grundsätzlich Ihrer Meinung. Das beste Beispiel dafür sind die Jäger. Es gibt wohl keine Gruppe von Menschen, der ein umfangreicherer Waffenbesitz pro Person zuzurechnen ist als dieser. Ein Waffenmissbrauch ist dieser kaum zuzurechnen. Wenn einer damit mordet, so ist dies eine extreme Ausnahme. Sowas kann man halt nicht verhindern. Dann gibt es freilich auch bei Jägern noch die Idioten, die nicht glauben können, dass man mit der Waffe sorgfältig umgehen muss, um Unfälle zu vermeiden. Das ist aber ein anderes Kapitel. Und da gelang es mir, einiges abzustellen und Gericht dazu zu bewegen, nachsichtige Jagdleiter schadenersatzrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. – Dennoch bleibt mein Grundsatz aufrecht: “Waffen gehören nicht unter das Volk“. Der kann freilich den Waffenbesitz nicht verhindern, den damit verbundenen Missbrauch jedoch schon.
Korrektur zum letzten Satz:
Der kann freilich den illegalen Waffenbesitz nicht verhindern, den damit verbundenen Missbrauch weitgehend jedoch schon. - Diesen Satz habe ich vor Jahrzenten von einem Bezirkshauptmann vernommen. Einem „Bezirkskaiser“ von Noblesse. Übrigens einem Flüchtling, der nach dem zweiten Weltkrieg bei uns gelandet ist.
Frage: Durch wessen Waffenbesitz hätte die Wahnsinnstat von Graz verhindert werden können?
Danke dem Autor für seine klare Analyse. Ich kann mir zwar vorstellen, dass das Verteidigungsministerium aus Datenschutzgründen Ergebnisse eines „Psychotests“ nicht einfach so weitergeben darf. Nicht vorstellen kann ich mir allerdings, dass die Waffenbehörde bei entsprechender Anfrage an das zuständige Ministerium im Zusammenhang mit der Beantragung einer Waffenbesitzkarte oder eines Waffenpasses hier aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft erhalten soll. Und selbst dann könnte die Waffenbehörde die Ausstellung eines waffenrechtlichen Dokuments von der Zustimmung des Antragstellers zur Einholung einer entsprechenden Auskunft abhängig machen. Gegen eine derartige Vorgehensweise gibt es wohl kein Gesetz. Auch ich sehe wie der Autor hier ein offenkundiges Behördenversagen dahingehend, dass der Täter legal Schusswaffen erwerben konnte.
Auch ich sehe wie der Autor hier ein offenkundiges Behördenversagen dahingehend, dass der Täter legal Schusswaffen erwerben konnte. Ob das Massaker bei der Versagung der Erteilung einer Waffenbesitzkarte letztlich vermieden werden hätte können (der Täter hätte auch auf illegale Alternativen oder andere Mittel zugreifen können), steht natürlich auf einem anderen Stern.
....bestechende Logik .... Messerverbotszone .... Bestechende Formulierung!
Danke Herr Tögel, wie immer auf den Punkt gebracht, perfekt analysiert. Mir stellt sich die Frage, woher hatte der Täter das Geld zum Kauf seiner Waffen und was ist in der Erziehung falsch gelaufen? Ich habe die Erfahrung gemacht, was nicht repräsentativ ist, dass Lehrerkinder besondere Problemkinder sind
Eigenartig oder inherent,?
Als LehrerInnen-Kind fällt mir spontan Sieglinde Maurer ein.....
@cotopaxi: Danke, wußte ich nicht, aber ein Paradebeispiel, Studium nicht abgeschlossen, links Link, und und.
Studium nicht abgeschlossen, zB auch Kurz und Kickl - bei aber keine Mörder
,@Peregrinus: Meine Betonung lag auf "Problemkinder und nicht repräsentativ" und nicht auf Mörder. Erziehungs Stil "Laissez Fair".
@ rowischin
Mei Stellungnahme war kein Angriff auf Sie, sollte es keineswegs sein.
"Meine Stellungnahme ..."
@Peregrinus: Es ist alles Gut.